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Artikel
1998
Normtest
Mamiya 645 Super
Was lange währt...
Schon während der photokina '82 wurde von einer Nachfolgerin für die erfolgreiche Mamiya 645 gemunkelt. Während der photokina '84 sah es so aus, als würden die Pläne bald Wirklichkeit werden, im Jahr der photokina '86 steht sie nun da, die Mamiya 645 Super. Ist sie auch gut geworden?
Die Mamiya 645 ist eine einäugige Spiegelreflexkamera für das Format 4,5x6 cm oder genauer für das Format 41,5x56 mm, denn so groß ist das Negativ oder Dia tatsächlich, das auf einen 120er oder 220er Rollfilm belichtet wird. Wer partout mit dieser Kamera Kleinbildfilme belichten möchte, kann auch das tun, er muß lediglich das Magazin für 135er Film an seine Mamiya ansetzen. Auch der Wechsel von 120er auf 220er Rollfilm macht ein anderes Magazin nötig, während es anderswo genügt, eine Andruckplatte umzustellen. Schließlich kann mit der Mamiya 645 super auch Polaroid-Film vom Typ 669 belichtet werden, wobei das Format des Sofortbildes nicht ausgenutzt wird. Das Motiv kann aber sehr gut beurteilt werden. Mit gleicher Brennweite (die Normalbrennweite ist 80 mm) ist das Motiv auf dem 4,5x6 cm Bild auch nicht kleiner, als auf einem 6x6 cm großen Bild - nur ist ein bißchen weniger drauf.
Baukastensystem: Nicht mehr neu
Eine komplette Mamiya 645 zerfällt in fünf Teile. Das Zentrum ist das eigentliche Gehäuse, in dem der Rückschwingspiegel und der Tuchschlitzverschluß wiederum die wichtigsten Positionen einnehmen.
Der Spiegel kann mit einem kleinen Knebelkopf auf der linken Seite des Gehäuses hochgestellt werden, was für Bilder mit sehr langen Brennweiten oder Nahaufnahmezubehör unerläßlich ist, weil jede Erschütterung die Aufnahme verwackelt. Wird von der Spiegelhochstellung kein Gebrauch gemacht, so kehrt der große Spiegel nach dem Ablauf des zweiten Verschlußvorganges mit einem vernehmlichen Geräusch in seine Ausgangslage zurück. Soll er das nicht, so genügt es, den Ring um den Auslöser auf einen gelben Punkt zu stellen. Erst mit dem nächsten Verschlußaufzug wird der Spiegel wieder in den Strahlengang des Objektivs geschwenkt.
Der Auslöser befindet sich auf der rechten Kameravorderseite unten, dort, wo er leicht zu erreichen ist, wenn man die Kamera mit dem Lichtschachtsucher verwendet und aus Bauchhöhe fotografiert. Wird die Kamera dagegen mit einem der Prismensucher aus Augenhöhe eingesetzt, so ist dieser Auslöser nicht der Weisheit letzter Schluß. Der Ring, der den Auslöser umgibt, weist neben der bereits erwähnten Position gegenüber der gelben Markierung zwei weitere Rasten auf. Wird er auf ein weißes Viereck ausgerichtet, so arbeitet die Mamiya 645 Super ganz normal, der Rückschwingspiegel kehrt sofort nach der Aufnahme nach unten zurück. Steht die Indexmarke des Ringes einem roten Punkt gegenüber, so ist der Auslöser gesperrt - auch der Auslöser auf dem Motorhandgriff.
Auf der rechten Gehäuseseite macht es ein etwas kleinerer Knebelknopf möglich, auf Mehrfachbelichtung umzustellen, was nicht nur nötig ist, wenn mehrere Bilder auf ein Filmstück belichtet werden müssen, sondern auch, wenn die Kamera einmal ohne Film ausprobiert werden soll.
Verschlußzelten: Ein Ausrutscher
Ebenfalls rechts am Gehäuse der Mamiya 645 Super zu finden: Das Kupplungsstück, an das entweder die Transportkurbel oder der Transportmotor angesetzt werden und darüber das Verschlußzeitenrad, das in ganzen Stufen zwischen vier Sekunden und der 1000stel Sekunde rastet. Die Zeiten zwei und vier Sekunden und die "B" Einstellung sind gelb graviert, die Synchronisationszeit von 1/60 Sek. rot, alle anderen Zeiten weiß. Dazu kommen zwei Symbole: ein Viereck und ein Kreis jeweils in einem Rahmen. Die beiden Positionen des Einstellrades sind durch eine besondere Art der Arretierung gesichert: Es kann jederzeit zwischen beiden hin- und hergeschaltet werden. Um in den normalen Bereich übergehen zu können ist es allerdings nötig, einen kleinen Entriegelungsknopf vor dem Einstellrad zu betätigen. Beide Einstellungen machen aus der Mamiya 645 Super einen Zeitautomaten nach Blendenvorwahl, wenn der Automatik-Prismensucher AE-N mit der 645 Super verwendet wird.
