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Artikel

1998

Fotopraxis

Was Kompakte können

Zum Knipsen zu schade

Engagierte Hobbyfotografen mit hohem Anspruch an ihre Fotoausrüstung nehmen sie immer noch nicht erst. An dieser Meinung können selbst Verkaufsrekorde und aufwendig produzierte Herstellerbroschüren mit brillanten Beispielfotos nichts ändern. Autofokus-Kompaktkameras sind was für Knipser, die damit ihre 9xl3-Albumbildchen schießen. COLOR FOTO wollte es einmal genau wissen und unterzog die beiden Minolta Kompaktkameras AF-T und AF-Z, beispielhaft für die besten der Klasse, einer ausgiebigen praktischen Erprobung.

Rund 800000 Kompaktkameras fanden 1985 laut der Nürnberger Gesellschaft für Kommunikationsforschung, ihre Käufer, die Tendenz ist weiterhin steigend.
Wir wollten es genau wissen und erprobten zwei Spitzenmodelle der Kategorie, Minolta AF-Z und Minolta AF-T ausgiebig in der Praxis. Diese Kameras bieten ein Optimum an Bedienung und Ausstattungskomfort in ihrer Klasse und können als empfehlenswert gelten, gleichermaßen sind sie repräsentativ für die Topmodelle anderer Hersteller in der Preisklasse zwischen 500 und 600 Mark.
Ich gebe zu, ich war vor dieser Praxis-Feuertaufe skeptisch und voller Vorurteile, benutzte ich Autofokus-Sucherkameras doch bislang nur für schnelle Dokumentationsaufnahmen oder für Schnappschüsse von Menschen oder unterwegs auf Reisen.
Allenfalls einen 400er Farbnegativfilm mochte ich ihnen zutrauen, damit der Blitz noch einigermaßen weit reicht und Opas Lichtstärke 2,8, die schon in den fünfziger Jahren bei den Sucherkamera-Normalobjektiven Standard war, noch etwas auf den Film bringt.

Vorurteil Nummer eins:

Autofokuskameras sind nur für Negativfilm geeignet.

Große Skepsis überkam mich beim Filmeinlegen und ich sah den teuren Kodachrome 64 in der AF-Z schon vor die Hunde gehen, doch ich wollte es wissen. Packen die beiden Minolta-Schnappschußkameras auch einen Diafilm mit seinem geringen Belichtungsspielraum? Es heißt doch immer bei den engagierten Fotografen, Kompaktkameras seien für Farbnegativfilm ausgelegt und würden zur reichlicheren Belichtung neigen, die einen Diafilm gnadenlos ausfressen lassen. Das mag für die billigen Modelle zutreffen doch das Belichtungsmeßsystem heutiger High-Tec-Autofokus-Kameras präsentiert sich so ausgeklügelt und sensibel, daß man ihm ruhig einen Farbdiafilm vom Feinsten anvertrauen kann. Geringfügige Probleme gab es allerdings bei den kontrastreichen Lichtstimmungen aus sonnigen Herbsttagen. Die Schatten gerieten etwas dunkel.

Vorurteil Nummer zwei:

Autofokus Kompaktkameras haben eine unsensible Belichtungsautomatik, die bei Gegenlicht versagt.

Bei den Minoltas liest sich die Charakterisierung im informativen Prospekt folgendermaßen: "Die spezielle, objektbetonte Belichtungsmessung der AF-Z mißt die Helligkeit bevorzugt in der Bildmitte. Auf diese Weise wird unabhängig vom gewählten Bildausschnitt und sogar bei Gegenlicht richtig belichtet. " Vermißte ich bei den ersten Aufnahmen noch die altgediente Gegenlichttaste und mißtraute dem optimistischen Prospektjargon, so mußte ich mich beim Betrachten der Fotos eines besseren belehren lassen. Die Kameras - die AF-T mit den zwei umschaltbaren Brennweiten benutzt dasselbe Belichtungsmeßsystem reagierten tatsächlich selbständig auf mäßiges Gegenlicht. Auf mäßiges wohlgemerkt denn eine totale Gegenlichtsituation meisterten die Kompakten nicht, was mich innerlich in Erwartung der Bestätigung wenigstens eines Vorurteils triumphieren ließ. Doch der Triumph währte nicht lange. Erinnerte ich mich doch plötzlich an den kombinierten Belichtungs- und Schärfespeicher, der im Prospekt Erwähnung fand.

