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Artikel
1998
Normtest
Fuji Weitwinkelkameras
Das verdrehte Format
Fujica GS645W Wide 45
Die Fujica GS645W Professional Wide 45 ist eine Sucherkamera für das Aufnahmeformat 4,5x6 cm und wird mit Rollfilm 120 oder 220 für 15 bis 30 Aufnahmen geladen. Die Wide 45 ist eine einfache Kamera, deren Benutzer ohne jegliche Elektronik auskommen muß, lediglich ein eingebauter Belichtungsmesser erleichtert ihm die Arbeit. Das fest eingebaute Weitwinkel entspricht einem 28mm-Objektiv bei KB.
PLUS
Bezogen auf das Aufnahmeformat klein und leicht
Gute Schärfeleistung des eingebauten Weitwinkelobjektivs
Durch das Wegfallen des Spiegels sehr leises Auslösegeräusch
Das größere Format bringt ein Plus an Schärfe
MINUS
Mangelhafte Übereinstimmung von Sucherbild und Abbildung auf dem Film
Der Belichtungsmesser mißt zu wenig mittenbetont
Bedienung nicht optimal
Streulichtblende ragt ins Sucherbild
Fuji GS645S Wide 60
Die Fuji GS645S Professional Wide 60 ist eine Sucherkamera für das Aufnahmeformat 4,5x6 cm und wird mit Rollfilm 120 oder 220 für 15 bzw. 30 Aufnahmen geladen. Die Wide 60 ist eine einfache Kamera mit Leuchtrahmensucher, eingebautem Belichtungsmesser, Nachführbelichtungssteuerung und manuellem Filmtransport. Das fest eingebaute 60-mm-Objektiv entspricht einem 35er bei Kleinbildformat.
PLUS
Bezogen auf das Aufnahmeformat klein und leicht
Gute Abbildungsleistung des eingebauten Objektivs
Sehr leises Auslösegeräusch (Sucherkamera!)
Das größere Format bringt höheres Auflösungsvermögen und bessere Schärfe
MINUS
Mangelhafte Übereinstimmung von Sucherbild und Abbildung auf dem Film
Der Belichtungsmesser arbeitet zu wenig mittenbetont
Bedienung nicht optimal
Streulichtblende ragt ins Sucherbild
Daß das "kleine" Mittelformat 4,5x6 cm immer noch aktuell ist, zeigt der Erfolg der Mamiya-Modelle bis hin zur neuen Mamiya 645 Super, zeigt das Engagement von Zenza Bronica auf diesem Gebiet und zeigt die innovative Pentax-Kamera, deren System zur jüngsten photokina ausgebaut wurde. Während Mamiya, Zenza Bronica und Pentax auf das Spiegelreflex-Prinzip und den "Hasselblad-Touch" setzen, geht Fuji mit zwei Weitwinkelkameras einen anderen Weg.
Wer von einer Mittelformatkamera erwartet, daß sich an ein würfelförmiges Gehäuse vorne Objektive, oben verschiedene Sucher und hinten Magazine oder Filmeinsätze ansetzen lassen, sieht sich in Fujis 645-Modellen für 4,5x6-cm-Aufnahmen getäuscht. Beide - die Fujica GS645 Wide 45 Professional und die Fuji GS645 Wide 60 Professional - erinnern eher an überdimensionierte Kompaktkameras denn an professionelle Aufnahmegeräte, die sie laut Bezeichnung ja sein sollen. Die Wende vom Prinzip der Spiegelreflexkamera hin zur Sucherkamera mit fest eingebauten Objektiven (1:5,6/45 mm und 1:4/60 mm) schlägt sich nicht nur in der Form nieder, sondern bringt es auch mit sich, daß die Fujis im Verhältnis zum Aufnahmeformat recht klein und leicht ausfallen, und daß das Auslösegeräusch nur vom Ablauf des Compur-Verschlusses (# 00) bestimmt wird - das bei den 645-Spiegelreflexkameras recht deutlich ausgeprägte Schlagen des großen Spiegels fehlt.
Störende Parallaxe
Mit dem Nachteil entfällt bei den Fuji natürlich auch der gravierende Vorteil der Spiegelreflexkameras - die Übereinstimmung von Sucherbild und dem Bild, das auf den (Roll-)Film projiziert wird.
Das Sucherbild weist eine nicht zu übersehende Diskrepanz zum tatsächlich aufgenommenen Bild auf. Die exakte Bildgestaltung bei der Aufnahme wird dadurch natürlich deutlich gestört.
