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Artikel
1998
Kameras
Exklusivtest Canon EOS 3
Weltrekord: 45 AF-Sensoren
Lange wurde über die Canon EOS 3 und ihre Ausstattung gerätselt, spekuliert. Aus den Fingerübungen der Entwicklungsingenieure ist nun eine geballte Faust mit der Canon kräftig auf den sonst gut gedeckten Tisch des Marktes klopfen will. Wir haben die Kamera mit 45 AF Sensoren exklusiv für Sie getestet.
Nach der Markteinführung der Nikon F5 schien die Diskussion um das schnellste und beste Autofokus-System zugunsten der F5 vorerst beendet zu sein. Daß eine Antwort vom Marktführer kommen mußte, war zu erwarten. Daß sie aber unterhalb der absoluten Topebene (der F5 entspricht die EOS 1N) so gewaltig kommt, überrascht auch Branchenkenner. Denn die EOS 3 nimmt den Stellenwert einer Palastrevolution im eigenen Haus ein, in dem ja die Technologien der Zukunft, wie Augensteuerung und elektronischer Bildstabilisator, bereits Gegenwart sind.
Die Canon EOS 3 stellt einen Weltrekord auf: Sie ist die erste Kamera mit 45 Autofokus-Sensoren, darunter sieben AF-Kreuzsensoren. Canon spricht in diesem Zusammenhang von einem Flächen-Autofokus. Und das ist kein Werbegag, denn die 45 AF-Sensoren bilden eine Fokussierfläche, die gut ein Viertel der Bildfläche ausmacht. Nun haben auch Kameras anderer Hersteller eine fast so große AF-Fläche. Aber die wird von vier (Minolta) oder fünf (Nikon) AF-Sensoren gebildet, so daß kleine Objekte "durchschlüpfen" können. Wenn man die Bildpunkte der AF-Sensoren vergleicht, arbeitet die EOS 3 mit 10724 Pixel, während die EOS 1N "nur" 382 Pixel erreicht. Die Anzahl der Pixel ist wichtig, denn das AF-Modul wandelt Licht in elektrische Signale um. Der neue CMOS-Sensor (Complementary Metal Oxyde Semiconductor) der EOS 3 kann die Signale zehnmal schneller als der BASIS-Sensor der anderen EOS Kameras lesen. Die EOS 3 ist außerdem mit einem ultraschnellen 32-bit Mikroprozessor ausgestattet (Taktfrequenz 24,576 MHz), und auch die AF-Software wurde verbessert. Das AF-System ist so schnell und leistungsfähig, daß die Schärfenachführung (AI-Servo-AF) zwischen den Einzelaufnahmen sogar bei einer Bildfrequenz von 7 Bildern pro Sekunde funktioniert (mit Booster PB-N2 mit Ni-MH-Akku-Pack NP-E2).
Die Dichte der AF-Sensoren erleichtert das Verfolgen und die Schärfenachführung bei bewegten Objekten. Während die sehr schnelle Canon EOS 1N die Schärfenachführung bis zu Objektgeschwindigkeiten von 40 km/h auf 8 Meter schafft, liegt bei der EOS 3 die Grenze bei 50 km/h auf 8 Meter. Die AF-Sensoren springen so schnell an, daß Canon die Augensteuerung bei Schärfenachführung sozusagen von Werk aus einschränken mußte. Denn durch die hohe Meßfelddichte würden die AF-Sensoren bei der geringsten Augenbewegung reagieren und die automatische Schärfenachführung stören. Folglich wird bei Augensteuerung die Schärfe mit dem zuerst gewählten AF-Sensor nachgeführt.
Die Augensteuerung ist also nur vor, nicht aber während der Schärfenachführung möglich. Mit statischem Autofokus (One-Shot-AF) funktioniert die Augensteuerung sehr gut.
Hatte die Augensteuerung bei der EOS 5 noch gewisse Kinderkrankheiten, die bei der EOS 50E auskuriert wurden, erreicht diese Technologie nun bei der EOS 3 auch im Hochformat ein Leistungsniveau, das den Einbau in eine professionelle oder Semiprofessionelle Kamera rechtfertigt. Acht um das Sucherokular angeordnete Infrarot-Leuchtdioden beleuchten das Auge. Das zurückgeworfene Infrarotlicht wird von einem verbesserten Sensor mit 7000 Pixel im Dachkantprisma analysiert, der die Pupillenlage im Bild des Augapfels erkennt und daraus die Blickrichtung ableitet. Auch die Ansprechzeit wurde deutlich reduziert, von 250 Millisekunden bei der EOS 5, über 120 Minisekunden bei der EOS 50E auf nur noch 67 Minisekunden bei der EOS 3. Die Augensteuerung ist mit einer Standardkalibrierung als Grundeinstellung versehen. Es ist aber empfehlenswert, sie auf die eigene Augencharakteristik zu kalibrieren (Pupillengröße und -lage). Während die EOS 5 und die EOS 50E mit zwei horizontalen Kalibrierpunkten ausgestattet sind, verfügt die EOS 3 über vier kreuzförmig angeordnete Kalibrierpunkte. Sie hat auch drei Kanäle für die Kalibrierung der Augendaten von drei verschiedenen Personen.
