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Artikel
1998
Kameras
Die Olympus OM-Story
Anatomie eines Welterfolgs
Vor 15 Jahren feierte eine wahrhaft sensationelle Kamera Premiere. Auf der photokina 1972 debütierte die damals kleinste und leichteste Spiegelreflexkamera der Welt, die Olympus OM-1. Das Erstaunliche: anderthalb Jahrzehnte später gibt es diese Kamera noch immer! Für Olympus ist die OM-1 ein Meilenstein in der Firmengeschichte und Grundstein für ein ganzes Kamerasystem, das OM-System.
Die Taufe des neugeborenen Wunderkindes, das den Namen seines Vaters tragen sollte, verlief leider nicht ganz harmonisch. Olympus M-1 sollte die neueste Schöpfung des Olympus Chefkonstrukteurs heißen, M wie Maitani, und die erste Serie dieser Kamera trug stolz diese Gravur. Doch rief diese Absicht die Firma Leitz in Wetzlar auf den Plan. Nur sie pflegten ihre Kamerakinder "M" zu nennen und eine Zahl anzufügen. Leitz intervenierte heftig, machte alte Namensrechte geltend. Die Olympus M-1 durfte sich fortan nur zusammen mit Vornamen anreden lassen: Olympus OM-1, Olympus Maitani, die Erste also.
Eine Welle der Euphorie brach ob des Erscheinens dieser Kamera in der Fachpresse los. COLOR FOTO schrieb im Normtest Heft 9/1973 "vorzügliche feinmechanische und optische Eigenschaften". Besonders gelobt wurde im Test "die weiche Verschlußauslösung, die bei Spiegelreflexkameras Maßstäbe setzt".
Auch heute noch, 15 Jahre nach ihrem Debüt, vermag die Olympus OM- 1 gleichermaßen zu faszinieren. Ihre solide Ganzmetallkonstruktion überzeugt im täglichen Gebrauch ebenso wie ihre fast niedliche Kompaktheit. Olympustypische Schrullen wie der Blendenring vorne am Objektiv und der "Verschlußzeitenknopf", an dem man in Wahrheit die Filmempfindlichkeit einstellt, gehen einem schon nach kurzer Zeit in Fleisch und Blut über. Der Verschlußzeitenring sitzt vorne am Bajonett. Bei angesetztem Objektiv fühlt man sich beinahe an eine Zentralverschlußkamera erinnert.
Die OM- 1 blendet nicht mit Extravaganzen in der Ausstattung. Sie beschränkt sich auf das Wesentliche. Schon 1972 kritisierten ketzerische Fachleute an ihr, daß sie von einer neuen Olympus eine elektronische Verschlußsteuerung mit Zeitautomatik erwartet hätten. Die OM- 1 verzichtet darauf. Sie läßt den Fotografen Zeit oder Blende nachführen bis die Meßnadel im Sucher in eine kleine Kerbe zwischen Plus und Minusmarkierung zeigt. Der Sucher ist kein Kontrollzentrum, weder die Zeit noch die Blende werden angezeigt, dafür sieht der Fotograf 97 Prozent des tatsächlichen Bildformats. Eine Zahl die 1972 noch die Fachwelt aufhorchen ließ. Ebenso wie der sanfte Verschlußablauf der in Verbindung mit dem pneumatisch gedämpften Spiegelschlag für ein unerhört leises Auslösegeräusch sorgt. Doch bei aller Kompaktheit fand sich im OM-1 Gehäuse noch Platz, professionelle Ansprüche zu befriedigen. Yoshihisa Maitani dachte an eine Spiegelarretierung ebenso wie an 14 auswechselbare Sucherscheiben. Den Rückspulschalter brachte der Olympus Chefkonstrukteur dort unter, wo er bei Motorbetrieb garantiert nicht stört nämlich an der Frontseite. Auch der Bajonettdurchmesser fiel im Vergleich zur Gehäusegröße, es mißt gerade (mit Standardobjektiv 1,8/50 mm) 136x83x8l mm, erstaunlich groß aus, um lichtstarken Objektiven Halt und Lichteinfall zu gewähren.
