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Artikel

1998

Kameras

Canon EOS 50

Da kommt Freude auf

Die Canon EOS 650 ist eine Kleinbild-Spiegelreflexkamera mit Schärfenautomatik, verschiedenen Belichtungsautomatiken inkl. TTL-Blitzautomatik, motorischem Filmtransport vor- und rückwärts. Die Kamera kann sowohl von Anfängern als auch von solchen Fotografen genutzt werden, die bereits tief in die Materie "Fotografie" eingedrungen sind.

Endlich ist sie da die echte Autofokus Spiegelreflex von Canon, nachdem die T80 nur signalisieren konnte, daß Canon nicht ganz abseits steht. Mit schneller Schärfenautomatik, gelungenem Design und ganz neuem Bajonett läutet die EOS 650 für Canon eine neue Epoche ein - geradezu rechtzeitig übrigens zum 50. Geburtstag von Canon. Herzlichen Glückwunsch!

Nichts ist vollkommen, und da man das weiß, sucht man auch bei der neuen Canon EOS 650 nach den Macken, die sie einfach haben muß. Und da zu finden pflegt, wer nur lange genug sucht, wird man auch bei der Canon EOS 650 fündig. Da fehlt in der Grundausstattung beispielsweise der Anschluß für einen Fernauslöser (kann aber nachgerüstet werden), da fehlt beispielsweise ein Verschluß für das Okular, das sich auch nicht auf verschiedene Sehstärken einstellen läßt (es sei denn, man verwendet nach alter Väter Sitte eine Aufstecklinse), da gibt der Name Rätsel auf und da fragt man sich, warum man nach diesem wunderschönen T90-Body der EOS 650 ein kantigeres Gewand mit auf den Lebensweg gegeben hat. Bei näherer Betrachtung zeigt sich dann aber, daß all diese Macken keine sind, daß man sich ihrer nur bedient, um zeigen zu können, daß man auch bei dieser Kamera Macken gefunden hat. Wenn dieses Stadium erreicht ist, beginnt die Canon EOS 650 den Spaß zu machen, den man von Anfang an in ihr gefunden hat, den man aber - da auf Macken-Suche - nicht genießen konnte.

GRÜNE WELLE

Grund zur Freude gibt es von vielen Seiten. Das fängt beim Hauptschalter an, der sich bequem von der arretierten "L"-Stellung (L = Lock = Gesperrt) auf ein grünes Viereck verdrehen lobt, wodurch all die anderen Knöpfe und das einzigartige Einstellrad überflüssig geworden sind. Der Fotograf darf drehen und drücken nach 
Herzenslust - nichts geht mehr, die Kamera läßt sich nicht mehr in den Kram pfuschen. Sie sorgt jetzt automatisch für alles: für die Scharfstellung, für die Belichtung, für den Filmtransport- und wenn ein eingeschaltetes Speedlite 300 TL oder eines der EZ-Serie im Sucherschuh steckt auch dafür, daß der Blitz das Motiv, TTL-gemessen und -gesteuert, richtig aufleuchtet.
DER MOTOR HAT DEN BOGEN RAUS
Die automatische Scharfstellung ist kontrastabhängig und braucht zumindest ein bißchen Licht, um den Kontrast erkennen zu können. Auch Canon ist es nicht gelungen, ein aktives Meßsystem für eine Spiegelreflex zu entwickeln, das dem Fotografen auch dann fokussieren hilft, wenn er mitten in der Nacht eine dunkelgekleidete Gestalt fotografieren möchte.
Aber immerhin spricht das Autofokussystem schon bei Lichtwert 1 an, manchmal sogar bei Lichtwert 0, und das heißt, daß die Schärfe auch dann noch automatisch eingestellt werden kann, wenn man mit bloßem Auge schon deutliche Schwierigkeiten hat, zwischen scharf und unscharf zu unterscheiden, und mit einem ASA 100-Film und einem 1,4er Objektiv bei ganz offener Blende eine Belichtungszeit von 1/2 Sek. oder 1 Sek. braucht, um zur richtigen Belichtung zu kommen, das sorgt für Freude seitens des Fotografen. Daß ein spezieller Meß-Sensor namens BASIS die Grundlage für diese AF-Meldung ist, sei hier nur nebenbei bemerkt.
Spaß am Umgang mit der Canon EOS 650 bringt auch der Autofokus-Motor, der bei Canon seinen Platz nicht im Kameragehäuse hat. Er sitzt - die Bezeichnung "Power-Eye", was respektlos schon mal mit Kraft-Ei übersetzt werden kann, weist darauf hin - in jedem Objektiv und er sitzt in jedem Objektiv an der richtigen Stelle, so daß seine Kraft optimal für die Linsenverschiebung zwecks Scharfstellung genutzt werden kann.
Ob die vielgerühmten Ultraschallmotoren tatsächlich so schnell und leise sind, wie es Canon allerorten verkündet sei dahingestellt, bis eines der Objektive mit einem solchen Motor leibhaftig zu haben sein wird. Die Bogenmotoren aber, die in den bisher vorgestellten Objektiven arbeiten, tun dies leise und ausgesprochen schnell, ohne aus den Objektiven bauchige Gegenstände zu machen, wie das bei den T80-Objektiven der Fall war (die übrigens mit der EOS 650 nicht verwendet werden können, ebensowenig wie die FD-Objektive, die ihre Qualitäten an den weiter verfügbaren T-Modellen unter Beweis stellen können).

