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Artikel

1998

Kameras

Minolta 5000

Das kleine Biest

Die neue Minolta 5000 rundet, wie erwartet, die Palette der Minolta Autofokuskameras ab. Im letzten Heb haben wir sie Ihnen kurz vorgestellt, diesmal können wir aus der Praxis mit dieser Kamera berichten.

Vielleicht gehört ein gewisses Alter und etwas Lebenserfahrung dazu, um zu verstehen, wenn ein gestandenes Mannsbild von einem "kleinen Biest" spricht. Da klingt etwas Respekt mit, ein wenig Resignation, etwas Bewunderung, ein Schuß Neid und nicht zuletzt eine scheue, aber deutliche Liebe.
Man rechnet immer damit, von einem kleinen Biest schamlos aufs Kreuz gelegt zu werden, und ist doppelt gerührt, wenn man das Gegenteil erfährt: Freundschaft und Hilfe. So, und nur so möchte ich die neue Minolta 5000 als "kleines Biest" betrachtet wissen; und warum ich diese Kamera so empfinde werde ich Ihnen nun zu erklären versuchen.

Alles ganz einfach

Zunächst einmal stimmt "kleine" im wörtlichen Sinne nicht: die Minolta 5000 ist in Maß und Gewicht nahezu identisch mit der 7000, zumal wenn sie mit dem gleichen Batteriehalter für 4 AAA-Batterien angeboten wird. Das ist etwa so, wie wenn Sie einen Mercedes 500 mit einem 30 l-Tank geliefert bekämen, den 70 l-Zusatztank aber gesondert dazukaufen müßten. Machen Sie es also, wie ich das schon bei der 7000 empfohlen habe: bestellen Sie sofort den größeren Halter für "AA" Batterien, und stecken Sie den kleinen als Reserve in die Tasche.
Aber das ist - meiner Meinung nach - der einzige Geburtsfehler dieser Kamera, der sich obendrein leicht beheben läßt. Sonst schmiegt sie sich, wie das kleine Biester so an sich haben, fast zärtlich in Ihre Hand, und der erste Blick auf ihre Oberseite beruhigt Sie mächtig: keine Zicken, keine Macken und keine winzigen Fingernagel-Druckschalter, mit denen die 7000 alle Nicht-Techniker so erschreckt. Nur rechts ein Display, neben dem Hauptschalter; und wenn Sie nicht aus 1,5 Meter sehen können, ob die Kamera ein- oder ausgeschaltet ist, sollten Sie sofort zum Augenarzt. Das aufgeräumte Display zeigt Ihnen, ob a) ein Film eingelegt ist, b) wieviel Bilder Sie schon verschossen haben, und schließlich c) daß die Minolta 5000 eine reine Programm-Automatik-Kamera ist, mit der man nichts falsch machen kann, weil sie Ihnen jede Denkarbeit - was die Technik betrifft! - abnimmt. Natürlich bleibt es Ihnen ganz überlassen, ob Sie damit Ihren fabrikneuen Sohn in seiner Wiege, das Matterhorn oder ein Krokodil creativ ablichten wollen. Die Programmautomatik macht Ihnen da keinerlei Vorschriften. Sollten Sie aber zu jener Sorte Menschen gehören die sich evtl. auch noch für die Psyche eines kleinen Biestes interessiert, werden Sie überrascht feststellen, daß die Kleine mehr für Sie tut, als Sie dachten: Sie kalkuliert Ihren Zitterfaktor mit ein und hilft Ihnen bei Weitwinkel-Aufnahmen mit möglichst kleiner Blende, bei normaler Brennweite verhält sich auch das Programm normal, und um ein Verwackeln mit langer Brennweite nach Möglichkeit zu verhindern, wählt das Programm jeweils die kürzestmögliche Verschlußzeit.
Wollen Sie aber - vielleicht als Zeichen Ihrer persönlichen Creativität - grundsätzlich lieber verwackelte Aufnahmen, hat das kleine Biest auch dafür Verständnis. Die linke Oberseite, so unscheinbar und beruhigend, hat es buchstäblich in sich: Sie machen den Schieber auf und nun finden Sie tatsächlich drei Knöpfe! Drücken Sie den größten, steht nicht mehr "PROGRAM" im Display, sondern ein schlichtes "M". Das bedeutet, daß sich das kleine Biest nun alles von Ihnen gefallen läßt, was sie "manuell" von ihm haben wollen: jede beliebige Verschlußzeit von "B" über 4 - 1/2000 Sek. bei offener bis geschlossener Blende (je nach Objektiv!), und obendrein zeigt Ihnen ein Signal im Sucher noch an, wann Sie mit Ihrer Privatkombination korrekt belichten würden. Verschlußzeiten und Blende werden, wie etwa bei der 7000, mit kleinen Tasten hinter dem Auslöser, bzw. neben dem Objektiv gesteuert. Und weil wir gerade vom Steuern sprechen: eine weitere Taste auf der Rückseite, genau da, wo Ihr rechter Daumen liegt, macht es Ihnen möglich, einen Kaminkehrer auf Gletschereis richtig zu belichten. BLC auf dieser Taste steht für Back Light Correction also Gegenlichtkorrektur.
Die beiden weiteren, normalerweise unter dem Schieber verborgen Tasten, aktivieren den Selbstauslöser und lassen Sie die ISO-Zahl nach Belieben und Film einstellen, DX-Filme stellt die Kamera selber ein. So haben Sie, falls Bedarf vorhanden, damit zugleich die Möglichkeit willkürlicher Unter- oder Überbelichtung. Und wenn Sie den Schieber schließen, verhindert diese liebenswerte Kamera jeden groben Fehler, indem Sie automatisch wieder auf "PROGRAM" schaltet.

