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Artikel

1998

Kameras

Canon T90

Ein Tag mit der Canolani V-1

Die Canon T90 ist Ihnen sicher keine Unbekannte mehr. Aber an dieser faszinierenden Kamera gibt es genug Details, die einen Fotografen über lange Zeit in ihren Bann schlagen können.

Es wurde hier und da erwähnt jedoch nicht deutlich genug betont, daß die neue Canon T90 aus der Zusammenarbeit zwischen Canon und Luigi Colani dem Designer von Weltgeltung entstanden ist. Gemäß der Colani-Philosophie muß alles nicht nur gut aussehen, sondern auch gut zu "handhaben" sein die Zahnbürste ebenso wie der Düsenjet. Und so entstand diese "Colani"-Version 1, der bestimmt noch weitere Modelle nach dem gleichen Grundprinzip folgen werden: handgerecht in der Form und handgerecht zu bedienen. Hat sie aber auch fototechnisch die Qualität, die ihr Äußeres verspricht?

Was die T90 nicht kann

Es wurde bereits ausführlich über diese Kamera berichtet, z. B. in COLOR FOTO 3/86 über 9 Seiten; in COLOR FOTO 4/86 gab es einen Vergleich mit der Minolta 9000. Ich habe mir lange überlegt, ob ich Ihnen nicht besser sagen soll, was diese T90 nicht kann: sie hat keinen Autofokus; sie hat kein Wechselmagazin für den Film, sie hat kein auswechselbares Suchersystem; man kann den Spiegel nicht vor der Aufnahme auslösen, und sie ist nicht verstell- und verschwenkbar, wie eine Studiokamera. Sonst kann sie alles, was man als hochengagierter Fotograf irgendwann, beziehungsweise was man als schlichter Hobbyfotograf ständig haben sollte und was irgendwo bereits besprochen oder erwähnt wurde. Natürlich gehört dazu auch das Belichtungsmeßsystem und die Möglichkeiten, die das Blitzgerät Speedlite 300 TL zu bieten hat, denn ob Blenden-, Programm- oder Zeitautomatik, ob zwei oder fünf Bilder pro Sekunde: viel wichtiger ist doch eine steuerbare bzw. korrekte Belichtung in allen Situationen. Und hauptsächlich darüber möchte ich Ihnen heute berichten.