SCHÄRFENZONE AUS DEM COMPUTER

Natürlich kann auch bei der Canon EOS die Autofokus-Funktion in zwei Varianten abgerufen werden, genannt "ONE SHOT" und "SERVO", aber da ist für den Kenner der Autofokus-Szene nichts, was besonderen Spaß verspricht. "ONE SHOT" heißt einfach daß die Kamera die Schärfe einstellt, sobald der Auslöser halb durchgedrückt wird (der Druckpunkt ist übrigens deutlich zu fühlen), und daß die Einstellung gespeichert wird bis der Auslöser entweder ganz durchgedrückt wird (Belichtung) oder bis eine neue Messung erfolgt. Zusammen mit der Entfernung wird auch die Belichtung gespeichert als Zeit/Blendenpaar bei Programmautomatik, als Belichtungswert bei Zeit- und Blendenautomatik.
"SERVO" ist seit der T80 die Canon Bezeichnung für die Schärfennachführung, das heißt, für eine Betriebsart, bei der die Kamera die Schärfe gegebenenfalls so lange neu auf das Motiv im Meßfeld ausrichtet, wie der Finger auf dem Auslöser liegt.
Im ersten Fall kann nur ausgelöst werden, wenn die Canon EOS 650 eine erfolgte Scharfstellung verzeichnen konnte, im zweiten Fall kann jederzeit ausgelöst werden, manchmal ist ein unscharfes Bild besser als gar keines.
Erfolgte Scharfstellung wird in beiden AF-Betriebsarten durch das Aufleuchten eines grünen Punktes im Sucherdisplay angezeigt, blinkt dieser Punkt hektisch, so kann mit der automatischen Scharfstellung nicht gerechnet werden. Auch das ist nichts besonderes.
In beiden AF-Betriebsarten gibt es aber etwas anderes Besonderes, etwas, das nicht nur Spaß macht, sondern ungeheuren Spaß, die Schärfenzonen-Automatik nämlich, die allerdings nicht über den AF-Umschalter gewählt wird, sondern mit Hilfe der Belichtungs-Betriebsarten-Wahltaste, und das hat einen guten Grund. Aber der Reihe nach.
Man drückt also zunächst die "MODE"-Taste links vom Prismensucher und dreht so lange am zentralen Einstellrad, bis im Display das Wort "DEPTH" auftaucht (für Schärfentiefe, Schärfenzone). Danach überlegt man, von wo bis wo das Motiv eigentlich scharf abgebildet sein soll und visiert anschließend die vordere Grenze der gewünschten Schärfenzone mit dem AF-Meßfeld an. Danach drückt man den Auslöser zum Druckpunkt und sieht im (ausgezeichneten) LED-Display unter dem Sucherbild die Anzeige "dEP 1", was dank des fehlenden zweiten "P"s auch im bayerisch-österreichischen Raum nicht zu Beleidigungsklagen gegen Canon führen dürfte. Als nächstes visiert man die hintere Grenze der Schärfenzone an, tippt wieder auf den Auslöser und sieht im Sucher als Quittung "dEP 2" aufleuchten. (Wer möchte, kann auch zuerst hinten und dann vorne messen!) Tippt man den Auslöser danach ein drittes Mal an, so sieht man eine Verschlußzeit und eine Blende aufleuchten.
Was ist passiert? Ganz einfach: Die Canon EOS 650 ermittelt aus der ersten und zweiten Schärfenmessung die Ausdehnung der gewünschten Schärfenzone. Gleichzeitig stellt sie fest, welche Brennweite das Objektiv hat oder auf welche Brennweite ein Zoom gerade eingestellt ist, denn auch die EF-Objektive zur Canon EOS 650 verfügen über einen Mikroprozessor, der Daten mit dem Haupt-Mikroprozessor im EOS-Gehäuse austauscht. Aus Ausdehnung der Schärfenzone und Brennweite errechnet die EOS 650 in Windeseile die nötige Blende, die als Grundlage für die Belichtungssteuerung dient, die die passende Verschlußzeit einsteuert. Mit anderen Worten: aus der EOS 650 wird im "DEPTH"-Programm ein Zeitautomat nach Schärfenzonen-abhängiger Blendenvorwahl.
Natürlich kann das nicht immer reibungslos funktionieren wenn die angestrebten Werte irreal sind.
Mit der DEPTH-Einstellung läßt sich übrigens auch mit selektiver Schärfe sehr gut arbeiten - man mißt zweimal denselben Motivpunkt an, und die Kamera weiß, daß die Schärfenzone so eng als möglich sein soll. In diesem Fall ist es aber ebenso sicher, mit der Blendenvorwahl der Zeitautomatik zu arbeiten, denn bekanntlich bringt die größte Blende die kleinste Schärfenzone.