Die Verschlußzeiten von 4 Sek. bis 1/250 Sek. werden sehr genau eingehalten, mit 1/6 Blendenstufe als größter Abweichung bei der 250stel. Die 500stel liegt etwa 1/3 Blendenstufe über der Idealzeit, während die 1/1000 mit mehr als einer halben Blendenstufe Überbelichtung außerhalb der Toleranz liegt. Diese Abweichung hat allerdings keinen Einfluß auf die Genauigkeit der automatischen Belichtung. Offensichtlich kennt man bei Mamiya die Trägheit des Verschlusses bei der kürzesten Zeit und hat sie in die Abstimmung von Zeit und Blende einbezogen. Bis zur 1/125 Sek. fällt die Belichtung etwas knapper aus (maximal 1/3 Blendenstufe, was in Dias möglicherweise sichtbar werden könnte). Ab der 250stel ist dagegen mit einer reichlicheren Belichtung zu rechnen.
Belichtungsmessung: Spot zur Wahl
Die Oberseite des M 645 Gehäuses wird von der Einstellscheibe bestimmt, die den Eindruck macht, als sei sie fest eingebaut, die aber dennoch gewechselt werden kann. Neben der Standardscheibe mit Mikroprismenring und horizontal angeordnetem Schnittbildentfernungsmesser stehen vier andere Scheiben zur Verfügung: Typ A, eine reine Mattscheibe, Typ A4, eine Mattscheibe mit Kreuzgitterteilung (besonders für Architekturaufnahmen empfehlenswert), Typ B, eine Mattscheibe mit Schnittbildfeld, Typ C, eine Mattscheibe mit Mikroprismenfleck.
Insgesamt 12 golden glänzende Kontaktpunkte (aufgeteilt in ein Fünfer- und ein Siebenerfeld) links von der Mattscheibe stellen die Verbindung zum Automatiksucher her.
Der Automatiksucher ist nur einer von drei Wechselsuchern, die zur Mamiya 645 Super angeboten werden. Die beiden anderen sind der Prismensucher N, der zwar nicht den Komfort der Belichtungsmessung und -automatik bietet, aber immerhin ein aufrechtstehendes und seitenrichtiges Sucherbild. Auch darauf muß verzichten, wer sich für den faltbaren Lichtschachtsucher entscheidet, der zu einem Sportsucher umgewandelt werden kann.
Zweifellos ist der Automatiksucher die beste Lösung, denn er bietet neben der integralen TTL-Belichtungsmessung noch die Spotmessung und damit die Möglichkeit, auch unter schwierigen Kontrastverhältnissen zu einem optimal belichteten Bild zu kommen, indem das wichtigste Motivteil zur Bestimmung der Belichtung herangezogen wird. Zudem wird eine interessante Variante der Spotmessung angeboten, die an die Olympus OM-40 erinnert: Wird in der Bildmitte eine deutlich geringere Helligkeit als im Umfeld festgestellt (um 3-4 Blendenstufen), so wird automatisch auf Spotmessung umgeschaltet. Beispiel für eine solche Kontrastverteilung ist die Gegenlichtsituation.
Die Zone größter Empfindlichkeit liegt bei Integralmessung etwas oberhalb der Bildmitte, was bei Motiven mit einem großen Himmelsanteil zu Fehlbelichtungen (Unterbelichtung der Landschaft) führen kann. Bei Spotmessung liegt die Zone, die die Belichtungsmessung am stärksten beeinflußt sehr genau in der Mitte und ist ein Stück kleiner, als auf den Mattscheiben angegeben.
Um die Spotmessung wirkungsvoll einsetzen zu können, ist die Meßwertspeicherung nötig. Nur so kann die Belichtung an einem wichtigen Bildteil gemessen werden, das außerhalb der Bildmitte liegt, wo die Spotmessung stattfindet.. Für die Meßwertspeicherung wird das Verschlußzeitenrad auf das Kreissymbol eingestellt. Auch wenn das Viereck auf dem Rad dem Einstellindex gegenübersteht, kann die Belichtung mit dem engen Spotmeßfeld gemessen werden - allerdings wird jetzt die Verschlußzeit solange an die Helligkeit, Filmempfindlichkeit, und Blende angepaßt, bis der Auslöser ganz durchgedrückt wird und die Belichtung erfolgt. Die Umschaltung zwischen Spotmessung und Integralmessung erfolgt an einem Rad auf dem Automatiksucher, hier wird auch eingestellt, ob die automatische Spot-Umschaltung erfolgen soll oder nicht. An einem zweiten Rad kann ein Korrekturfaktor im Bereich von +3 Blendenstufen gewählt werden.
