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Artikel
1998
Normtest
Rolleiflex 6002
Sechs mal sechs zum Einstiegspreis
Mit Lob auf Vorschuß bedacht stand diesmal die ganz aktuelle Rolleiflex 6002 auf dem Programm des Tests. Kann die Kamera in den unbestechlichen Meßverfahren der Physiker halten, was sie in der Praxis versprach? Lesen Sie, was NORMTEST herausgefunden hat.
Konkurrenz belebt - so könnte man nach der ersten eingehen den Beschäftigung mit der neuen Rolleiflex 6002 behaupten, eine Kamera, die an die Anfänge mit der SLX erinnert und schließlich im aktuellen Angebot der Rolleiflex 6006 zum Täuschen ähnlich sieht. Unterschiede sind dennoch vorhanden. So besitzt die Rolleiflex 6002 nicht die Wechselmagazine, die die Rolleiflex 6006 zu bieten hat. Statt dessen gibt es Filmeinsätze,
wie man sie bereits bei der SLX kennenlernen konnte. Zubehör zum Schwestermodell ist zu einem großen Teil verwendbar, so zum Beispiel die Objektive. Rollei bietet jedoch, speziell im Zusammenhang mit der 6002, drei in Japan gefertigte Objektive an. Als Standardangebot kann man somit seine Rolleiflex 6002 mit einem Rolleigon 1:2,8/80 mm anstelle des bei der 6006 standardmäßig angebotenen Planar kaufen.
Sicher ist es bei einer neuen Kamera, die in so vielen Dingen ihrem Schwesternmoden ähnelt interessant, von weiteren Unterschieden zu sprechen. Wechselmagazine, wie bereits erwähnt, gibt es nicht für sie, so aber doch verschiedene Rückwände und Einsätze. Durch sie erreicht man neben dem Standardformat von 6x6 Zentimeter (diesen Standard gibt es für die kurze 120er Filmlänge, aber auch für den doppelt so langen 220er Filmtyp) auch das Format 4,5x6 Zentimeter. Ebenfalls für die 120er oder die 220er Filmlängen, womit die maximale Bildanzahl auf einem Film bis zu 30 Aufnahmen erreicht.
Die Rolleiflex 6002 macht insgesamt gesehen einen ausgesprochen guten Eindruck. Einerseits wird sich dies im Verlauf dieses Berichts noch in der Beurteilung der meßbaren Eigenschaften zeigen, andererseits darf man nicht übersehen, daß der für eine Grundausstattung praktisch fast ein Drittel niedrigere Preis der Rolleiflex 6002 ein wichtiger und erfreulicher Impuls für diese Kameraart ist, die nicht nur bei "unverbesserlichen" Anhängern des Formats stärkere Verbreitung verdient.
Plus- und Minuspunkte für den Auslöser
Mängel, die sich in engen Grenzen halten, sind im wesentlichen auch von Rollei erkannt. So ist es auf den ersten Blick ein Nachteil, daß sich die Rolleiflex 6002 zu leicht (auch versehentlich) auslösen lobt. Durch Änderung eines "Schutzkragens" um den Auslöser wurde hier bereits Abhilfe signalisiert. Die im Test benutzte und hier auch abgebildete Kamera besaß diesen Schutz noch nicht. Der Nachteil ist im übrigen weitgehend vermeidbar. Wer zuerst nur die Absicht hat, die Kamera zur Messung zu aktivieren, der kann den seitlichen Knopf benutzen, der ausschließlich die Messung in Gang setzt und die Blende (zur Kontrolle der Schärfentiefe) einstellt. Schutz gegen versehentliches Auslösen ist auch in der Kameratasche gegeben, wenn man die Kamera am seitlichen, an bekannter Stelle zu findenden Hauptschalter ausschaltet. Dann kann mit den beiden an der Kamerafront befindlichen Auslösern kein Mißgeschick passieren, die im übrigen stets dann, wenn tatsächlich und absichtlich ausgelöst werden soll, sehr angenehm sind. Gerade in der Leichtigkeit läßt sich beim Auslösen ein Verreißen aus dem Handgelenk vermeiden. Was bleibt, ist der auch bei dieser Kamera recht heftige Spiegelschlag, der nicht ohne weiteres meßbar und bewertbar die Verwendung eines Stativs angeraten erscheinen läßt. Ein heute wohl noch nicht ganz vermeidbarer Nachteil, der einerseits in der Masse des doch recht großen zu bewegenden Spiegels begründet ist und andererseits von der Masse der Kamera nicht völlig geschluckt wird. Den Konstrukteuren bleibt also zu wünschen, sie mögen eine neue Form der Spiegelführung finden, die rückschlagfreies Fotografieren erlaubt. Den Nachteil gegenstandslos zu machen, liegt heute noch voll in der Hand des Fotografen. Einerseits sind kurze Belichtungszeiten nicht gefährlich, solange die Brennweite des verwendeten Objektivs nicht extrem lang ist. Andererseits muß man nicht gleich zum schweren Dreibeinstativ greifen, sondern kann mit einem guten Einbeinstativ sowohl für eine verwacklungsfreie Auslösung sorgen als auch den Tribut an die Bequemlichkeit in absolut vertretbaren Grenzen halten. Erst Aufnahmen im Bereich der Belichtungszeiten von einer halben bis zu mehreren Sekunden erfordern den Einsatz eines Dreibeinstativs, der für jegliche andere Kamera ebenfalls erforderlich wäre.
