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Artikel
1998
Beratung
Sieben Kameratypen bis 400 DM
Sieben Wege zum guten Bild
Wer bis zu 400 DM für seinen Kameraetat frei hat, dem stehen verblüffenderweise außer dem Großbild die sieben wichtigsten Erscheinungsformen fotografischer Apparate zur Verfügung, von Kleinstbild bis Sofortbild. Wir stellen Ihnen sieben Systeme vor und analysieren Vor- und Nachteile der Kameras.
Der Kameramarkt bis 400 DM ist trotz des großen Angebots von Spiegelreflex-Modellen fest in der Hand der Kompakten mit Autofokus-Einstellung. In dieser Preisklasse entscheiden sich rund 70 Prozent aller Kamerakäufer für eine bedienungsfreundliche und schnappschußfreudige Autofokus-Sucherkamera, die in dieser Preislage zu technischer Hochform aufläuft. Viele übersehen allerdings bei ihrer Kaufentscheidung, daß es gerade in dieser unteren Preisklasse noch eine Vielzahl anderer attraktiver Kameras gibt, die allerdings unterschiedliche Philosophien verfolgen und völlig andere An spräche an den Benutzer stellen.
Typ 1: ALLROUNDKAMERA MIT BEDIENUNGSKOMFORT: DIE AUTOFOKUS KOMPAKTKAMERA
Freilich, wer eine bedienungsfreundliche Allround-Kamera für rund 400 DM sucht, der ist mit einer Autofokus-Kompaktkamera der obersten Preis- und Güteklasse tatsächlich am besten bedient. Denn seit der neuesten Generation der vollautomatischen Kompakten war gutes Bildermachen noch nie so einfach. Unser Fotopraxis-Bericht im Dezemberheft über die beiden Minolta-Modelle AF-T und AF-Z belegte dies auf beeindruckende Weise. Skepsis hinsichtlich Bildqualität ist also nicht angebracht. Und bei der hier vorgestellten für ihre Kameraklasse repräsentativen Ricoh FF-70 kommt auch der "homo ludens" der spielende Mensch noch auf seine Kosten, denn immerhin gibt es ein sogenanntes Multifunktionsdisplay mit fingernagelfreundlicher Tipptastenbedienung für Eingabe und Anzeige folgender Funktionen: Selbstauslöser, Gegenlichtkorrektur von plus zwei Blendenstufen und Filmempfindlichkeit, sofern der eingelegte Film nicht DX-codiert ist. Außerdem zeigt das Display die Anzahl der zur Verfügung stehenden Aufnahmen (bei DX-codierten Filmen) und - zentral positioniert, die Zahl der bereits fotografierten Aufnahmen. Automatische Blitzzuschaltung versteht sich in dieser Kamerakategorie genauso von selbst wie der motorische Vor- und Rücklauf des Films (letzter allerdings noch nicht automatisch) und der selbständige Filmvorlauf bis Bild "eins". Das fünflinsige mehrschichtvergütete Objektiv 1:2,8/35 sorgt zusammen mit der ausgeklügelten Belichtungsautomatik für eine sehr gute Bildqualität, die den Spiegelreflex-Vergleich nicht zu scheuen braucht. Lediglich bei hohen Motivkontrasten, wie sie durch Licht und Schatten bei tiefstehender Sonne gerade im Winter gern vorkommen und eingelegtem Diafilm, zeigt sich die Belichtungsautomatik bisweilen überfordert.
Typ 2: DIE HOCHENTWICKELTE KOMPAKTE FÜR KREATIVEN FREIRAUM
Sie gehört ebenfalls zur Gattung der kompakten Kleinbildsucherkameras, ist aber wie die Olympus XA-Modelle von ganz anderem Schlag als die Vollautomatischen. Gemeint ist die Minox 35 ML, das qualifizierteste Modell der überaus beliebten Minox-Kompaktkamera-Reihe. Diverse Bereitschaftstaschen, drei Computerblitzgeräte, ein Kleinstativ Skylight und Graufilter, machen aus der 35 ML eine kleine Systemkamera. Übrigens wird auch der Ricoh FF-70-Fotograf mit Zubehör bedacht. Nah- und Televorsatz, Taschenstativ und Allwetterbeutel helfen so manche Fotografiersituation meistern. Doch im Gegensatz zur Ricoh FF-70 ist die Minox 35 kein Fotografierautomat. Diese "Camera" - Minox schreibt das Wort gerne mit C - versteht sich in erster Linie als Werkzeug des Fotografen, dem sie das Denken nicht abnimmt. Im Gegenteil: Die zwei Belichtungsprogramme Zeitautomatik mit Blendenvorwahl für das bewußte Gestalten mit der Schärfentiefe und die problemlose Programmautomatik für schnelle Schnappschüsse sind wohlzuüberlegende Alternativen. Kritische Belichtungssituationen lassen sich mit Hilfe der Meßwertspeicherung durch Antippen des Auslösers oder der Fotograf entschärft den hohen Motivkontrast, indem er den Gegenlichtschalter betätigt. Allerdings ist die Minox ML, dank ihrer mittenbetonten Integralmessung über eine Siliziumzelle weitgehend unempfindlich gegen Fehlbelichtungen. Das Einstellen der Entfernung nimmt die Minox 35 ML dem Fotografen allerdings bewußt nicht ab. Das 35 mm Objektiv besitzt zwar dank Weitwinkelcharakteristik eine große Schärfentiefe, doch im Nahbereich unter zwei Meter kommt es doch auf ein gutes Schätzvermogen an.