Die Einstellung eines Korrekturfaktors wird im Sucher nicht angezeigt, ebensowenig wie die vorgewählte Blende, was einer modernen und nicht eben billigen Kamera als Manko angekreidet werden muß. Die Information im Sucher umfaßt die Anzeige der Verschlußzeiten, Warnung vor Über- und Unterbelichtung, Anzeige der Meßart - inbegriffen die automatische Umschaltung von Integral- und Spotmessung durch aufleuchten der beiden Einzelanzeigen.
Magazine: Mit Filmempfindlichkeits-Einstellrad
Die Filmempfindlichkeit, die für die richtige Belichtung eine ebenso wichtige Rolle spielt wie Verschlußzeit und Blende, wird am Magazin eingestellt und elektrisch auf den Belichtungsmesser im AE-Sucher übertragen, eine sehr lobenswerte Einrichtung. Der Filmempfindlichkeitsbereich ist mit einer Spanne von ASA 15 bis ASA 6400 (15 DIN bis 39 DIN) groß genug, um auch mit den höchstempfindlichen Filmen von morgen fertig zu werden. Ebenso lobenswert ist das Fach für den Magazinschieber in der Rückwand des Magazins - die Gefahr, daß der Schieber verloren geht ist damit gebannt. Wie es bei Mittelformatkameras üblich ist, kann das Magazin nicht abgenommen werden, wenn der Schieber den Film nicht vor einfallendem Licht schützt. Um das Magazin abzunehmen und um es zu öffnen müssen Entriegelungsknöpfe betätigt werden, was mit ein bißchen Übung auch mit einer Hand geschehen kann.
Der Motor, der den Film etwa einmal pro Sekunde transportiert ist im Handgriff versteckt, der sehr schnell angesetzt und abgenommen werden kann, wenn die Kamera nicht gerade auf Mehrfachbelichtungen eingestellt ist. Ebenfalls im Handgriff sind die sechs 1,5-Volt-Batterien untergebracht, die den Motor mit Strom versorgen, während die Kamera ihre Energie aus einer (teuren) 6-Volt-Zelle im Kameraboden bezieht.
Der Motorhandgriff macht die Mamiya 645 sehr handlich und für die Arbeit mit einem Prismensucher ist der Auslöser auf dem Griff wesentlich besser geeignet, als der Gehäuseauslöser.
Fazit
Die Mamiya 645 Super macht den von Mamiya gewohnten Eindruck sauberer Verarbeitung das Finishing ist gut. Die Kamera liegt (besonders mit dem Motorhandgriff) gut in der Hand, ein zweiter Auslöser am Gehäuse wäre wünschenswert, wenn mit der Transportkurbel gearbeitet wird. Der Automatiksucher ist dank der Spotmessung unentbehrlich für jeden, der auch unter sehr schwierigen Beleuchtungsverhältnissen zu einem guten Ergebnis kommen möchte, leider fehlt die Anzeige der Blende und die Warnung, wenn ein Korrekturfaktor eingestellt ist. Dank des umfangreichen Objektiv- und Zubehörsystems ist die Mamiya 645 Super eine empfehlenswerte Kamera für alle, die mehr Format möchten, als Kleinbild zu bieten hat, aber keine große Mittelformatkamera möchten, da sie mobil bleiben müssen. Durch die Wechselmagazine (Polaroidansatz!) und die Wechselsucher ist die Mamiya 645 Super auch studiotauglich, was gerade sehr engagierten Hobbyfotografen und Semiprofis gefallen dürfte.
PLUS
Spotmessung
Automatische Umschaltung auf Spotmessung, wenn die Kontrastverteilung es erfordert
Sehr kleiner Motor, der die Handhabung verbessert
Geringer Stromverbrauch Wechselsucher
MINUS
Sucher für Brillenträger schlecht überschaubar
Keine Blendenanzeige im Sucher
Kürzeste Zeit wird nicht eingehalten (1/670 statt 1/1000 Sek.)
Schlitzschraube für Batteriefach
Keine TTL-Blitzmessung
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