Die störende Parallaxe ist nicht das einzige, was den Suchern der Fujis angekreidet werden kann. Beiden Suchern ist es eigen, daß der Leuchtrahmen in der Gänze nur sehr schwer zu überblicken ist (Brillenträger haben gar keine Chance, das ganze Motiv auf einmal zu sehen). Ebenso schlecht sind die Anzeigen für die Belichtungssteuerung per Nachführmessung gelöst: ein "+", das Überbelichtung anzeigt, ein "-" das Unterbelichtung signalisiert und ein "o", das für korrekte Belichtung steht. Die als Symbol-LEDs ausgelegten Anzeigen sind rechts neben dem Sucherrand ohne Brille zwar noch recht gut zu erkennen, mit Brille aber nur noch, wenn man Kamera oder Auge bewegt. Bei der Wide 60 ist in der Suchermitte noch der schwach gelblich eingefärbte Fleck des Mischbildentfernungsmessers zu finden, mit dessen Hilfe sich auch bei wenig Licht das Weitwinkelobjektiv ordentlich scharfstellen lobt. Der Benutzer der Wide 45 muß ohne Mischbildentfernungsmesser auskommen und sich aufs Schätzen und die Schärfentiefe des 45-mm-Objektivs verlassen. Außerdem negativ: Die Streulichtblenden ragen ins Sucherbild.
Belichtungsmessung durch den Sucher
Die Belichtungsmessung eben bereits wegen der Sucheranzeige angesprochen - erfolgt bei den Fujis nicht durch das Objektiv (TTL), sondern durch den Sucher. Bei den entsprechenden Normtest-Versuchen stellte sich heraus, daß die Messung nur sehr schwach mittenbetont ist. Wo bei anderen Kameras die Meßempfindlichkeit zum Bildrand hin um zwei bis drei Belichtungswerte abnimmt und das Zentrum sehr stark bewertet wird, ist bei den Fujis nur ein Abnehmen der Meßempfindlichkeit um 1 Blendenstufe festzustellen. In der Praxis bedeutet das, daß beispielsweise große Himmelsanteile in die Belichtungsmessung stark einbezogen werden und zu einer zu knappen Belichtung des Bildes führen können.
Eine starke Einbeziehung des Himmelsanteiles ist um so mehr zu befürchten, da die Fujis Hochformatkameras sind. Das Bild ist nicht wie üblich horizontal sondern vertikal ausgerichtet, was wohl eine Sache der Gewöhnung ist, uns jedoch wenig Vorteile zu haben scheint.
Geht man von einem gleichmäßig ausgeleuchteten Motiv aus, so neigt die Wide 60 zur Überbelichtung, die ab Lichtwert 9 eine Drittel Blendenstufe übersteigt und im Dia sichtbar werden dürfte. Die Wide 45 schwankt zwischen zu knapper Belichtung im Bereich niedriger Lichtwerte und zu reichlicher Belichtung ab Lichtwert 12,5.
Ausreißer bei den kurzen Zeiten
Die Verschlußzeiten, die bei der 125stel und 250stel (Wide 45) und bei der 250stel (Wide 60) um etwa 1/3 Blendenstufe vom Sollwert abweichen, tragen ihr Teil dazu bei, daß die Belichtung nicht so exakt ist, wie man sich das von einer Kamera mit Professional-Anspruch wünscht.
Verschlußzeiten (bei beiden Modellen von 1 Sek. bis 1/500 Sek.) und Blenden (5,6-22 bei der Wide 45, 4-22 bei der Wide 60, jeweils in ganzen Stufen rastend) werden an sehr schmalen Ringen mit Einstellgriffen eher schlecht als recht eingestellt, und auch die Entfernungseinstellung (Mindestentfernung jeweils 1 m) und die Einstellung der Filmempfindlichkeiten im Bereich von ISO 25/15xGRADx bis ISO 1600/36xGRADx lassen zu wünschen übrig. Die Verschlußzeiten müssen exakt auf die ganzen Werte eingerastet werden. Zwischenstellungen
ergeben deutliche Fehlbelichtungen, worauf in der Gebrauchsanweisung deutlich hingewiesen werden sollte.
Der verriegelbare Auslöser ist leichtgängig und mit einem Gewinde für einen normalen Drahtauslöser versehen, der hauptsächlich zusammen mit der T-Einstellung von Bedeutung ist. Die T-Einstellung, die heute weitgehend aus dem Kamerabau verschwunden ist, ermöglicht Langzeitbelichtungen, ohne daß der Auslöser während der Belichtung gedrückt gehalten werden muß. Die Belichtung wird durch einen Druck auf die T-Taste (rechts neben dem Objektiv) gestartet und durch einen Druck auf den Auslöser beendet. Da in diesem Moment die Kamera verrissen werden kann empfiehlt sich der Griff zum Drahtauslöser. Ansonsten bieten die Fujis nichts besonderes: Der Selbstauslöser wird mit einem fummeligen Hebel am Objektiv aufgezogen, die Tasten zur Rückwandverriegelung sind angenehm groß dimensioniert und das Filmeinlegen ist nicht komplizierter und nicht einfacher als bei anderen Rollfilmkameras auch.
Die optische Leistung der Objektive ist in puncto Schärfe und Auflösungsvermögen in Ordnung, sowohl das 45er als auch das 60er zeigen aber Vignettierung und (geringe) Verzeichnung.
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