Die Augensteuerung funktioniert auch mit gewöhnlichen Brillen, Kontaktlinsen oder Augenkorrektionslinsen vom Typ ED sehr gut. Bei Brillen mit Spezialvergütung, Verspiegelung oder sehr starken Gläsern kann die Augensteuerung allerdings nicht einwandfrei arbeiten. Die AF-Sensoren können auf verschiedene Weise aktiviert werden: durch Augensteuerung, automatisch durch den Kameracomputer oder manuell.
Mit der Individualfunktion 11 kann die manuelle Wahl des AF-Sensors auf das Daumenrad gelegt werden. Der jeweils aktive AF-Sensor leuchtet auf der Sucherscheibe rot auf. Die Sensoren haben unterschiedliche Empfindlichkeiten. Die sieben vertikal angeordneten AF-Kreuzsensoren setzen sich aus einem bis Anfangsöffnung 1:2,8 empfindlichen Horizontalsensor und einem bis 1:5,6 empfindlichen Vertikalsensor zusammen. Die restlichen 38 AF-Sensoren sind vertikal angeordnet und haben eine Empfindlichkeit bis 1:5,6. Das zentrale AF-Meßfeld ermöglicht jedoch AF-Betrieb sogar bei Anfangsöffnung 1:8, was vor allem beim Einsatz von Objektiven mit Telekonvertern wichtig ist. Und auch der 2,8er Sensor kann noch bis Anfangsöffnung 1:4 seine Arbeit verrichten. An der "Arbeitsauffassung" der AF-Sensoren gibt es nichts zu bemängeln. Wir hätten jedoch die sieben AF-Kreuzsensoren nicht vertikal, sondern horizontal angeordnet, um ein breiteres, nicht eine höheres Meßfeld abzudecken.
Belichtungsmessung. Die Belichtungsmessung der Canon EOS 3 bietet High-Tech vom Feinsten. Es stehen mehrere Belichtungsmeßarten zur Auswahl: Mehrfeldmessung mit 21 Meßfeldern, mittenbetonte Integralmessung, Selektiv-, Spot und Multispotmessung. Die Selektivmessung arbeitet mit einer Meßfläche von 8,5% des Bildfeldes, die Spotmessung mit 2,4%. Das Verhältnis der Meßfläche zur Bildfläche bleibt mit jedem Objektiv unverändert. Der Meßwinkel wird aber mit zunehmender Brennweite enger, so daß auch kleinste Motivdetails gezielt angemessen werden können. Mit der Multispotmessung ist es sogar möglich, aus bis zu acht verschiedenen Einzelspotmessungen automatisch den Mittelwert zu bilden. Die Spotmessung kann zentral erfolgen oder mit der Individualfunktion 13 an das jeweils aktive Meßfeld gekoppelt werden. Auch die Mehrfeldmessung wird in Abhängigkeit vom aktiven AF-Sensor gewichtet.
Die Anordnung der Meßfelder der Mehrfeldmessung entspricht der Lage der AF-Sensoren. Sie werden wie folgt gewichtet: das Meßsegment, das mit dem aktiven AF-Sensor übereinstimmt, geht als Hauptmeßfeld in die Messung ein. Die benachbarten Meßsegmente werden als Nebenfelder gewichtet, während die übrigen Meßsegmente als Peripheriemeßfelder gelten. Das führt auch bei hohen Motivkontrasten und sogar bei mäßigem Gegenlicht zu korrekt belichteten Dias. Die TTL-Blitzbelichtungsmessung arbeitet mit der gleichen Aufteilung der 21 Meßsegmente wie die Mehrfeldmessung für Dauerlicht. Aber die Gewichtung der Meßsegmente ist eine andere. Es wird nur das dem AF-Sensor entsprechende Meßsegment als Hauptmeßfeld gewichtet, während die links und rechts anschließenden Meßsegmente als Peripheriemeßfelder berücksichtigt werden. Die anderen Meßzonen gehen in die reine Blitzmessung nicht ein.
