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Artikel
2000
Kameras
Einäugige Spiegelreflexkamera Meteor-Reflex
Reflex-Box
Zwischen den Weltkriegen war Dresden eine Hochburg der deutschen Kameraindustrie. Viele bekannte und berühmte Firmen waren dort ansässig. Schmitz und Thienemann gehörte zu den kleinen Herstellern; manche der bekannten Nachschlagewerke erwähnen sie gar nicht. Immerhin steuerte diese Firma Anfang der dreißiger Jahre ein zeittypisches Modell zur Geschichte der einäugigen Spiegelreflexkamera bei - die "Meteor-Reflex".
Der Typ wurde auch „Reflex-Box" genannt. Die Kamera ist boxförmig, bietet aber mehr, als man normalerweise von einer Box erwartet: Ein Objektiv der Lichtstärke 1:4,5 sowie Belichtungszeiten von 1/100 bis 1/25 s und B. Der Name des Objektivs („Trioplan" von Meyer-Görlitz) deutet an, dass es sich um einen Dreilinser handelt.
Das Sucherbild ist recht dunkel. Von der Lichtstärke kann man keine Wunder erwarten, und die einfache Mattscheibe lässt nicht allzu viel Licht durch. Außerdem gibt es keinerlei Abblendhilfe. Wenn man mit kleiner Blende fotografiert, ist kurz vor der Aufnahme der Sucher fast dunkel. Immerhin schützt der lederne Lichtschacht vor Seitenlicht. Er lässt sich zusammenfalten und verschwindet ganz unter der Abdeckklappe.
Die Kamera ist einfach, aber gut gemacht. Das Chassis besteht aus Holz, das Gehäuse aus Blech. Das erleichtert die Verbindung der einzelnen Teile: Holzschrauben halten die Kamera zusammen. Höchste Präzision sollte man freilich nicht erwarten, und bei den meisten Kameras dieser Machart dürften die Jahrzehnte ihre Spuren hinterlassen haben Aber wer heute eine solche Kamera erwirbt und ein bisschen bastlerisches Geschick besitzt, muss kaum mit Schwierigkeiten bei technischen oder kosmetischen Reparaturen rechnen.
Verblüffende Technik. Das Interessanteste an dieser Kamera ist der Verschluss: es ist ein Zentralverschluss im Objektiv. Er erfordert einen komplizierten Ablauf bei der Aufnahme: zum Betrachten des Sucherbildes sind die Verschlusslamellen natürlich offen, aber vor der Aufnahme müssen sie geschlossen werden, damit beim Hochklappen des Spiegels kein Licht auf den Film kommt; erst dann kann der Verschlussmechanismus seine eigentliche Aufgabe erledigen und die Lamellen kurz öffnen und wieder schließen. Aber damit noch nicht genug: Nach der Aufnahme klappt der Spiegel wieder herunter, und der Verschluss öffnet sich und gibt das Sucherbild wieder frei. Es ist geradezu verblüffend, dass die Meteor-Reflex dies alles mit einfachster Technik erreicht. Denn heutige Mittelformat-SLRs mit Zentralverschluss im Objektiv haben alle Mühe mit diesem Ablauf, und bei ihnen bleibt nach der Aufnahme der Spiegel oben. Wie funktioniert dies alles in der Meteor? Und das ist des Rätsels Lösung: Hier wird die Bewegung von Spiegel und Verschluss nicht durch vorher gespannte Federn geregelt, wie bei modernen Kameras (oder gar durch Elektromotoren), sondern durch die Kraft des Daumens. Beim Druck auf den Auslöser passiert folgendes: Die Feder, die den Verschluss offenhält, wird entlastet, die Lamellen schließen sich. Dann bewegt sich der Spiegel nach oben und deckt die Mattscheibe ab. Anschließend greift ein Stift in den Verschlussmechanismus, spannt ihn und löst ihn gleich anschließend wieder aus, so dass der Film belichtet wird. Wenn man den Daumen vom Auslöser nimmt, klappt der Spiegel herunter, und zum Schluss öffnen sich wieder die Verschlusslamellen. Ein Nachteil dieser Konstruktion ist der lange Weg, den der Auslöser zurücklegen muss, und durch einen gewissen Kraftaufwand entsteht Verwacklungsgefahr. Ein anderer Nachteil besteht darin, dass beim Hochklappen des Spiegels Streulicht durch die Mattscheibe auf den Film kommen kann, denn die Meteor hat keine zusätzliche Abdeckklappe wie moderne Spiegelreflexkameras mit Zentralverschluss.
Vielseitig einsetzbar. Man kann aber auch den Spiegel vor der Aufnahme oben arretieren und dann mit dem Rahmensucher die Kamera wie eine normale Box benutzen - bei Aufnahmen von bewegten Motiven ist dies unbedingt vorzuziehen. Auch bei Langzeitaufnahmen vom Stativ empfiehlt sich diese Technik, um Erschütterungen zu vermeiden; dafür gibt es sogar eine Einschub-Mattscheibe in der Filmebene. Die Meteor ist also durchaus vielseitig.
Die Kamera ist für Planfilm vorgesehen; die Filmkassetten finden im genormten Einschubfach Platz.
Wer die Fotografie der dreißiger Jahre nachempfinden oder einfach mal mit einer alten Kamera experimentieren möchte, wird an der Meteor sicher seine Freude haben. Dafür empfehlen sich Rollfilmkassetten, die bei Anpassungsschwierigkeiten eventuell etwas nachgearbeitet werden müssen. Einäugige Spiegelreflexkameras aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sind auf den Sammler- und Flohmärkten rar geworden. Trotzdem ist der hier gezeigte Typ - wie auch ähnliche Modelle anderer Hersteller - manchmal noch für 250 Mark zu haben.
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