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Normtest

Rolleiflex SL 35E

Zuverlässige Technik aus Singapur

Bis auf die etwas anders geformte Abdeckung des Prismas und einen Memo-Halter an der Rückwand unterscheidet sich die neue Rolleiflex SL 35 E auf den ersten Blick Oberhaupt nicht von ihrem Schwestermodell, der Voigtländer VSL 3-E (NORMTEST in COLOR FOTO 9/78). Wir erwarteten deshalb auch annähernd identische Meßwerte für diese Kamera.
Die Rolleiflex SL 35 E ist (wie die Voigtländer VSL 3-E) ein Zeitautomat bei Blendenvorwahl. Der Metallschlitzverschluß ist über eine hochintegrierte Elektronikschaltung gesteuert, die Anzeige der Belichtungszeit erfolgt über eine Reihe Leuchtdioden im Sucher. Die Automatik ist abschaltbar, manuelle Belichtung ist in halben Zeitstufen möglich. Zeitspeicherung (Memory-Einrichtung) und Abblendtaste sind eine angenehme Selbstverständlichkeit. Die Kamera liegt gut in der Hand, wenngleich die beiden Knöpfe für Arbeitsblende und Objektiventriegelung durch die scharfen Kanten etwas drucken. Direkt in die Hand gebaut ist sie aber mit dem Motorwinder, der mit seinem nach oben gezogenen Handgriff eine organische, kompakte Einheit bildet. Kamera und Objektive werden in Singapur gefertigt, die Konstruktion kommt aus dem Stammhaus in Braunschweig, von wo aus die Fertigung auch laufend streng kontrolliert wird.

Fertigung in Singapur - Konstruktion aus Braunschweig

Objektive: Verwendet werden die Objektive der Rollei/Voigtländer "QBM"-Serie (quick-bajonetmount). Zur Zeit stehen zehn Objektive von 14 mm bis 200 mm zur Verfügung. Als Standardobjektiv werden wahlweise das Planar 1,8/50 mm oder das lichtstärkere Planar 1,4/50 mm angeboten. Wie der Markenname Planar schon aussagt, handelt es sich um Konstruktionen von Zeiss, die bei Rollei in Lizenz gefertigt werden. Ältere Rollei-Objektive und Fremdobjektive mit dem Gewindeanschluß M42 können über einen Adapter verwendet werden. Allerdings nur in Verbindung mit der Arbeitsblenden-Meßmethode, da diese Objektive nicht über einen eigenen Blendensimulator verfügen.

Belichtungsmessung: Integral mit starker Mittenbetonung, schnell ansprechende Silizium-Fotodiode. Die Zone der höchsten Empfindlichkeit liegt genau in der Suchermitte. Der Mikroprismenring kann also als Hilfsmittel für gezielte Messungen verwendet werden. Die Empfindlichkeit ist sehr sauber nach oben eingeengt, was Fehlmessungen durch helles Himmelslicht (natürlich nur im Querformat) vermeiden hilft. Mit den Originalobjektiven (QBM) ist Offenblenden-Messung und Arbeitsblenden-Messung möglich, mit älteren Bajonett-Objektiven und M42-0bjektiven nur Arbeitsblenden-Messung., Der Belichtungsmesser ist ausgelegt für Filmempfindlichkeiten von 15 bis 39 DIN bzw. ASA 25 bis ASA 6400 und erfaßt somit alle handelsüblichen Aufnahmematerialien. Der Meßbereich umfaßt mit Film 21 DIN (ASA 100) und Objektiv 1,4/50 mm EV 1 bis 18, entsprechend 0,5 bis 32.000 cd/m2 oder 0,8 bis 100.000 asb. Die Einstellskala für die Filmempfindlichkeit ist um je 1 DIN steigend, es sind also Einstellungen in 1/3 Blendenstufen möglich.