SPOTMESSUNG ÜBER DEN DAUMEN

Die Zeitautomatik ist eine der Belichtungsautomatiken, die anderen sind die Blendenautomatik und die Programmautomatik, die ihrerseits in drei Varianten angeboten wird. Allerdings hat man keine Chance, auf die Programmwahl Einfluß zu nehmen, sie findet unter Ausschloß des Fotografen in Abhängigkeit von der Brennweite statt.
Die Vorarbeit für die Belichtungsautomatiken, zu denen sich noch die Nachführmessung gesellt, leistet im Normalfall eine für Canon neue Art der Belichtungsmessung: die Mehrfeldmessung mit deutlicher Mittenbetonung. Die Canon Ingenieure gingen dabei von der logischen Voraussetzung aus, daß beim Umgang mit einer AF-Kamera im Moment der Entfernungs- und Belichtungsmessung immer das Motivteil in der Bildmitte zu finden ist, auf das der Fotograf den größten Wert legt.
Ein zweiter Zentrumsbereich, der die kreisförmige Meßzone der Bildmitte ringförmig umgibt wird bereits schwächer bewertet als die Mitte, vier Randzonen wiederum schwächer als der Ring. Zeigt sich, daß das Motiv in der Bildmitte helligkeitsmäßig deutlich von den Randzonen abweicht, so wird der Messung in der Bildmitte der Vorzug gegeben und diese Daten zur Belichtung herangezogen. Im Gegensatz zu den fünf Meßfeldern der Nikon AF sind es also sechs Felder bei der Canon EOS 650, ob sechs Felder besser sind als fünf, wird ein direkter Vergleich zeigen müssen.
Die Betonung des Zentrums muß aber nicht der Entscheidung der Kamera überlassen werden - wer möchte, kann jederzeit per Daumendruck die Randzonen des Belichtungsmessers wegschalten und genau das anmessen, was ihm wichtig erscheint. Mit der Spotmessung verbunden ist - T70- und T90-Kennern kann es nicht verwundern - die Speicherung der Belichtung, und zwar auch hier als Zeit/Blendenpaar bei Programmautomatik und als Belichtungswert bei Zeit- und Blendenautomatik. Mit anderen Worten: Man kann nach der Spotmessung jederzeit die Zeit/Blendenkombination in den Betriebsarten "Av" und "Tv" noch verändern, es ändert sich aber nichts mehr daran, daß die Belichtung für das angemessene Hauptmotiv angemessen ausfallen wird.
Wer will, kann nach der Spotmessung auch noch die Entfernung neu festlegen - anders als bei der Speicherung der Entfernung in der "ONE SHOT" Betriebsart.
Spaß in Hülle und Fülle verspricht auch der Blitz - zwar fehlt die Blitz-Spotmessung, die mit dem Speedlite 300 TL an der T90 möglich war, dafür gibt es aber die Möglichkeit für Stroboskop-Effektaufnahmen mit dem Speedlite EZ 420, aber das ist eine andere Geschichte.

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