Alles wie Sie es möchten

Selbstverständlich passen alle neuen AF-Objektive auch an die 5000; selbstverständlich läßt sich auch bei ihr die "AF"-Funktion abstellen, und selbstverständlich meldet auch bei ihr links unter dem Sucher der grüne Leuchtpunkt, daß Sie nun die volle Schärfe auch per Hand gefunden haben. Und selbstverständlich zieht sich das kleine Biest den Film selber ein, und Sie haben beim Auslösen die Wahl: Finger wegnehmen ist Einzelbild, Finger drauflassen gibt Serie mit drei Bilder in zwei Sekunden.
Daß diese Kamera den Film an seinem Ende automatisch zurückspult ist selbstverständlich.

Alles ganz in Ordnung

Natürlich weiß ich die Qualitäten einer Partnerin für's Leben und alle Situationen zu schätzen und bin froh, wenn ich dort gelegentlich auch Spotmessung, Abblendschalter und Ähnliches vorfinde: ich bleibe ihr auch treu. Aber in dieses kleine Biest hab' ich mich noch mal so richtig verliebt, und auf einem Fotourlaub hat es alle meine Wünsche erfüllt, von denen man als gestandener Fotograf sonst nur träumt: einmal ganz unbelastet zu sein; einmal nicht an Folgen denken zu müssen; einmal nur zum Vergnügen das tun können, was sonst immer gleich zu Pflicht und Verantwortung ausartet. Ich habe mich, wie gesagt, in diese kleine Biest verliebt, und es mag mich auch, was es besonders beim unbeschwerten Kneipenblitzen mit dem winzigen 1800 AF bewiesen hat, das nicht nur nach drei Flaschen Südtiroler Weißburgunder noch genau wußte, worauf es mir ankam, sondern das mir auch - in Verbindung mit der 5000 natürlich! - keine Gegenlicht-Aufhellung verdarb.
Obwohl ich drei Objektive mitgenommen hatte, blieben zwei eine stille Reserve: alle Aufnahmen habe ich mit dem neuen, großartigen Zoom 75-300 mm gemacht, das bis in den Nahbereich einstellbar ist.
Sollten auch Sie Ihre Liebe zu diesem kleinen Biest von Minolta entdecken und sich womöglich damit so wohl fühlen, daß Sie gern auf alle Belastungen anderer Art verzichten, empfehle ich Ihnen trotzdem folgende Objektiv-Reihe: das AF 24 mm, das Makro 50 mm, und eben dieses Zoom 75-300 mm.
PS. Alle Leserinnen bitte ich für meine sehr männliche Ausführung um Entschuldigung und Verständnis, aber dieses kleine Biest namens Minolta 5000 ist wirklich ein Lustobjekt!

PLUS

Die Kamera ist sehr handlich und übersichtlich gegliedert. 

Das Angebot an Autofokus-Objektiven läßt für den Hobbybereich kaum Wünsche offen.

Fehler durch falsche Bedienung sind so gut wie ausgeschlossen.

MINUS

Für manche Aufnahmesituationen fehlt die Möglichkeit, das Meßfeld einzugrenzen (Spot- oder Selektivmessung).

Die Steuertasten für die manuelle Einstellung von Zeit und Blende sind etwas klein geraten.

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