Vorurteil Nummer drei: 

Autofokus-Kompaktkameras stellen stupide auf das scharf, was sich gerade in der Bildmitte befindet.

Mit dieser beiden Kameras gemeinsamen trickreichen Einrichtung wird nicht nur das Hauptmotiv scharf, auch wenn es sich nicht in der Bildmitte befindet, es wird auch noch richtig belichtet. Bei Gegenlicht braucht der Fotograf also nur noch ein ungefähr gleich entferntes aber dunkleres Ersatzmotiv mit Hilfe des im Sucher deutlich ausgewiesenen Autofokus-Meßfelds anzuvisieren. Und wenn dies im Falle eines Falles nicht zufriedenstellend funktioniert, so kann der Fotograf bei Motiven im Bereich von bis zu 4 Metern immer noch auf den Aufhellblitz zurückgreifen, der die Schatten aus den Gesichtern verdrängt. Gerade für den Aspekt der Bildgestaltung den ich erstmals im Umgang mit den beiden Minolta-Kameras bei dieser Kameragattung ausprobiert habe, ist der Schärfespeicher unverzichtbar.

Vorurteil Nummer vier:

Sucher von Autofokus-Kompaktkameras sind miese Gucklöcher.

Daß gerade die Qualität des Suchers für die Bildgestaltung wichtig ist, kann als fotografische Binsenweisheit gelten. Verwöhnt durch silberbeschichtete Pentaprismensucher und Mikrowabeneinstellscheiben empfindet der Spiegelreflex-Gewohnte den AF-Kompaktsucher-Kamera-Durchblick häufig als Zumutung. Geprägt von dieser Vorstellung, konnte ich mir beim Anvisieren durch den Minolta AFZ-Sucher ein halblautes "Aha" nicht verkneifen. Schön groß und gar nicht verzerrt erschien die Welt in ihm, laut Minolta ist er auch "zwanzig Prozent größer als der herkömmlicher Autofokus-Kompaktkameras". Nicht ganz so brillant gibt sich der AF-T-Sucher, aber dafür bietet er andere Vorzüge. Die AF-T ist nämlich, wie schon gesagt, eine Kamera die mit zwei umschaltbaren Brennweiten operiert. Wer nun erwartet, a la Leica mit verschiedenen Bildfeldbegrenzungen per Leuchtrahmen abgefunden zu werden, der sieht sich angenehm enttäuscht. Schaltet der Fotograf nämlich den handlichen Hebel links vom Objektiv um, was sogar geht, ohne die Kamera vom Auge zu nehmen, fährt nicht nur motorisch das Objektiv auf die neue Sollbrennweite von 60 mm aus, auch der Sucher erfährt, ebenfalls automatisch, die zur Brennweite entsprechende Vergrößerung. Dies erleichtert die Bildgestaltung erheblich.

Vorurteil Nummer fünf:

Apropos Objektiv: ein 38er ist ebensowenig ein gescheites Weitwinkel wie ein 60er ein gescheites Tele.

Sicher, keiner würde auf die Idee kommen zu einer Spiegelreflexkamera ein 38-mm-Weitwinkel und ein 60er Tele anzubieten, doch der Vergleich hinkt etwas, weil die Standardbrennweite 50 mm für die Kompakten nicht gilt. Hier sind 35 mm Dreh- und Angelpunkt der Motiv-Weltanschauung und ein 60er nimmt sich dagegen schon wie ein Tele aus. Der Brennweitenvergleich wirkt sich daher trotzdem recht deutlich aus, was man sowohl beim Porträt als auch bei der Architektur erkennt. Der Sprung könnte freilich objektiv betrachtet etwas größer sein, doch muß man strafmildernd bemerken, daß die Minoltas die ersten waren, die das Bifokalprinzip bei den Kompakten einführten. Die Konkurrenz weiß es inzwischen teilweise besser und vergrößert die Brennweitendifferenz.

Vorurteil Nummer sechs: 

Autofokus-Kompaktkameras machen flaue Bilder.