Typ 3: DIE PRÄZISE MESS-SUCHER-KAMERA MIT WECHSELOPTIK
Probleme, die genaue Entfernung zu bestimmen, hat der Yashica Electro 35 GSN-Fotograf freilich dank eingebautem gekoppeltem Entfernungsmesser nicht, dafür läßt sich die klobige Meßsucherkamera im Stil der späten Sechziger Jahre nicht so einfach und gut getarnt mitführen wie die hemdentaschentaugliche Minox ML. Die Gattung Meßsucherkamera ist bis auf dieses liebenswerte Fossil in der besprochenen Preisklasse ausgestorben. Die typischen Vertreter dieser Spezies heißen Leica M4 - P und Leica M6 . Auch die taschenkleine Olympus XA besitzt zwar ebenso wie die Contax einen gekuppelten Mischbildentfernungsmesser, läßt aber im Gegensatz zur chromglitzernden Yashica 35 Electro - die es übrigens auch in einer mattschwarzen Ausführung als GTN gibt. Für einen Aufpreis von rund 200 DM bietet Yashica für diesen Kameratyp aufschraubbare mehrlinsige Tele- und Weitwinkelvorsätze an.
Das mit einer größten relativen Öffnung von 1:1,7 überaus lichtstarke sechslinsigen Normalobjektiv der Electro verwandelt sich mit dem Televorsatz zu einem 85er, der Weitwinkelvorsatz macht es zu einem 35er. Die klassische Reportage-Ausrüstung wäre damit perfekt.
Das leise Auslösegeräusch läßt selbst Leica-Fans aufhorchen. Bei Leitz kostet eine vergleichbare Ausrüstung nicht rund 500,- DM, sondern mühelos bei der M 4-P 5000 DM. Die Praxis zeigte, daß man mit den "Mutaren" zur Yashica gut zurechtkommt. Die Bildqualität ist ordentlich, geringfügiges Abblenden empfiehlt sich. Der mitgelieferte Aufstecksucher erleichtert die Bildkomposition mit dem Zeitautomaten.
Der eingebaute CdS-Belichtungsmesser signalisiert über orange und rote Ampelpfeile auf der Kameraoberseite und im Sucher, in welche Richtung man den Blendenring drehen muß, um im Zeitenbereich der Kamera zu bleiben. Leider erfährt der Fotograf nicht, welche Verschlußzeit die Kamera gerade bildet. Die Yashica Electro ist eine liebenswerte Kamera für Leute, die das Besondere möge, ohne besonders viel dafür zahlen zu müssen.
Typ 4: ÜBERLEGENES MITTELFORMAT ZUM DISCOUNTPREIS
Das gleiche gilt auch für den Mittelformat-Oldtimer von Yashica, die Mat 124 G. Schon in der Mittelformat-Kaufberatung im letzten COLOR FOTO hinreichend gewürdigt, stellt sie das preiswerteste Mittelformat-Angebot mit eingebautem Belichtungsmesser dar. Die Schärfeleistung des vierlinsigen Tessar-Typs überzeugt in Zusammenarbeit mit dem großen Bildformat von real 58x58 mm. Das Resultat kann sich sehen lassen: Gestochen scharfe, farbsatte Dias, die auch ohne Projektor in schwarzen Passepartouts phantastisch wirken, jedenfalls verglichen mit den üblichen Kleinbilddias. Die Verarbeitung der Kamera entspricht in manchen Dingen dem Preis. So gehen Verschlußaufzug und Filmtransport nach der bewährten Doppelschwungmethode nicht ganz so leicht und geräuscharm wie einst bei der zweiäugigen Rollei, als Zweitkamera zu einer vorhandenen Kleinbild-Spiegelreflexkamera für besondere Anlässe (Landschaft, Porträt oder Stilleben) füllt sie eine echte Marktnische und auch derjenige, der sie ausschließlich benutzt, wird Freude an den Bildern haben. Nahvorsätze und Filter bietet Kyocera überdies wie bei der Kleinbild-Yashica feil.