ZEHN GRAMM MEHR SCHAFFEN EINE NEUE KAMERA
Die Zusatzbezeichnung "1" deutete bei der ersten Olympus Bajonett-Spiegelreflexkamera bereits darauf hin, daß sie nicht alleine bleiben würde. Der Anfang der Siebziger Jahre zu beobachtende Trend zur Belichtungsautomatik, insbesondere zur Zeitautomatik nach Blendenvorwahl, machte eine elektronische Modellvariante zur mechanischen OM-1 notwendig, die auch schon über ein reaktionsschnelleres Silizium-Meßsystem verfügen sollte. Yoshihisa Maitani wollte bei dieser Neukonstruktion das OM-Grundgehäuse mit seinen äußerst kompakten Maßen beibehalten, was ihm mit der 1975 vorgestellten OM-2 auch gelang. Maitani trieb es mit der Ähnlichkeit von OM-1 und OM-2 so weit, daß er sie wie Zwillinge aussehen ließ. Eigentlich beinhaltet die OM-2 quasi eine OM-1, denn in Manualstellung des Hauptschalters arbeitet auch die OM-2 nach dem Nachführprinzip. Der gleiche Abgleichzeiger wie bei der OM-1 wird dann im Sucherbild sichtbar. Die zehn Gramm Mehrgewicht gegenüber der OM-1 legte Maitani sehr gewinnbringend an, der Olympionike verzichtete lediglich auf die Spiegelarretierung des billigeren Einstiegsmodells in das OM-System. Billig war besonders in jenen Jahren um 1975 ein relativer Begriff, denn bereits die OM-1 kostete in Grundausstattung annähernd 1000 Mark.
In den 10 Gramm Mehrgewicht steckte nach Art des Hauses wieder eine kleine technische Revolution, die den anspruchsvollen Namen autodynamische Meßsteuerung trägt. Sie sollte später Wesensmerkmal aller elektronisch gesteuerten Olympus-Spiegelreflexkameras werden. Das Patent, ursprünglich bei Pentacon in Dresden entwickelt, dann von Minolta erworben und von Olympus in der OM-2 erstmals realisiert und perfektioniert, nahm den Begriff Fotografie als Momentaufnahme exakt wörtlich. Denn im Gegensatz zur herkömmlichen Speichermessung, die einmal ermittelte Verschlußzeit bis nach der Aufnahme festhält, reagiert die autodynamische Meßsteuerung noch auf Lichtveränderungen, wenn der Spiegel bereits hochgeklappt ist. In der Einstellphase bestimmen zwei CdS-Zellen die zu erwartende Verschlußzeit. In der Meß- und Belichtungsphase schließt die Blende, der Spiegel klappt hoch. Die ADM-Sensoren messen auf dem Computogramm des ersten Verschlußvorhangs ein aus rund 10000 typischen Fotos komponierten Idealbild der Filmdichte und dann bei längeren Zeiten als 1/60 Sek. weiter auf der Filmschicht und steuert so die Belichtung noch während der Aufnahme. Abfallprodukt der ADM-Messung ist die TTL-Blitzsteuerung erstmals bei der OM-2 mit dem Blitzgerät "Auto-Quick" verwirklicht nimmt sie die Angst vor der Ungewißheit falsch belichteter Blitzaufnahmen. Bis zu neun Blitzgeräte vom Typ T-32 steuert die spätere OM-2N dabei gleichzeitig. Die Makrofotografie lag Maitani bei der Konzeption des OM-Systems besonders am Herzen. Das Zubehörprogramm von Olympus gibt nahezu alle Antworten auf Fragen, wie man kleine Dinge groß abbilden soll. Gerade in diese Olympus-Philosophie, die vielleicht aus der Tradition des größten Mikroskopherstellers der Welt resultiert, paßt die autodynamische Meßsteuerung vorzüglich. Denn statt mit Tabellen oder Verlängerungsfaktoren umständlich zu hantieren, mißt die OM-2 zuverlässig direkt das auf den Film fallende Licht, bei längeren Verschlußzeiten als 1/60 Sek.