Wie das Schwester- und Vorgängermodell besitzt die Kamera zur Energieversorgung einen Akkublock, das heißt, einen extra für diese Kameras konstruierten Einschub, der die Akkus beherbergt. Die Rolleiflex aus der Familie der "Sechstausender" verweigert sich damit zwar handelsüblichen Mignonzellen (es werden im Block acht kurze Akkus verwendet), doch der Strombedarf der Kamera kann optimal gedeckt werden. Mehr noch, eine Sicherung im Bodenfach schützt die Kamera vor Schaden. Ein "Muß" in jedem Haushalt, das ebenso ernsthaft für eine Kamera zu begründen ist - konsequent für die Kamera aber wohl erst von Rollei richtig erkannt wurde. Für Ersatz ist übrigens auch gesorgt, denn in einem Seitenfach des Akkublocks ist eine Reservesicherung untergebracht. Zur Rolleiflex 6002 wird als Standard ein normales Ladegerät geliefert. Man kommt durchaus gut damit aus doch die Erfahrung aus der Arbeit mit dem Schnelladegerät läßt die Empfehlung zu, sich das als Zubehör erhältliche Schnelladegerät anzuschaffen. Ebenso ist es nicht nur dem Profi zu empfehlen, sich mindestens einen zweiten Akkublock für unterbrechungsfreie Aufnahmebereitschaft anzuschaffen auch der Amateur sollte sich diesen "vernünftigen Luxus- leisten - und das, obwohl die Kamera wirtschaftlich mit dem Strom umgeht und immerhin mindestens eine Anzahl von ungefähr 600 Aufnahmen (bei Zimmertemperatur) zuläßt.
Der Ladezustand des Akkus kann über eine Prüftaste kontrolliert werden. Die zu dieser Prüfung zu beachtende Leuchtdiode ist im Rahmen des Suchers zu finden. Allerdings trägt Rollei in der Bedienungsanleitung in diesem Punkt bislang eher zur Verwirrung als zur klaren Hilfe bei. In einer Art "Logiktabelle", wie sie Mathematiker oder Elektroniker aufzustellen verstehen, kann bei nicht leuchtender LED davon ausgegangen werden, daß der Akku entweder voll geladen oder aber voll entladen ist. Die leuchtende LED kann sowohl "teilentladen" als auch "entladen" bedeuten. Nimmt man sich gar eine der Bedienungsanleitung-Behauptungen nach sprachlichem Sinn vor, so behauptet Rollei durch die Formulierung " leuchtet nicht" - Antwort "Nein", daß bei völlig entladenem Akku die LED hell erstrahlen müßte. Eine Nachlässigkeit die man in der Praxis schnell vergessen kann.
Ein Lob für die Belichtungsgenauigkeit
Wesentliches Kriterium eines Kameratests wird stets die Beurteilung der Belichtungs-Kenndaten, wie Einhaltung der vorgegebenen Zeit oder im Zusammenhang mit irgendeiner Automatik auch das Einhalten der Belichtungsgenauigkeit, der Kombination aus Zeit und Blende also, sein. Daran werden auch künftige wie auch immer geartete Automatiken nichts ändern. Die Rolleiflex 6002 bietet nachprüfbare Zeiten, die gut bewertet werden konnten. Zwischen den Belichtungszeiten von beachtlichen 30 Sekunden bis zur sechzigstel-Sekunde bleiben sie unter einer maximalen Abweichung von +1/6-Blendenwert. Es handelt sich dabei um geringe Abweichungen, die weit innerhalb der zulässigen Toleranzen bleiben. Bis zur kürzesten Belichtungszeit, bei der Kamera ist es die fünfhundertstel-Sekunde vergrößert sich die Abweichung. Doch selbst im ungünstigsten Wert bleibt sie mit höchstens 1/3-Blendenwert gut innerhalb der Toleranzgrenzen.
Ein etwas anderes Verhalten ist bei Bewertung der Automatik festzustellen, wo die Belichtung als Kombination aus der eben besprochenen Zeit und der Blende zu sehen ist. Unter Automatikbetrieb wird eine Zeit vorgewählt, die Kamera steuert die dazu passende Blende. In der Testpraxis wurde somit bei einer Belichtungszeit von 1/60 Sekunde zwischen der größten Blendenöffnung 2,8 und der kleinsten Blendenöffnung 22 gemessen. Dabei stellt sich die Neigung zur Unterbelichtung mit höchstens ungefähr 1/3 Blendenstufen heraus. Eine Verringerung war zu kleineren Blendenöffnungen hin zu beobachten. Zwischen Blende 16 und 22 wechselt das Vorzeichen - die Kamera tendiert dann zu einer minimalen Überbelichtung, die jedoch höchstens 1/6 Blendenstufe beträgt. Auch hier ist also festzustellen, daß von sehr guten Belichtungseigenschaften ausgegangen werden kann.
Fazit
Mit der Rolleiflex 6002 präsentierte Rollei uns eine Kamera, die ein in allen wesentlichen Punkten sehr gutes Urteil verdient. Besonders hervorzuheben ist, daß bei einem Preis von ungefähr 3200 Mark für die Grundausstattung zwar ein Gerät geliefert wird, auf das man immer noch "hinsparen" muß, doch die Reduzierung im Vergleich mit der 6006 um praktisch ein Drittel beweist zusammen mit der guten Beurteilung, daß auch "aus deutschen Landen" Gutes auch noch preiswerter werden kann.
+ Bemerkenswerter Preisvorteil (im Vergleich zum Schwestermodell)
+ Zweites Filmformat (4,5 x 6) durch Zusatzrückwand
+ TTL-Blitzautomatik
- Spiegelschlag etwas stark
- Fehlauslösung leicht möglich
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