Typ 5: DAS FOTOGRAFIER-NOTIZBUCH
Das andere Formatextrem unter den sieben Kameracharakteren markiert die Minox EC, die kleinste vollwertige Kamera der Welt. Sie versteht sich als modernere vereinfachte Version der klassischen Kleinstbild-Minox, die heute noch von der teuren LX verkörpert wird. Dafür muß der EC-Fotograf allerdings auf das Leichtmetallgehäuse und die Entfernungseinstellung (bis 20 cm) verzichten. Die wegen des enormen Schärfentiefebereichs des 1 :5,6/15 mm-Fixfokus-Objektivs auch mit Recht entbehrlich erscheint, jedenfalls bis zur vorgesehenen Einstellgrenze von 1 Meter. Trotzdem bleibt auch die EC im mattschwarzen Kunststoffgehäuse ein attraktives Stückchen, unbeschwerter läßt sich wohl kaum fotografieren. Der elektronisch gesteuerte Zentralverschluß von 1/500 bis 8 Sek. sorgt in Kombination mit einem CdS-Fotowiderstand für automatisch richtig belichtete Bilder. Ein bißchen sollte sich der EC-Fotograf allerdings trotz aller technischen Finessen in der Motivwahl an das winzige Format anpassen. Ähnliches gilt auch für den Benutzer der Polaroid-Image. Nahaufnahmen bis ca. fünf Meter versprechen die besten Ergebnisse, bildgestalteterisch sollte man ruhig einen Vordergrund einplanen. Satte, kräftige Farben beim Motiv lenken vom Korn beim höherempfindlichen Filmen (EC bis ISO 400/27xGRADx)ab. Weite Landschaften eignen sich nicht so sehr, das trifft auch für Motive mit großen homogenen Flächen zu. Die Schnappschußfotografie ist die eigentliche Domäne sowohl der Kleinstbild- als auch der Sofortbildfotografie. Die Minox EC eignet sich darüber hinaus als ausgezeichnetes fotografisches Notizbuch. Es fällt leicht, sie immer dabei zu haben und ein simpler Blitzwürfel mit entsprechendem Adapter macht sie auch für Innenaufnahmen tauglich.
Typ 6: PUR SCHNAPPSCHÜSSE: DIE SOFORTBILDKAMERA
Die Polaroid Image, in diesem Jahr als Spectra auf der PMA in Las Vegas präsentiert, läutete eine neue Epoche der Sofortbildfotografie ein. Abkehr vom Spiegelreflexprinzip, das neue rechteckige Format auf neuem hochauflösenden Film und mehr kreative Möglichkeiten dank Effektfiltern bei erheblich vermindertem Preis gegenüber der bisherigen 680 SLR. So lauten die Errungenschaften der Bostoner Ingenieure, auf einen Nenner gebracht. Erhalten blieben dem Polaroid Freund der hohe Filmpreis und die recht klobige Form des futuristischen eingekleideten Kameragehäuses. Polaroid Image und Minox EC spielen eine glänzende Rolle als Zweitkameras für engagierte Fotografen, die schon eine Spiegelreflex-Ausrüstung
Typ 7: DIE UNIVERSELLE SPIEGELREFLEXKAMERA MIT STANDARDZOOM
Die preisgünstige Form, eine solche zu erwerben, offeriert zweifellos eine Exakta HS-2 mit dem Zoomobjektiv 3,5-4,5/35-70 mm. Ganze 399,- DM teuer, erfüllt sie schon beinahe alles, was ein junges Spiegelreflex-Fotografen-Herz begehrt. Dank problemlosem Nachführbelichtungs-Meßsystem über Leuchtdioden ist die Kamera von geübter Hand fast so schnell zu bedienen wie ein Blendenautomat, wenn man die Zeit vorwählt und die Blende nachführt. Die 2000stel Sekunde des Metall-Schlitzverschlusses verbreitet einen Hauch High-Tech. Das Zoom 35-70 mm reicht vom Weitwinkel bis zum leichten Tele und ermöglicht bereits zum Einstiegspreis das Gestalten mit Brennweiten. Ohne viel Ballast, ohne Objektivwechsel und ohne Lichtprobleme ab einer verwendeten Filmempfindlichkeit von ISO 200/24xGRADx aufwärts. Nicht zuletzt entscheiden sich deshalb so viele Exakta-Fans für das Zoom-Set: Dazu Miranda-Geschäftsführer Helmut Gruschke: "Bei einem Aufpreis von nur 50,- DM nimmt kaum einer das Normalobjektiv." Zweifellos muß der Fotograf bei dieser Wahl innerhalb der sieben Kameraphilosophien die wenigsten Kompromisse eingehen, ganz zu schweigen davon, daß der Ausbaufähigkeit eines K-Bajonett-Systems kaum Grenzen gesetzt sind.
Der Vergleich der sieben Kameraprinzipien bis 400 Mark zeigt eins ganz deutlich. Wer sich mit diesem Geld den Einstieg in die Fotografie verschaffen will, kann je nach Charakter und Grad der Ambition unbedenklich zum Exakta-Set, zur Minon-LM, zu den beiden Xashicas und mit Einschränkungen zur Ricoh FF-70 greifen. Die Polaroid Image und die Minox EC machen großen Spaß, den größten als Zweitkamera.
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