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Normtest

Praktica EE-2

Unkompliziert und preiswert, jedoch nicht perfekt

Ende Juni 1977, also vor genau zwei Jahren, wurden einem kleinen Kreis von westdeutschen Fachjournalisten in Dresden voller Stolz die ersten serienreifen Typen einer Praktica-Zeitautomatik-Spiegelreflex vorgeführt. Man war sehr stolz bei VEB Pentacon, jetzt endlich auch eine Reflexkamera mit automatischer Belichtungsregelung im Programm zu führen. Noch dazu, weil man ja gerade für die Erfindung der Zeitautomatik hauseigene Patente besitzt und bisher selbst nicht nutzte. Allerdings muß gesagt werden, daß aus Japan laufend Lizenzgebühren das Devisenkonto füllten. Mit Patentanmeldungen war man in Dresden ja schon seit jeher recht klever: viele Dinge, die in der Schweiz oder anderswo erfunden wurden, meldeten die Dresdner zum Patent an und ließen sich dann von japanischen Herstellern Lizenzen abkaufen. Die Kaufleute des VEB Kombinat Pentacon waren also schneller als die Konstrukteure. Doch dafür fanden diese bei der EE-2 eine Konstruktionslösung, die recht interessant ist und aufwendige Offenblenden-Simulatoren und exakte Anschlagwinkel für das Objektiv unnötig werden ließen.
Gemeint ist die Verlagerung des Blenden-Potentiometers aus dem Kameragehäuse in das Objektiv.

Nur bei der Praktica: Elektrische Blendenwert-Übertragung

Objektive: Mit Blendenelektrik sind neben dem serienmäßigen Standardobjektiv Pentacon electric MC 1,8/50 mm folgende Objektive im Programm: 2,8/24 mm, 2,8/29 mm, 2,4/35 mm, 2,8/135 mm, 3,5/135 mm, S 2,8/180 mm (über EE-Adapter), 4/300 mm. Außerdem wird ein Konverter 2x mit EE-Kupplung und ein Schiebezoom 4,5/70-230 mm Makro angeboten. Ausgenommen das 24er und das Zoom sind alle Objektive Erzeugnisse aus Jena oder Görlitz. Die beiden Ausnahmen kommen aus Japan.
Alle genannten Objektive arbeiten in Automatikstellung mit Offenblendenmessung. Übliche Objektive mit dem internationalen Praktika/Pentax-Gewindeanschluß M42 x 1 mm können bei Automatikbetrieb mit Arbeitsblenden-Messung Verwendung finden. Die Kontaktbahnen am Kameragehäuse sind so konstruiert, daß auch bei mehr oder weniger streng angezogenem Gewinde eine sichere Befehlsübertragung sichergestellt ist. Man vermeidet damit Sicherungsstifte oder Sperrbolzen wie das früher bei Mamiya war und heute bei Fuji noch üblich ist. Das heißt andererseits aber auch, daß die riesige Palette der sogenannten" Fremdobjektive" in der Version "M42" zwar verwendet werden kann, aber eben nur bei der etwas veralteten Anwendungsart der Arbeitsblendenmessung mit - je nach eingestellter Blende - mehr oder weniger abgedunkeltem Sucherbild. Fremdobjektive mit EE-Anschluß gibt es nicht und wird es wohl auch nie geben. Vielleicht sollte man bei Pentacon Überlegungen anstellen, das durch keine Patente oder sonstige Sperren abgesicherte K-Bajonett einzuführen, das den Anschluß an die internationale Szene sofort herbeiführen würde. Zumindest für die Exportversion vielleicht? Erwähnenswert ist die kürzeste Einstellentfernung des Standard-Objektives mit 33 cm, das den Nahbereich erfreulich erweitert, aber natürlich kein Ersatz für ein Makro-Objektiv sein kann.

