← Zurück
Artikel
1998
Normtest
Leica R5
Die Königin?
Die neue Leica R5 wird Anhänger des schnellen Fortschritts sicher enttäuschen. Leitz ließ es in bewährter Manier bei gelungener Systempflege bewenden. Wichtigste Punkte sind der verstärkte Einsatz der Programmautomatik, die in sage und schreibe zehn Varianten zur Verfügung steht und der Einstieg in die nicht mehr neue aber sehr wichtige TTL-Blitzmessung, die mit SCA-Geräten möglich ist.
PLUS
Sehr weicher Auslöser
Unaufdringlicher Spiegelschlag
Heller, sehr übersichtlicher und informativer Sucher
Handlich
MINUS
Schwergängiger Betriebsartenwähler
Spotmessung nur bei Zeitautomatik und manueller Einstellung
Neigt zur Unterbelichtung bis 2/3 Blendenstufen
Eine Spiegelreflex-Leica ragt immer noch aus der Masse der Spiegelreflexkameras heraus, nicht allein durch ihren horrenden Preis. Sie ist ein bißchen wie eine Königin in einer modernen Monarchie: der alte Adel verleiht ihr einen Nimbus, den zu behaupten in der Arbeit des Tages gar nicht mehr so leicht fällt.
Egal, welche Kamera Leitz auf den Markt bringt, egal wann das ist und egal wieviel sie kostet: sie weckt Interesse. Noch immer ist Leitz - neben Rollei - für viele einfach ein anderes Wort für deutsche Wertarbeit auf dem Kamerasektor, für viele ist eine Leica noch immer der Wunschtraum, der sich vielleicht nie erfüllen läßt (weil Kameras und Objektive aus dem Hause Leitz einen wohlgefüllten Geldbeutel seitens des Käufers voraussetzen), den zu träumen aber Spaß macht.
Tatsächlich hat eine Leica (egal ob "M" wie Meßsucher oder " R" wie Reflex) etwas besonderes, das sich nur sehr schwer erklären und gar nicht testen läßt. Es ist das Leitz-Feeling, das sich einstellt, wenn man die Kamera in die Hand nimmt, wenn man (per Daumen und nicht per Motor) den Film transportierend den Verschluß spannt und auslöst. Das satte Geräusch des in seine Ausgangslage zurückkehrenden Spiegels ist für viele Fotografen mit dem satten Türenschlag eines Wagens aus dem Hause Daimler Benz vergleichbar. Der Test kümmert sich allerdings nicht um solche Gefühle, sondern nur um nackte Tatsachen.
DAS GEHÄUSE
Das Gehäuse der Leica R5 erinnert sehr deutlich an das Gehäuse, das für Modelle der R4-Serie verwendet wird, nur wenige Kleinigkeiten wurden geändert. Geblieben ist, daß die Kamera einen sehr aufgeräumten Eindruck macht, eine Zeitlang gab es dafür das Modewort "ergonomisch ".
Die Leica R5 liegt gut in der Hand (ein Eindruck der sich leider ändert, wenn man den Motordrive R verwendet, der eine maximale Aufnahmefrequenz von 4 Bildern pro Sekunde zuläßt). Die Bedienelemente sind sinnvoll angeordnet, gut zu erreichen und nur im Detail zu kritisieren.
Rechts oben auf der Kamerakappe (alle Richtungsangaben beziehen sich auf eine von hinten gesehene Kamera) beherrscht das große Verschlußzeitenrad das Bild mit dem die Zeiten von 1/2 Sek. bis zur 1/2000 Sek. in ganzen Schritten eingestellt werden können, dazu die Synchronisationszeit von 1/100 Sek. (markiert durch "X"), die mechanisch gesteuerte Notzeit von ebenfalls 1/100 Sek. ("100") und auch die B-Einstellung kann hier gewählt werden (der Verschluß bleibt solange offen, wie der Auslöser betätigt wird).
Der Auslöser hat seinen Platz im Zentrum des Einstellrades und bietet- heute schon nicht mehr selbstverständlich - ein Gewinde, in dem ein ganz normaler Drahtauslöser seinen Platz finden kann.
Der Betriebsartenwählschalter liegt vor dem Auslöser und seine Achse stimmt mit der des Einstellrades überein. Der Betriebsartenwähler wurde überarbeitet und ein Steg unter der Taste soll versehentliches Verstellen unmöglich machen. Das ist gelungen, leider wurde gleichzeitig auch das gewollte Verstellen erschwert. Zu wählen sind "T" für Blendenautomatik nach Zeitvorwahl, "A" für Zeitautomatik, "A" im Kreis für Zeitautomatik mit Spotmessung und Meßwertspeicherung, "P" für Programmautomatik und "m" im Kreis für manuelle Einstellung mit Spotmessung.
Links neben der Leica-R-typisch abgerundeten Sucherkappe umgibt ein Einstellring die Rückspulkurbel, mit dessen Hilfe die Filmempfindlichkeit im Bereich von ASA 12 bis ASA 3200 eingestellt werden kann und, nachdem man einen immer noch etwas zu kleinen Schalter betätigt hat, auch ein Korrekturfaktor im Bereich von + 2 Blendenstufen gewählt werden kann. DX-Abtastung findet in der Leica R5 nicht statt, der Korrekturbereich ist im Vergleich mit anderen Kameras nicht sehr groß.
Weitere erwähnenswerte Details des Leica R5-Gehäuses sind der große und gut zu bedienende Abblendhebel, der Schalter für den Selbstauslöser, der kräftige Fingernägel voraussetzt und der Anschluß für ein Blitzkabel, der nun am Sucherprisma zu finden ist (auch der Kabelanschluß ist leider nicht mehr selbstverständlich).
