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1998

Marktübersicht

SLR-Kameras für das Format 4,5x6

Willkommen im Club

Das dynamische Mittelformat für Kleinbild-Aufsteiger 4,5x6 ist in. Pentax 645 und Mamiya 645 Super brachten frischen Wind in die Kleinbild-Aufsteiger-Klasse. Wir zeigen sieben Eintrittskarten in den Profi-Club.

Fast dreimal soviel Filmfläche offeriert das 4,5x6 cm Format gegenüber dem Kleinbild 24x36 mm. Für so manchen Kleinbild-Spiegelreflexfotografen, der hohe Ansprüche an die Bildqualität stellt, ein Grund, neidisch auf diese immer noch ausreichend handliche Kameraspezies zu blicken und mit einer Kaufentscheidung zu liebäugeln. Bieten die Kameras doch beinahe Kleinbildkomfort durch moderne Elektronik sowie ein großes Zubehörangebot für nahezu alle Einsatzbereiche.
Nur drei Anbieter teilen sich bislang diesen wachstumsorientierten Markt: Mamiya, Pentax und Zenza Bronica. Erstem ist überhaupt die Renaissance dieses Bildformats zu verdanken, 1975 mit der 645. Das 1940 von den Herren Sugarowa und Mamiya gegründete Unternehmen - die Initialen S und M befinden sich noch auf den Prismen- und Schachtsuchern der Modelle wieder kann gleichzeitig mit dem Superlativ aufwarten, die größte Auswahl zum Thema 4,5x6 anzubieten. Nicht weniger als zur Zeit fünf Modelle, davon eine krokobelederte Gedenkversion anläßlich der 200.000sten 645, stehen für den Interessenten bereit, der seiner Kleinbildausrüstung Adieu sagen will. Vier von Ihnen unterscheiden sich lediglich in Ausstattungsmerkmalen, während die 645 Super ein neues Konzept repräsentiert.

Großer Schritt

Doch ganz so leicht vollzieht sich der Schritt von der populären Kleinbildfotografie zur elitären Mittelformatlichtbildnerei nicht, selbst wenn man sich nur für das kleinste Format entscheidet. Faltlichtschacht in der Grundausführung und ein generell erschwertes Handling fordern ihren Tribut, der nicht zuletzt auch in harter D-Mark entrichtet werden muß. Sparen kann man sich allerdings ein Großteil der Mühe im Falle Pentax 645, eine Kamera, die noch am ehesten Kleinbildassoziationen weckt. Ganze 3800 Mark muß der Aufsteiger für die Kamera hinblättern, die dafür freilich auch eine ganze Menge bietet: Zum Beispiel Bedienungskomfort dank eingebautem Motor und sage und schreibe vier Automatikprogrammen: Zeit-, Blendenprogramm und TTL-Blitzautomatik helfen dem Bedienungskomfort gewöhnten Kleinbild-Parvenu schnell vergessen, daß er in eine gebobenere und anspruchsvollere Kamerakaste gewechselt hat. Er merkt es nur hinterher an der Bildqualität. Der fest eingebaute Fernrohrsucher erlaubt problemlos Hochformataufnahmen. Um dies zu bewerkstelligen, bedarf es bei der Konkurrenz zunächst einmal einer Zusatzinvestition in Form eines TTL-Prismensuchers. Dabei sollte man sowohl bei den Mamiyas als auch bei der Zenza Bronica ETR-S die höhere Investition nicht scheuen und das jeweils aufwendigste, als AE-Sucher bezeichneten Prisma kaufen. Erstens besitzt der AE-Sucher ein fortschrittliches Silizium-Belichtungssystem und zweitens entpuppt er sich nach Montage anstelle des serienmäßigen Lichtschachtsuchers als Verwandlungskünstler. Sowohl die Mamiyas als auch die Zenza Bronica ETRS werden zum Zeitautomaten nach Blendenvorwahl. Erst der AE-Sucher weckt quasi verborgene elektronische Talente, die ansonsten im Untergrund schlummern. Außerdem zeigt er die vorgegebene, vom Fotografen vorgewählte Verschlußzeit mit Leuchtdioden an (Zenza, Mamiya 645-Super) oder per Meßnadelanzeige. Apropos Mamiya 645 Super: das jüngste Familienmitglied mit der fremden Erbmasse "Wechselmagazin" (RZ) hat in puncto AE-Sucher Revolutionäres zu bieten. Der intelligente Kameraaufsatz entscheidet selbsttätig je nach Motivkontrast, ob er selektiv oder integral mißt, selbstverständlich kann er vom Fotografen auf die eine oder andere Meßart auch mittels Wahlschalter eingestellt werden. Auch im Mittelformatbereich scheint der Wunsch nach der wählbaren Meßmethode (integral/selektiv) aufzukeimen. Die große Mamiya-Schwester RZ hats, der neue Rotary Finder zur Bronica GS-1 hats, nur schade, daß die konstruktiv modernste Kamera im 645-Septett, die Pentax 645, damit noch nicht aufwarten kann. Auch auf ein Wechselmagazin muß der Pentax-Fotograf verzichten, doch dafür wird er mit vorladbaren Filmeinsätzen entschädigt, die ebenfalls schnelles Arbeiten ermöglichen.
Für Kleinbildaufsteiger im Edelamateurbereich, denen es in erster Linie auf eine bessere Bildqualität ankommt, stellt sich die Frage nach dem Wechselmagazin ohnehin nicht so akut, wenn sie es nicht gerade von der Rolleiflex 3003 gewöhnt sind.