Überbelichtung bei mittleren Blendenwerten

Belichtungsmessung: Sehr starke Mittenbetonung mit leichter Tendenz in die unteren Bildpartien (bei Querformat). Man kann schon nicht mehr von einer mittenbetonten Integralmessung sprechen, sondern eher von einer gemäßigten Spotmessung. Ganz ideal für den, der einzelne Bildpartien gezielt anmessen will, aber etwas weniger geeignet für den unbedarften Amateur, der einfach gut belichtete Bilder fordert. Fast ein Profi-Meßsystem also in einer für den Amateur ausgelegten Kamera. Eine Wertung kann hier weder positiv noch negativ ausfallen, der Anwender sollte die Vorteile genauer Spotmessung kennenlernen und bei der praktischen Arbeit berücksichtigen. Unterstützt wird das Meßsystem durch die Möglichkeit gezielter Unter- oder Überbelichtung, die jedem, der damit umzugehen versteht, absolut exakt dosierte Belichtungsbeeinflussungen ermöglicht. Bei üblichem Automatikbetrieb und Offenblendenmessung zeigte sich eine deutliche Überbelichtung gegenüber der recht exakten Arbeitsblendenmessung. Das erste Modell brachte Abweichungen von ca. 1/2 Blendenstufe im Bereich der Blenden 2,8 bis 8 und zeigte erst bei Blende 16 wieder Übereinstimmung mit den Werten bei Arbeitsblende. Das zweite Prüfmuster zeigte diese Abweichung nur bei den Blenden 2,8 bis 5,6 und glich sich dann an die Arbeitsblendenwerte an.
Genau an diesem Punkt wird die schwache Stelle der Kamera klar: die Fehlerquelle der falschen Belichtung ist in der Umsetzung des Drehwinkels des Blendenringes auf einen elektrischen Wert mittels eines logarithmischen Potentiometers zu finden. Diese Potentiometer haben im allgemeinen weit größere Toleranzen als lineare Potentiometer. Wie eingangs erwähnt, ist dieses Potentiometer in Kameras mit Offenblendenmessung üblicherweise im Kameragehäuse eingebaut, beim M-42 Gewindeanschluß der EE-2 müßte der Gewindeanschluß aber so exakt fixiert sein wie bei einem Bajonett, wenn eine mechanische Übertragung der Blendenstellung erfolgen sollte. Deshalb hier der einfachere Weg der elektrischen Blendenwert-Übertragung. Bei der Arbeitsblendenmessung (Umschalthebel am Gehäuse, der bei versehentlicher Betätigung mit EE-Objektiv in Stellung "A" zu völlig falschen Meßwerten führt) ergibt sich eine sehr genaue Zeitensteuerung mit Schwankungen, die kleiner als ±0,1 EV sind, beim zweiten Exemplar sogar kleiner als ±0,05 EV! Erfolgt eine Auslösung der Kamera in Automatikeinstellung des Verschlusses und abgeblendetem EE-Objektiv (Schalter auf "M" zur Schärfentiefenkontrolle) erfolgt ebenfalls eine Fehlbelichtung. Warnanzeigen im Sucher gibt es für diese beiden möglichen Bedienungsfehler im Sucher nicht und auch die Bedienungsanleitung berücksichtigt dies zu wenig. Es wäre verbraucherfreundlicher gewesen, statt der Anzeigenmarke im Sucher für "Aufzug betätigen" die gleiche Warnmarke für die Positionen "Arbeitsblendenmessung` bzw. "Objektiv-Manuellstellung" herzunehmen.
Eine Belichtungsmessung bei ausgeschalteter Automatik im Manuellbetrieb ist nicht vorgesehen.
Der Bereich des Belichtungsmessers reicht von EV 2 bis EV 16 bei Film 18 DIN und Objektiv 1,8/50 mm. Der Belichtungsmesser ist sehr empfindlich und arbeitet auch unter EV 2 noch. Allerdings ist das Sucherbild dann schon so dunkel, daß eine Ablesung nicht mehr möglich ist. Der Einstellbereich des Belichtungsmessers reicht von 12 DIN bis 33 DIN. Korrekturmöglichkeiten für +1 und +2 Blenden bzw. -1 und -2 Blenden, allerdings nicht in den Endbereichen. Angenehm ist, daß eine Plus-Korrektur für den beliebten Kodachrome 25 um eine Blendenstufe möglich ist. Ein Warnsignal im Sucher bei Belichtungskorrektur fehlt.
Verschluß: Vertikal von oben nach unten ablaufender Metall-Lamellen-Schlitzverschluß mit elektronischer Steuerung. Bei leerer oder fehlender Batterie manuelle Zeit ca. 1/30 sec bei allen Einstellungen, auch "B" oder "Blitz". Bei Automatikbetrieb stufenlos gebildete Zeiten von 1/1000 sec bis ca. 2 sec. Manuell einstellbare Zeiten von 1/30 sec bis 1/1000 sec, dazu "B", Elektronenblitz und Blitzlämpchen. Synchronzeit für Elektronenblitz mit Stellung des Verschlußzeitenrades auf das Blitzsymbol lt. Hersteller 1/125 sec, gemessen 1/82 sec. Verschlußoffenzeit in dieser Position 5,4 msec, bei 1/125 sec = 1,4 msec. X-Kontaktverzögerung 0,28 msec. Offenzeit abzüglich Kontaktverzögerung bei "Blitz" = 5,1 msec, bei 1/125 sec =1,1 msec. Es empfiehlt sich daher, bei Elektronenblitz-Aufnahmen auf das Blitzsymbol umzustellen. Weitere Daten des Verschlusses: Verschlußzeit 6,7 msec, die mittlere Vorhanggeschwindigkeit beträgt 3,5 m/sec.
Fast schon als leichten Konstruktionsfehler muß man das Verschlußzeiten-Einstellrad bezeichnen: es ist eine Sperre eingebaut, damit der Benutzer nicht versehentlich auf Automatikbetrieb schaltet! Die Automatikstellung dagegen war bei beiden Prüfmustern nicht exakt gegen unbeabsichtigte Verstellung gesichert, die Sperre rastete nur manchmal ein. Üblich ist es im Kamerabau, daß das Verschlußzeitenrad so lange gedreht werden kann, bis es in der Automatikstellung einrastet und erst wieder entriegelt werden muß, wenn manuell belichtet werden soll.
Die manuell einstellbaren Zeiten rasten leicht und sauber ein, auch das Filmempfindlichkeits-Einstellrad ist bedienfreundlich konstruiert.