Störlichteinfall durch das Sucherokular können Brillenträger nun endlich vergessen. Erst später integriert Olympus das Spotmeßsystem mit der OM-4, der OM-3 und der OM-2-Spot-Programm in die Olympus-Philosophie des Spiegelreflexkamerabaus, späte Renaissance der Speichermessung in friedlicher Koexistenz mit ADM.
Aus Marketinggründen lag es nun nahe, zu den anspruchsvollen und teuren Kameras OM-1 und OM-2, die professionelle Möglichkeiten bieten, eine Economy-Reihe zu schaffen, die amateurgerecht ist. Auf die autodynamische Meßsteuerung als Olympus-Aushängeschild wollte Chefkonstrukteur Maitani nicht verzichten. Das Ergebnis hieß Olympus OM-10 und kam 1980 heraus, von der Ausstattung her wesentlich vereinfacht, bot sie keine manuelle Einstellmöglichkeit. Einen sogenannten Manual-Adapter gab es als Zubehör. Erst die OM-20 holte die Manipuliermöglichkeit von Hand ins Gehäuse. Die Zeichen der aufziehenden Autofokus-Zeit erkannte Olympus schon 1983 mit der OM30. In Verbindung mit einem Autofokus-Zoom, einem Winder und einem Steuerungskabel namens Trigger Cord bot die OM-30 bereits eine vollautomatische Scharfstellung.
OM-EVOLUTION
Die OM-Kameras mit zweistelliger Ziffer sind allerdings lediglich als Ableger des klassischen OM-Systems zu sehen, auch die OM-707 gehört zu dieser Gruppe der Verwandten zweiten Grades. Die technischen Meisterleistungen vollzogen sich bei Olympus immer bei den Weiterentwicklungen von OM-1 und OM-2. Auf der PMA 1983 in Las Vegas wurde der Vorhang zum nächsten OM-Akt geöffnet. Optimale Belichtungsmessung als Olympus-Maxime konnte bei den Modellen OM-3, als mechanische Kamera auf der OM-1 basierend, und OM-4 weiter verwirklicht werden. Die fehlende Spotmessung als Schwäche der OM-2 erkannten die Olympus Konstrukteure und statteten die OM-4 und die OM-3 mit einem raffinierten Multispot-Meßsystem aus, mit dem sich bis zu acht verschiedene Bildpartien gezielt anmessen lassen. Der Kameracomputer errechnet dann aus diesen Einzelmessungen den idealen Belichtungswert für die Aufnahmesituation. Zusätzlich kann der Fotograf die Licht- oder Schattenpartien im Bild noch verstärken, indem er die Shadow- oder Highlight-Taste aktiviert. Die OM-2 SP, 1985 als logische Weiterentwicklung des Erfolgsmodells OM-2 vorgestellt, besitzt nur eine einfache Spotmessung. Das Meßfeld wird im Sucher durch den Mikroprismenkreis begrenzt. Vorläufiger Höhepunkt im OM-System ist die OM-4 Titan, 1986 auf der photokina lanciert. Eine luxuriöse Variante der OM-4 mit Titangehäuse.
15 Jahre OM-System, ein einzigartiges Beispiel für Modellkonstanz. Die OM-1 ist fast unverändert im Programm, konstruktive Elemente wie der Textilverschluß und die außergewöhnliche Kompaktheit gelten noch heute. OM-1 und OM-2 revolutionierten die Idee der Spiegelreflexkamera, OM-3 und OM-4 perfektionierten die Urmodelle in einer sanften Evolution, ohne die Maitani-Idee von der kompakten und leichten Spiegelreflexkamera zu verraten.
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