Zenza: drei Formate

Die Bronica Ingenieure bewiesen allerdings Weitblick, als sie 1976 daran dachten, ihr Mittelformat-Konzept neu zu überdenken. Ein Wechselmagazin gehörte dabei unvermeidlich ins Lastenheft der Erstgeborenen ETR. Dabei eröffnen sich gerade bei der Zenza reizvolle Perspektiven: Nicht nur, daß man den Film ohne Rücksicht auf das vollendete 15te Bild zwischendurch wechseln kann, der Fotograf hat auch die Wahl zwischen drei Bildformaten 4,5x6 cm, 24x36 mm und dem ebenso reizvollen wie ungewohnten Panoramaformat 24x54 mm. Die Verwendung von Kleinbildfilm in einer Mittelformatkamera mag auf den ersten Blick paradox wirken, doch kann der Fotograf im Notfall auf Filmexoten wie Schwarzweiß-Dia-, Infrarot- und 72-Bilder Schwarzweißfilm (Ilford HP-5 Winder) zurückgreifen. Auch die Mamiya 645 Super gestattet die Belichtung von Kleinbildfilm.

Dank Wechselmagazin auch Polaroidbilder

Auch wenn der Fotograf Ausleuchtung und Einstellung einer Studioaufnahme vorher kontrollieren will, ist er auf Kameras mit Wechselmagazin angewiesen, zumindest im 4,5x6 Genre denn nur für die Bronica und für das Mamiya-Spitzenmodell gibt es die Polaroid-Rückwand. Aus dem Rahmen fällt die Bronica ETR-S nicht nur wegen ihrer Formatvielfalt, auch die Tatsache daß sie einen ins Objektiv eingebauten Zentralverschluß hat, macht sie im 645er-Kreis exklusiv. Die Vorteile der schnellen Blitzsynchronisation werden auch mit Nachteilen erkauft. Schneller als eine 500stel Sekunde geht es nicht (übrigens auch nicht bei den Schlitzverschluß-Mamiyas M 645 J und M 645), die Objektivauswahl ist beschränkt, es gibt nur sieben statt 16 bei Mamiya und die Objektive geraten überdies wegen des erhöhten Bauaufwands teurer als bei der Schlitzverschluß-Konkurrenz, die ihrerseits den Vorwurf der zu langen Blitzsynchronisation mit einem speziellen im Programm befindlichen Zentralverschlußobjektiv souverän begegnet.
Doch vielleicht liegt es gerade am typischen Zentralverschlußfeeling, mit einem Hauch von Hasselblad, daß die Bronica so sympathisch wirkt. Sicherlich ist auch das trotz angefügten Wechselmagazins ausgezeichnete Handling der Kamera daran schuld, daß sie trotz ihrer Reife nur allzu leicht zur Verführerin wird. Wer High Tech a la Kleinbild schätzt, ist mit der Alternative Pentax 645 und M 645 Super von Mamiya am besten bedient. Jene ist übrigens ein großer Erfolg. Profiphot Geschäftsführer Rake: "Wir wären froh, wenn wir mehr aus Japan bekämen."

Fazit: weniger ist mehr.

Üppige Ausstattung ist das Wesensmerkmal der Pentax, wobei die 3800 DM durchaus als Komplettpreis angesehen werden können, professionelle Ausbaufähigkeit spricht für die Mamiya 645 Super. Doch wem es nur auf gute Bilder in vorzüglicher Qualität ankommt und wer die kompositorischen Vorteile des Lichtschachtsuchers kennen und lieben lernen will, der ist mit einer M 645 J Grundausstattung für 1600 Mark bestens bedient. 

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