Die Spotmessung

Natürlich wurde schon großartig fotografiert, als es das Wort "Spotmessung" noch gar nicht gab. Der gute Fotograf wußte aber schon damals, daß er sich nicht unter allen Umständen auf eine schlichte Messung des Lichtes verlassen kann, sondern gab etwas hinzu oder hielt Blende oder Verschlußzeit etwas knapper, je nach Motiv und... nach seiner Erfahrung geschätzt! Ich habe nichts dagegen, wenn jemand noch heute so verfährt, aber wenn schätzen gut ist, ist messen noch besser. Mit der T90 haben Sie, je nach Motiv und Ihrem fotografischen Können, blitzschnell drei Möglichkeiten zur Verfügung: normal " mittenbetont integral ", was vielen Fotografen in 80% aller Aufnahmen genügt, oder Sie messen "selektiv", also etwa 13% der Bildfläche in der Mitte, was bei Motiven mit höherem Kontrast zwischen hellen und dunklen Bildstellen zwar eine Entscheidung verlangt, dafür aber auch korrekte Ergebnisse liefert; und schließlich steht Ihnen auch noch die "Spotmessung", die Methode des Könners, Zur Verfügung, mit der man zur Messung nur 2,7% des Bildfeldes, also einen Punkt anvisiert, der für das Bild besonders wichtig ist. Das bringt dem "Knipser", der nicht denken will, einigen Verdruß und vermurkste Aufnahmen, wenn er zufällig den falschen Punkt anmißt. Zudem ist es mit der T90 möglich, vom gleichen Motiv mehrere Punkte "Spot" anzumessen - bis zu 8! - um einen bildkorrekten Wert präzise zu ermitteln, wobei 8 Messungen ein reiner Werbegag sind, denn dann können Sie gleich normal "mittenbetont integral" messen. Was aber wären alle diese Möglichkeiten wert, wenn der Fotograf sie nur kompliziert oder umständlich einstellen könnte und jedesmal erst die Anleitung studieren müßte, wie das gemacht wird. Diese "Canolani" ist zwar technisch unglaublich vielfältig und sogar raffiniert, aber leicht zu durchschauen und logisch aufgebaut. Allerdings erwartet sie von Ihnen, daß Sie ein paar Worte Englisch verstehen. Vermutlich stehen Sie aber nicht jedesmal vor einem Rätsel, wenn Sie einmal begriffen haben, daß "metering" zu deutsch "messen" heißt. Sie drücken also auf den Knopf "Metering", und schon ist das ganze Display von aller Verwirrung frei, und nur ein kleines Rechteck bleibt. Würden Sie so ablösen, hätten Sie Ihr Motiv ganzflächig, bzw. normal "mittenbetont integral" angemessen. Drehen Sie nun - bei weiter gedrücktem "Metering"-Knopf am Einstellrad hinter dem Auslöser, erscheint in dem kleinen Rechteck entweder ein noch kleinerer Kreis oder ein schwarzer Punkt. Sie erraten, was das bedeutet: mit dem Kreis messen Sie die 13% "selektiv", und mit dem Punkt die 2,7% "Spot". Meinen Sie nun wirklich, das sei Ihnen zu kompliziert, während Ihre Frau spielend mit den 12 Programmen ihrer Waschmaschine fertig wird?
Aber vielleicht bringt Sie der zweite Knopf daneben aus der Fassung, an dem "Mode" steht, was soviel wie "Modus" oder "Art" bedeutet und womit man die Betriebsart der Kamera steuert, wenn man ihn drückt und dabei wieder an dem kleinen Einstellrad dreht. Da erscheint dann auf der Mattscheibe - Verzeihung, dem " Display" - das Wort "Program", ganz allein und nichts sonst. Nun kann jedes kleine Kind mit der T90 fotografieren, weil die Kamera selber die optimale Kombination aus Verschlußzeit und Blende wählt. Aber Sie selber können so auch tausend Filme in aller Welt belichten, man wird Sie und Ihre Bilder bewundern: Sie, weil Sie mit einer so komplizierten Kamera umgehen können, und Ihre Aufnahmen, weil keine falsch belichtet ist. Was nicht heißt, daß jede optimal belichtet ist, aber wer merkt das schon? Sie selber? Dann drehen Sie am Einstellrad weiter und Sie können frei wählen zwischen: "P" - was genausoviel ist, wie "Program", nur lassen sich damit die von der Kamera gewählten Programme "shiften" d. h. verschieben, und zwar 3x nach "Tele" (kurze Zeit und offene Blende!) oder 3x nach "Wide" - Weitwinkel, also möglichst kleine Blende bei einer Belichtungszeit, die entsprechend länger ist, aber so erzielen Sie große Schärfentiefe. Insgesamt 7 Programme haben Sie in dieser "P"-Stellung zur Verfügung. (Bleiben Sie die ersten drei Filme ruhig auf "Program", damit Sie sicher Erfolg haben und niemand lächelt!)
Dann drehen Sie, bei gedrücktem "Mode"-Knopf, nach "Tv" weiter, womit Sie die Belichtungszeit wählen und die Blende sich automatisch danach richtet, oder sie drehen nach "Av" weiter, womit Sie die gewünschte Blende wählen, wonach sich dann die Verschlußzeit richtet. Ich verstehe nun gut, daß die Menschen, die nicht bis 36 zählen können, mit der " Canolani" enorme Schwierigkeiten haben werden.

Zwischenbemerkung

An dieser Stelle scheint mir ein Hinweis nötig zu sein. Um manchen Lesern die Mühe des Briefschreibens und die Kosten für die Briefmarke zu ersparen, die häufig meinen, ich hätte etwas übersehen, was ich jedoch nur nicht besonders erwähnt habe möchte ich folgendes feststellen: A) die Canon T90 ist eine reine Rechtshänder-Kamera. So konsequent rechtshändig wie die Herren Canon und Colani hat bisher noch kaum ein Kamerahersteller gedacht und konstruiert. Echte Linkshänder - die ja in dieser Hinsicht einiges gewöhnt sind! - sollten beim Fotohändler genau ausprobieren, ob sie mit dieser Kamera zurecht kommen.
B) Stellt man die "Canolani" einfach hin, fällt sie schon mit dem Standardobjektiv auf dasselbe. Im ersten Augenblick empfand ich das als Mangel: stehen sollte eine Kamera schon können. Aber dann überlegte ich mir, daß andere Kameras ja auch höchstens mit dem Standardobjektiv noch frei stehen können, mit einem Zoom 35-70 mm geht das auch nicht mehr: also wo ist die Grenze? Ich habe mich entschlossen, diese Tatsache nicht als Nachteil zu werten.
C) Es gibt an der "Canolani" keinen normalen Synchro-Kabelkontakt für fremde - und oft schon vorhandene Blitzgeräte. Grundsätzlich gehen die Kamerahersteller dazu über, aus Kamera und Blitzgerät eine ganz speziell und bestens aufeinander abgestimmte Einheit zu machen, um Belichtungsfehler und Kabelsalat zu vermeiden. Sie können, als Besitzer einer T90 und eines "Fremdblitzgerätes" trotzdem beruhigt sein: mit dem - beim Fotohandel erhältlichen! - Adapter können Sie mit jedem Gerät an der Leine blitzen, allerdings dann natürlich ohne Steuerung durch die Kamera. Und damit bin ich beim nächsten Hauptthema, was die praktische Arbeit mit dieser Kamera betrifft:

Blitzen mit der T90 und dem Speedlite 300 TL

Kümmern Sie sich zunächst einmal bei Ihren ersten Filmen um gar nichts, am wenigsten um die gute und ausführliche Bedienungsanleitung zum 300 TL: stellen Sie - wie die Kamera! auch den 300 TL einfach auf "P" und den Reflektor auf die Brennweite des Objektivs. Sie können sich dann voll Ihrer Party widmen und trinken soviel Sie wollen; solange Sie den Auslöser noch finden und das Motiv durch den Sucher erkennen, sind Ihre Aufnahmen 0. K., und man wird Sie für einen Superfotografen halten.
Dringen Sie erst so nach und nach in die Geheimnisse dieser technisch unerhört raffinierten Symbiose zwischen der T90 und ihrem Speedlite 300 TL ein! Sie werden dann ganz von selber anfangen, Experimente zu machen, um dabei festzustellen, daß es fast keine Probleme gibt, irgend ein Motiv so auszuleuchten, daß es höchsten Ansprüchen gerecht wird.
Bei dieser Gelegenheit entdecken Sie auch, daß neben dem Sucherbild in der Kamera noch eine zweite Skala vorhanden ist, auf der Sie nicht nur die Daten für die normale Spotmessung, sondern auch für Möglichkeiten des 300 TL angezeigt finden. In der Praxis stellt es sich dann heraus, daß Sie entweder so blitzen können, wie das jede Pocket auch kann knall von vorne drauf, nicht schön, aber sicher. Sie können aber auch Ihre Frau (Tochter, Freundin usw.) im Vordergrund allein richtig anblitzen, selbst wenn sie nicht in der Bildmitte steht, während der übrige Raum dunkel bleibt.
Oder Sie können beides haben: Person und Raum korrekt ausgeleuchtet und schließlich können Sie... Es hilft Ihnen gar nichts wenn ich weiter aufzähle, was alles mit dieser Kombination zwischen Kamera und Blitzgerät möglich ist. Sie müssen das selber ausprobieren; einen kleinen Hinweis geben allerdings meine Aufnahmen, wobei ich ganz besonders darauf hinweisen machte, wie völlig problemlos es ist, mit dem Blitz ein Motiv im Gegenlicht aufzuhellen.
Gerade mit diesem "Aufhellblitz" ist das so eine Sache: den Besitzern " normaler" Blitzgeräte ist das ein Buch mit immer noch mindestens vier Siegeln: Blende größer? oder kleiner? ISO-Zahl höher? Oder runter? Und wenn das Foto dann "gelungen" ist, ist auch meistens die ganze Gegenlicht-Stimmung und alles Natürliche aus dem Bild verschwunden: da steht halt einfach eine total überblitzte Gestalt vor einer völlig unnatürlichen Kulisse. Die T90 und das Speedlite 300 TL machen das selber ganz richtig! Allerdings wäre es ganz gut, wenn Sie sich im Laufe der Zeit die Funktionen der vier Knöpfe "A/ TTL", "FEL", "M/Hi" und "M/Lo" auf der Rückseite des 300 TL merken könnten. Aber ich nehme an, daß Ihnen auch die Namen und Ressorts von vier Bundesministern auf Anhieb einfallen, obwohl Sie als Fotograf mit diesem Wissen sicher keine besseren Bilder machen können.
Trotzdem möchte ich bei normalen Hobbyfotografen einige Verwirrung anrichten und zugleich einige Theoretiker tief befriedigen: mit den Tabellen über die wichtigsten Funktionen von der Canon T90 und des Speedlite 300 TL.
Und falls Sie jetzt immer noch Schwierigkeiten haben sollten, bleibt Ihnen als letzte Rettung mein Telefon.

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