Es ist auch eine Speicherung der so ermittelten Blitzbelichtung möglich, was eine Ausschnittsänderung erleichtert. Vor allem in Verbindung mit dem neuen Aufsteckblitz Canon Speedlite 550EX liefert die EOS 3 exzellent belichtete Aufnahmen auf Diafilm. Die E-TTL-Blitzsteuerung funktioniert mit allen EX-Blitzgeräten und sorgt durch einen Meßblitz für sehr ausgewogene, fast natürlich wirkende Blitzaufnahmen. Mit einem oder mehreren 550EX ist sogar drahtlose E-TTL-Blitzsteuerung möglich, was ein Novum ist. Manuelle Blitzbelichtungskorrekturen und Blitzbelichtungsreihen sind mit dem Speedlite 550EX ein Kinderspiel. Mit EX- Blitzgeräten können an der EOS 3 alle Verschlußzeiten bis zur 1/8000 s synchronisiert werden.
Die Belichtungsprogramme sind für die engagierte Fotografie konzipiert. Die Programmautomatik ist "shiftbar", so daß die Zeit-Blenden-Kombination bei gleichbleibendem Belichtungswert verändert werden kann. Selbstverständlich ist die EOS 3 auch mit Zeitautomatik mit Blendenvorwahl und mit Blendenautomatik mit Zeitvorwahl ausgestattet. Praxisgerecht für die Zeit- und Blendenautomatik ist die Möglichkeit, über die Individualfunktion 16 einen automatischen Override (Safety Shift) zu aktivieren: Wenn der Blendenbereich in der Blendenautomatik oder der Verschlußzeitenbereich in der Zeitautomatik für eine korrekte Belichtung mit den manuell vorgewählten Werten ausreicht, werden die manuellen Einstellungen automatisch korrigiert, was Fehlbelichtungen verhindert. Mit der Individualfunktion 6 kann sowohl in der Zeit- als auch in der Blendenautomatik die Blenden- beziehungsweise Zeitvorwahl in halben oder ganzen Stufen statt in Drittelstufen einprogrammiert werden.
Die Schärfentiefenautomatik ist eine Canon-Spezialität, mit der die Ausdehnung der Schärfentiefe durch zwei AF-Messungen genau festgelegt werden kann. Die Kamera stellt dann automatisch das Objektiv auf einen Bereich zwischen den beiden Meßpunkten scharf und steuert die Blende so, daß sich die Schärfentiefe zwischen den beiden Meßpunkten erstreckt. All das funktioniert in der Praxis ausgezeichnet. Diese Feststellung gilt auch für die zahlreichen anderen Funktionen, wie die Belichtungsreihenautomatik, bei der die Abstände der flankierenden Belichtungen im Bereich von +3 EV in Drittelstufen eingegeben werden können. Das Bedienungskonzept ist an die EOS 1N angelehnt. Schade nur, daß man bei Canon meint, die Programmwählscheibe sei nichts für Profis. Die Ergonomie der WOS 3 ist jedoch gut gelungen, die Kamera liegt ausgezeichnet in der Hand. Die Bedienelemente sind eindeutig markiert und dort plaziert, wo man sie als erstes sucht.
Fazit. Mit der technischen Kompetenz des Marktführers setzt Canon neue Maßstäbe in der Kamerawelt. Die Canon EOS 3 ist eine High-End-Kamera mit hoher Alltagstauglichkeit. Sie konnte im Test voll überzeugen und erhält die höchste COLOR FOT0-Auszeichnung, das Prüfsiegel hervorragend*****.
+ Flächen-Autofokus mit 45 AF-Sensoren
+ AF-gekoppelte Mehrfeld-Belichtungsmessung mit 21 Meßsegmenten
+ Spotmessung, an den aktiven AF-Sensor koppelbar
+ Multispotmessung mit automatischer Mittelwertbildung aus bis zu 8 Einzelmessungen
+ Schärfenachführung bei 7 Bildern pro Sekunde
+ Augengesteuerter, leistungsfähiger AF
+ 18 Individualfunktionen
+ Programmshift
+ Belichtungsreihenautomatik mit frei wählbarem Abstand der flankierenden Belichtungen
+ Hervorragende E-TTL-Blitzsteuerung
+ Blitzbelichtungskorrektur
+ Blitzbelichtungsreihen
+ Exzellenter Systemausbau
+ Zahlreiche weitere Ausstattungs-Highlights, wie z.B. Spiegelvorauslösung, in der Zeit- und Blendenautomatik Safety Shift und freie Wahl der Einstellstufen
- Auch nach akribischer Suche konnten wir nichts finden, was angesichts der Vorzüge ins Gewicht fällt.
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