Neben dem Suchereinblick ist ein kleines Rädchen zu finden an dem das Sucherokular im Bereich von + 2 Dioptrien an einen eventuellen Sehfehler des Benutzers angepaßt werden kann. Der Umgang mit dem Rädchen ist etwas fummelig, da man es verdrehen muß, während die Kamera am Auge ist.
DER SUCHER
Der Sucher selbst ist wieder wenn auch mit einigen Neuerungen - Leica-typisch. Das Sucherbild ist hell und klar, beeinflußt die Farben aber etwas zur kalten Seite hin. Wer mit einem warmtonigen Film arbeitet, kann etwas Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Farben haben. Fotografen die mit der Leica R5 arbeiten, sollten also von vornherein diesem Umstand Rechnung tragen.
In der Mitte der Mattscheibe sind als Einstellhilfen ein waagerecht angeordneter Schnittbildkeil und ein Mikroprismenring zu finden, sonst stört nichts das Sucherbild, da die Anzeigen alle auf den rechten und den unteren Rand des Suchers beschränkt wurden.
Der Sucher der Leica verdient es in der Tat, als Informationszentrum angesehen zu werden, da alle wichtigen Daten angezeigt werden, wobei die meisten Anzeigen durch rote Leuchtdioden erfolgen, nur die von Hand eingestellten Blenden und Verschlußzeiten werden eingespiegelt. Was fehlt, ist eine Anzeige über die verbleibende Bildzahl, aber sie ist doch am leichtesten zu verschmerzen.
Die Leica R5 zeigt nicht nur die Blitzbereitschaft im Sucher an, sondern auch die korrekt erfolgte Blitzbelichtung.
DIE BELICHTUNGSMESSUNG
Der Mikroprismenring im Sucher ist gleichzeitig das Meßfeld für die Spotmessung, die von Leitz noch immer konsequent als Selektivmessung bezeichnet wird. Die Messung der Meßzonen ergab, daß der Bereich der höchsten Meßempfindlichkeit sehr genau mit dem Mikroprismenring übereinstimmt, im ganzen ist der Spotmeßbereich minimal nach rechts verschoben, was für die Praxis keinen Einfluß hat. Die Meßzonen für Integralmessung sind sehr gleichmäßig verteilt, könnten aber etwas mehr nach unten verschoben sein. Bei Aufnahmen mit großem Himmelsanteil empfiehlt sich die Spotmessung.
DER VERSCHLUSS
Der elektronisch gesteuerte Verschluß der Leica R5 bietet laut Hersteller stufenlos die Zeiten von 1/2000 Sek. bis 15 Sek., von denen die von 1/2000 Sek. bis 1/2 Sek. auch manuell in ganzen Stufen eingestellt werden können. Die Messung dieser manuell eingestellten Verschlußzeiten ergab, daß der Verschluß genau arbeitet, mit einer größten Abweichung von +1/6 Blendenstufe bei den kürzesten Zeiten.
ZEIT- UND BLENDENAUTOMATIK
Bei der Messung der Zeitautomatik nach Blendenvorwahl zeigte sich daß die Tendenz des Verschlusses zur leicht reichlicheren Belichtung die Automatik nicht beeinflußt, die zur knapperen Belichtung von 1/3 bis 2/3 Blendenstufen tendiert. Nach Auskunft von Leitz ist die knappere Einstellung bewußt gewählt, um dichtere Dias zu erzielen, allerdings ist eine Unterbelichtung von 2/3 Blendenstufen nicht mehr im Sinne des Erfinders. Interessant ist, daß beim Automatikbetrieb die Kamera nie 15 Sekunden einstellte.
DIE PROGRAMMAUTOMATIKEN
Auch bei Messung von drei der angebotenen zehn Programmautomatiken griff die Kamera nicht auf die längste Zeit zurück, und auch hier ist die Tendenz zur knappen Belichtung (1/3 bis 2/3 Blendenstufen) zu registrieren.
Die Vielzahl der Programme kommt dadurch zustande daß die Verschlußzeiten zwischen ]/2 und 1/1000 Sek. als "Knickpunkte" des Programmverlaufs eingestellt werden können. Die Knickpunkte bezeichnen den Punkt der Programmsteuerung, bis zu dem bei ganz offener Blende nur die Verschlußzeit verkürzt wird, ab dem Knickpunkt wird auch die Blende zur Belichtungssteuerung herangezogen und geschlossen.
DIE TTL-BLITZSTEUERUNG
Zum ersten Mal bietet eine Leica eine weitere Automatik, nämlich die TTL-Blitzautomatik, wenn SCA-300-Blitzgeräte mit dem SCA-Adapter 351 eingesetzt werden. Zu diesem Zweck ist der heiße Sucherschuh mit einem zusätzlichen Steuerkontakt versehen worden. Leitz selbst bietet keinen entsprechenden Systemblitz an und wird das auch, wie glaubhaft versichert wurde, auch in Zukunft nicht tun.
Es steht zu vermuten, daß diese Leica R5 die letzte Reflex-Leica ist in diesem klassisch-schönen Gewand. Die nächste Generation, angeführt wohl von einer R6, wird Autofokus bieten und für das Mehr an Elektronik einen neuen Body brauchen.
Die R5 ist eine faszinierende Kamera, schade ist, daß die Belichtung teilweise zu sehr nach "knapp" tendiert und daß für den Body alleine etwa 2900,- DM verlangt werden, mit dem ausgezeichneten Summilux R 1,4/50 mm kommt man auf gute 4300,- DM
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}