Der Auslöser: Er ist an der Kameravorderseite schräg nach oben stehend angeordnet und kann gleich gut vom Zeigefinger oder vom Mittelfinger erreicht werden. Eine Prakticaspezifische Lösung, die sich in der Praxis bewährt hat.
Dieser spezielle Auslöser ist zugleich auch der Hauptschalter für den Batteriestrom, der Belichtungsmesser und Verschlußsteuerung aktiviert. Nach ca. 1 mm Weg schaltet sich die Kamera ein, zur Auslösung muß der Knopf ca. 2,5 mm weit heruntergedrückt werden, bis er praktisch mit dem Fassungsteil bündig ist. Der dafür benötigte Druck von 1 N (100 g) für die Stromversorgung und 5 N (500 g) für die Verschlußauslösung ist relativ hoch für eine Kamera mit Elektronikverschluß. Er beweist, daß doch noch eine ganze Menge herkömmliche Mechanik Verwendung findet. Eine Auslöser-Verriegelung ist nicht möglich, die Gefahr versehentlichen Auslösens aber denkbar gering. Der Auslöser verfügt über einen Drahtauslöser-Anschluß.

Selbstauslöser: Mechanisch gesteuertes Vorlaufwerk mit ca. 7 sec Vorlaufzeit. Auslösung erfolgt nicht über den Kameraauslöser, sondern über einen separaten Druckknopf am Selbstauslöser. Er arbeitet bei allen Verschlußzeiten im Manuell- oder Automatikbetrieb (ausgenommen bei Stellung "B").
Der Sucher: Fest eingebauter Pentaprismensucher mit waagrechtem Schnittbildindikator, umgeben von einem Mikroprismenfeld. Der Sucher ist klein und von mäßiger Helligkeit. Der Entfernungsmesser mit dem Schnittbild-Indikator und dem Prismenring ist klein und wenig übersichtlich konstruiert. Eine Fresnelscheibe könnte das Sucherbild insgesamt heller machen. Andererseits ist das Mattscheibenfeld für längere Brennweiten besser geeignet, da damit eine Scharfstellung leichter möglich ist als über die Mikroprismen oder den Schnittbild-Indikator. Die Praktica EE-2 ist für Brillenträger nicht gut überschaubar. Allerdings ist die Anordnung des Belichtungsmesserzeigers innerhalb des Sucherfeldes für Brillenträger günstig, während sie für den Normalsichtigen eher störend ist, weil sie Teile des Motivs verdecken kann. Eine Augenmuschel mit Korrekturglasfassung ist im Zubehörprogramm. Das Sucherfenster hat die Abmessungen 31,6 x 20,1 mm und zeigt somit (bezogen auf das Filmfenster von 35,7 x 23,7 mm) 75,7% vom Filmformat (Fläche) bzw. 79% vom Dia. Diese Werte liegen unter dem Durchschnitt der Mitbewerber. Angezeigt werden im Sucher die Automatik-Belichtungszeit, verbunden mit einer Batteriekontroll-Marke. Links im Sucher nach erfolgter Auslösung eine Marke, die signalisiert, daß der Film transportiert werden muß. Kontrolle der Schärfentiefe über Abblendhebel am Objektiv. Okularverschluß.

Batterie und Stromverbrauch: Große Batterie vom Typ PX 21 (4,5 V) in Fach am Kameraboden. Batteriespannungsgrenze 3 V. Stromverbrauch für Test 114 mA, für Manuell + B = 50 mA, für Automatikbetrieb ca. 80 mA bis 125 mA. Der Stromverbrauch ist demnach als sehr hoch einzustufen.

Abschließende Bemerkungen: Die Praktica EE-2 ist eine Spiegelreflexkamera, die zwar nicht dem mittlerweile gewohnten Standard entspricht, trotzdem bis auf wenige Ungenauigkeiten zuverlässig arbeitet und von robuster Bauweise ist. Eine Kamera zum Einstieg. Zu berücksichtigen ist der günstige Preis unter 600 DM für die EE-2 mit MC-Objektiv 1,8/50 mm. Trotzdem bieten Mitbewerber für den gleichen Betrag mehr, wenn man etwa die neuen Modelle von Canon (AV-1), Nikon (EM) oder Olympus (OM-10) nennt. Ein Winderanschluß fehlt, das Objektivanschraubgewinde ist aus nicht verschleißfreiem Leichtmetall gedreht, die Kamera ist nicht gerade kompakt.
Versöhnt wird man aber durch das universelle M42-Gewinde für ältere Objektive, wobei die EE-2 in Arbeitsblendenstellung wirklich sehr exakt mißt. Der Verschluß ist sehr genau, die Geräuschdämpfung könnte etwas besser sein. Die Objektivauswahl für Offenblende ist auf hauseigene Electric-Objektive beschränkt.

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