Ebenfalls einstellbar: Gezielte Belichtungskorrekturen

Das Einstellrad für die Filmempfindlichkeit ist mit einer Skala für absichtliche Belichtungskorrektur kombiniert. Allerdings funktioniert das nicht in den Anfangs- und Endbereichen: bei 15 DIN ist eine Pluskorrektur nicht möglich, was als negativ bewertet werden muß. Die fehlende Möglichkeit der Minuskorrektur bei 39 DIN dagegen ist in der Praxis weniger von Wichtigkeit. Wie bereits bei der Voigtländer VSL-3-E bemängelt, ist dieses Einstellrad sehr dürftig konstruiert und läßt die sonst so elegant aussehende Kamera etwas "billiger" erscheinen. Das Rad ist gegen unabsichtliche Verstellung gesichert, die Plus/Minuskorrektur ist wenig übersichtlich und wird im Sucher nicht angezeigt.
Durch einen leichten Druck auf den Auslöseknopf werden Belichtunsmeß- und Verschlußsteuerungs-Elektronik aktiviert. Ist die Kamera auf Automatikbetrieb eingestellt, leuchtet im Sucher neben der von der Kamera gefundenen richtigen Verschlußzeit eine rote Leuchtdiode auf, bei Zwischenwerten leuchten zwei Dioden. Wird die Auslösetaste ein wenig weiter eingedrückt, so speichert die Rolleiflex SL 35 E den vorher ermittelten Wert. Der Weg des Auslösers bis zur Stellung "Elektronik eingeschaltet" beträgt ca. 0,5 mm, bis zur Speicherstellung "Memory" etwa 1 mm, wobei ein definierbarer Druckpunkt zwischen diesen beiden Stellungen nicht ertastbar ist. Bei Fehlbelichtungsgefahr, also bei Ober- oder Unterbelichtung, leuchten alle 16 Dioden im Sucher gleichzeitig. Ist die Verschlußsteuerung bei 1/000 sec angekommen und die Blende kann noch geschlossen werden, wird mit dem Signal "plus" angezeigt, daß die Blende auf einen kleineren Wert geschlossen werden muß. Oberhaupt ist dieses Anzeige-Display eine recht gut gelungene Konstruktion. Bei abgeschalteter Automatik arbeitet der Belichtungsmesser weiter und zeigt die theoretisch richtige Belichtungszeit durch eine blinkende Diode an, während die manuell eingestellte Zeit durch eine dauernd leuchtende Diode angezeigt wird. Nachgestellt wird entweder über den Blendenring, oder bei etwas Geschick in der Handhabung der Kamera - über das Zeitenrad mit gleichzeitigem Druck des Fingers auf die Zeitenrad-Sperrtaste. Bei Manuellbetrieb rastet das Verschlußzeitenrad nicht ein. Zur präzisen Kontrolle der eingestellten Zeit ist es sinnvoll, die Anzeige im Sucher abzulesen. Das Verschlußzeitenrad rastet in den Stellungen "Automatik", "X-Zeit" und "B" ein. In entrostetem Zustand kann es in beliebiger Richtung ohne einen Endanschlag gedreht werden. Sowohl elektronisch, als auch manuell bildet die Kamera Zwischenzeiten im Abstand einer halben Blendenstufe. Dies wird im Sucher durch Aufleuchten von zwei benachbarten Dioden signalisiert. Beispiel: Anzeige im Sucher 30 + 60 = 1/45 sec. Eine Zeit/Multiplex-Steuerung für die Anzeigendioden hilft kostbaren Batteriestrom sparen,

Zeitenbereich des Verschlusses zwischen 1/1000 sec und 16 sec

Verschluß: Metall-Schwinglamellen-Verschluß mit vertikalem Ablauf von oben nach unten. Elektronisch gebildete Zeiten von 1/1000 sec bis 16 sec, mechanisch definierte Zeit X = 1/125 sec, auch ohne eingelegte oder leere Batterie. Verschlußlaufzeit für elektronisch gebildete Zeiten 6,65 msec, für die mechanische Zeit 6,76 msec. Verschlußoffenzeit bei 1/125 sec = 1,0 msec, bei 1/60 sec = 8,7 msec, bei X 1,7 msec. X-Kontakt-Vorzündung 0,1 msec. Vorhanggeschwindigkeit 3,58 m/sec. Verschlußoffenzeit abzüglich Kontaktverzögerung: bei 1/12,1 sec = 1,1 msec, bei X = 1, 8 msec, bei 1/60 sec = 8,8 msec. Für Blitzgeräte mit hoher Leitzahl empfiehlt es sich, statt der X-Zeit die 1/60 sec einzustellen.

Sucher: Fest eingebauter, für Brillenträger auch gut überschaubarer Prismensucher. Einstellscheibe mit Mikroprismenfleck und schrägem Schnittbildentfernungsmesser (Zylinderlinse). Leuchtdiodenanzeige der Verschlußzeit, Einspiegelung der Blende (bei Originalobjektiven). Das Okular ist bei Fehlsichtigkeit vom Service bis zu einer Korrektur von ± 4 dpt. austauschbar. Das Sucherfenster hat die Abmessungen 21,4 x 33,4 mm und zeigt somit 84,4% des Filmformates bzw. 89,1% des Diaformates. Größe des Filmfensters 23,8 x 35,7 mm. Augenmuschel als Okularverschluß verschiebbar, in der Grundstellung zugleich Rückwandsicherung.