Fadenzähler und Leuchttisch wurden nach Entwicklung der Dias von mir mehrfach kritisch befragt. Bis auf ein paar verwackelte Ausreißer überzeugten alle Autofokus-Fotos durch bestechende Schärfe. Vor allem die AF-Z bringt die Schärfe dank asphärischem Linsenglied voll, die AF-T rangiert in der Auswertung sowohl in puncto Tele als auch bei Standard (38 mm) nur graduell hinter der AF-T. Der Vorteil der Bildgestaltung dank Tele wiegt bei weitem schwerer. Leider kann ich mich an der Wahrheit, so gerne ich es täte, nicht vorbeimogeln, doch spätestens an dieser Stelle ist ein Geständnis fällig. AF-Z- und AF-T-Fotos sind in Schärfe und Kontrast bei der Projektion und unter dem Fadenzähler von Spiegelreflexkamera-Aufnahmen nicht zu unterscheiden. Denjenigen für die jetzt eine Welt zusammenbricht, möchte ich moralisch etwas unter die Arme greifen. Es gibt auch im Zeitalter der High Tech-Autofokus-Kameras noch Spiegelreflex-Domänen, die sich von den Kleinen nicht erobern lassen. Weder die Brennweitenvielfalt noch die Kompetenz im Makrobereich noch die technischen Mittel zur Bildgestaltung wird eine Kompakte je in gleichem Maße bieten können. Auch die Belichtungsgenauigkeit ist einfach größer. Von der manuellen Beeinflussung bis zur automatischen Spotmessung reicht das Manipulations-Repertoire moderner SLRs.

Vorurteil Nummer sieben: 

Die eingebauten Blitzgeräte der Autofokuskameras taugen nichts und verursachen rote Augen auf den Porträtfotos.

Natürlich können die kleinen Blitze keine Wunder vollbringen. Der Blitz kommt direkt, die Reichweite ist begrenzt (ca. 4 m bei 100 ASA bei der AF-Z) aber rote Karnickelaugen gabs trotzdem keine. Erfreulich bei der AFZ, die hohe Blitzfolge von 1,2 Sekunden bei Lithium-Energieversorgung. Beide Kameras lassen sich interessanterweise sowohl mit langlebigen Lithiumbatterien als auch mit NC-Akkus speisen.

Vorurteil Nummer acht:

Mit Autofokus - Kompaktkameras kann man nur Knipsbildchen fotografieren.

Die Bilder auf diesen Seiten beweisen, daß modernste Autofokus- Kompaktkameras insbesondere die AF-T darf sich hier angesprochen fühlen, auch für bildgestalterische Zwecke taugen. Mit erheblichen Einschränkungen freilich gegenüber einer Spiegelreflex. Der Vorzug der zusätzlichen Telebrennweite kommt dabei besonders zum Tragen. Die AF-Z entschädigt aber ein bißchen mit der Möglichkeit Bildserien zu machen. Wer diese Möglichkeiten nicht hat sollte ein paar Tips beherzigen. 1. Nah ran ans Motiv. 2. Vordergründe mit einbeziehen. 3. ungewöhnliche Perspektiven suchen. 4. vom Aufhellblitz bei Personenaufnahmen im Freien Gebrauch mache. 5. Schnappschüsse fotografieren, die mit der SLR verloren wären.

Die ideale Zweitkamera

Minolta AF-T und AF-Z beweisen, daß eine hochwertige Autofokus-Kompaktkamera die vorhandene Spiegelreflex-Ausrüstung hervorragend ergänzt, ohne daß der Fotograf Abstriche an Bild- und Belichtungsqualität machen muß. Dies tut zwar eine Minox 35 oder Contax T genauso, doch die schnelle Reaktionsfähigkeit und Problemlosigkeit können sie nicht in dem Maße bieten, dafür jedoch mehr kreativen Spaß am Fotografieren. Den Spiegelreflex-Zweiflern habe ich bereits Trost gespendet und vor der allzu großen Autofokus-Kompaktkamera-Euphorie bewahrt das beachtliche Preisniveau, der geringe Prestigewert und die doch erheblichen Einschränkungen bei der Bildgestaltung. Der Benutzung als Zweitkamera steht freilich nichts im Wege. 

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