Wichtig: Das Okular kann geschlossen werden

Der Auslöser: Relativ hoher Auslösedruck mit 5,6 N. Er ist großflächig in der Mitte des Zeitenrades angeordnet und dient zugleich als Hauptschalter. Auslöseweg ca. 2,5 mm, wobei bei der Betätigung nacheinander die Positionen "Hauptschalter ein", "Belichtungsmessung", "Memory" und "Auslösung" durchlaufen werden. Getrennter Drahtauslöseranschluß, Auslöser-Verriegelung. Hebel für Mehrfachbelichtung.

Elektronisch gesteuerter Selbstauslöser mit einer Laufzeit von ca. 10 sec. Auslösung über die Kombitaste. Der Ablauf wird durch eine rote Leuchtdiode an der Kameravorderseite signalisiert. Keine selbsttätige Rückstellung. Bei vorzeitiger Rückstellung löst die Kamera mit der mechanischen Zeit X = 1/125 sec aus. 

Blitzsynchronisation: X-Synchronisation über den Mittenkontakt oder den seitlich angebrachten Kabelkontakt. Bei Kabelanschluß bleibt der Mittenkontakt spannungsfrei und ist somit berührungssicher. Für Elektronenblitzgeräte können alle Zeiten von 1/125 sec bis 16 sec verwendet werden, wegen der längeren Verschlußoffenzeit empfiehlt sich bei leistungsstarken Blitzgeräten 1/60 sec oder länger. Für Blitzlampen oder -würfel sind Zeiten zwischen 1/30 sec und 16 sec zu wählen.

Energieversorgung und Stromverbrauch: Es wird eine Silberoxidbatterie vom Typ Mallory PX-28 o. ä. (6 Volt) verwendet. Die Kamera arbeitet einwandfrei bis zu einer Mindestspannung von 4,3 Volt. Das entspricht auch der (praktischen) Betteriekontroll-Anzeige.

Stromverbrauch für die Belichtungsmessung bei Automatikbetrieb 21 mA, bei Manuellbetrieb 20 mA. Verschlußbetätigung manuell 25 mA, automatisch 27 mA. Selbstauslöser 51 mA, Batterietest 64 mA. Weitere

Ausstattungsdetails: Vorwärts und rückwärts zählendes Bildzählwerk, das nur bei eingelegtem und transportiertem Film arbeitet. Damit ist eine absolute Transport-Garantie gegeben. Das Zählwerk kann auch zur Kontrolle der Filmrückspulung verwendet werden. Günstig plaziert ist die Abblendtaste, die selbstarretierend ist: erster Druck = Blende schließt sich, zweiter Druck = Blende öffnet sich wieder. Rückwand abnehmbar, Datenrückwand in Vorbereitung. An der Bodenplatte sind die Anschlüsse für den Winder sichtbar. Die Motorkupplung ist bei Nichtgebrauch mit einem Deckel staubsicher verschlossen. Der Deckel ist mit dem Batteriefach-Deckel identisch konstruiert, kann also ohne Schaden verwechselt werden. Der Rückspulhebel ist an der Kamerarückseite rechts vom Suchereinblick angeordnet und dient zugleich als Mehrfachbelichtungshebel. Er stellt sich selbsttätig zurück.
Obwohl die Möglichkeit der Mehrfachbelichtung als zusätzliches Ausstattungsdetail bei der SL 35 E angegeben wird, ist dies auch bei der Voigtländer VSL-3-E möglich. In der Stellung "R" des Rückspulhebels wird bei beiden Kameras das Transportsystem entkoppelt und es sind Mehrfachbelichtungen möglich!
Die Möglichkeit, Mehrfachbelichtungen durchzufahren ist erfreulich: Denn viele Fotografen schätzen diese Aufnahmetechnik.

Für kreative Fotografie. Mehrfachbelichtungen!

Abmessungen und Gewicht: Das Gehäuse allein hat die Abmessungen von 135 x 86 49 mm und wiegt 540 Gramm. Komplett mit Objektiv 1,8/55 mm sind es 135 x 86 x 99 mm bei einem Gewicht von 760 Gramm. 

Abschließende Bemerkungen: Trotz der eingangs erwähnten weitgehenden Baugleichheit mit der Voigtländer VSL-3-E weist die Rolleiflex SL 35 E bessere Meßwerte auf. Die Belichtungsmessung ist genauer, der Verschluß ist exakter im Ablauf und streut weniger. Der Memohalter und der Mehrfachbelichtungshebel sind zusätzliche Details. Im Gegensatz zur VSL-3-E, deren Oberteil aus metallbedampftem Kunststoff besteht, ist die Rolleiflex vollständig aus Metall gefertigt. Der Gesamteindruck ist gut, die Kamera verdient es, den traditionsreichen Namen "Rolleiflex" zu tragen. Die Markteinführung der SL 35 E erfolgt in diesen Wochen. Der Preis stand bei Beendigung des Tests noch nicht fest, er dürfte aber bei ca. 800 DM liegen.

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