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Alexander Borell Kommentar
Die Rolleiflex SL 2000 F
Mit einer rein technischen Beschreibung dieser Kleinbild-Spiegelreflex-Kamera wird man ihr nicht gerecht. Sie hat ein Vorwort verdient:
Vorwort
In den 20er Jahren bastelte sich ein Mann im Hause Leitz ein Versuchsgerät, praktisch nur eine Filmführung mit einem Objektiv. Als Film verwendete er den perforierten Kinofilm, als Bildgröße verdoppelte er das Kinoformat 18 x 24 zu 24 x 36 mm. Er wollte ursprünglich keine Leica bauen, nicht einmal eine "Kleinbildkamera". Aber es entstand aus diesem Versuch die Leica. Und seit rund einem halben Jahrhundert baut man "Kleinbildkameras" nach diesem zufälligen Vorbild: quer laufender, perforierter Film und vorne ein Objektiv. Wenn es jemals eines Beweises bedurft hätte, daß man bei dem Wort "Industrie" nicht auch an den Begriff "Fortschritt" zu denken braucht, dann wird er hier geliefert: man hat aus der Ur-Leica, - ohne das ungünstige Format 24 x 36 jemals zu ändern - eine Spiegelreflexkamera entwickelt man hat Elektronik in sie hineingestopft, auswechselbare Suchersysteme und schließlich schraubte man auch noch einen Motor dran. Die Japaner, besonders stark im Nachempfinden und totaler Perfektion, züchten heute z. T. ebenso verbaute und teilweise arbeitsunfähige "Spitzenkameras", wie sie Goldfische gezüchtet haben mit Flossen, die ihnen das Schwimmen unmöglich machen. Und das alles letztlich nur, weil niemand auf den Gedanken kam, daß man diese gesamte moderne Technik nicht mehr sinnvoll in ein Kameragehäuse aus den 20er Jahren hineinquetschen kann.
Und so gab es denn auf der photokina die echte Sensation der Kleinbild-Spiegelreflex-Kamera Rolle!. SL 2000 F, die mit der Ur-Leica endlich bricht und sowohl fototechnische Wünsche als auch moderne Elektronik in eine äußere Form gebracht hat, die bei leichter Bedienbarkeit alles bietet, was sich ein Fotograf - in einer Kamera vereint - bisher nur wünschen, aber nicht kaufen konnte: Wechselmagazine; integrierter Motor für 3 Bilder/sec.; Lichtschacht- und Prismensucher mit einstellbaren Dioptrien; diverse Sucherscheiben zum Wechsel ohne Werkzeug; Belichtungsautomatik, die bei Abblendung voll erhalten bleibt; Information mit Leuchtdioden in digitaler Anzeige neben (!) dem Sucherbild usw. Man braucht kein Rechtsextremist zu sein, um sich über diese bisher unvergleichbare Spitzenkamera zu freuen, auf der als einziger KB-SLR-Kamera steht: "Made in Germany".
Auf den ersten Blick
ist man befremdet. Diese SL 2000 F liegt zwar so gut in beiden Händen, wie eine Kokosnuß, aber eine Kokosnuß hält man sich kaum vors Auge. Man klappt daher zunächst den Lichtschachtsucher auf und stellt auf der (auswechselbaren!) Sucherscheibe ein, ohne oder mit zusätzlicher, ausklappbarer Lupe. Und man fühlt sich wohl, so wohl wie man sich früher beim Blick durch den Exakta- oder Rollei-Lichtschacht gefühlt hat. Dann hebt man sie doch zum Auge, um durch den Prismensucher zu blicken, aber irgendwie mögen das die Handgelenke nicht. Bei Rollei hat man das wohl auch festgestellt und einen Handgriff dazu konstruiert, der sich ebensogut links und rechts von der Kamera anbringen läßt, wie auch als Pistolengriff unter der Kamera, mit eingebautem Auslöser natürlich. Und mit diesem Pistolengriff wird die SL 2000 F zum fotografischen Leckerbissen: man hält sie so fest und ruhig in der Hand, daß man die 1/4 Sekunde riskieren kann.
Welche Möglichkeiten der bequemen Handhabung - mit oder ohne Handgriff - man mit der SL 2000 F hat, zeigen die vier Titelbilder oben und links.
Auf den zweiten Blick sehen Sie nun ein großes, von Technik freies Sucherbild mit einem etwas dunkler abschattierten, liegenden Rechteck. Dieses Rechteck - groß genug dimensioniert, um in sich selber nochmals mittenbetont zu messen zeigt das Feld der selektiven Belichtungsmessung an. Ob Hoch- oder Querformat, die Messung bleibt konstant. Die Sucherscheiben, mit oder ohne Einstellhilfen, sind auswechselbar.
Rechts und links vom Sucherbild leuchtet es rot auf, sobald Sie einen der beiden Kameraauslöser (rechts und links am Gehäuse!) oder den Auslöser am Handgriff bis zur deutlichen Rastung eindrücken: rechts lesen Sie in Ziffern die eingestellte Blende, links die automatisch gebildete Verschlußzeit von 1/1000 bis zu 16 Sekunden ab. Diese Zahlen sind winzig, aber erkennbar, und signalisieren immerhin mehr, als Leuchtdioden-Punkte allein neben einer Skala, die man meist auch nicht erkennen kann. Gelegentlich "flickern" sie auch ein wenig, was mit der extrem empfindlichen Meßzelle zusammenhängt. Sie können das beobachten, wenn Sie z. B. auf ein Fernsehbild einstellen: der 24malige Wechsel zwischen den Bildern wird vom Meßwerk der SL 2000 F "empfunden`, sie belichtet trotzdem richtig. Die SL 2000 F ist ein Zeitautomat, worin sie sich von einigen anderen Spitzenkameras nicht unterscheidet, denen sie übrigens auch in ihrem Meßumfang gleicht: EV 1-1 8. Das ist nicht der Gipfel des Möglichen, steht aber hinter Leitz und Nikon nicht zurück.
Die Stromversorgung
erfolgt über 5 Batterien 1,5 Volt, sowohl für die Belichtungsmessung und -Automatik, als auch für den Motorantrieb, der reichlich 3 Bilder pro Sekunde schafft. Ein mechanischer Betrieb der SL 2000 F ist nicht möglich; einige Nostalgiker werden das bedauern, aber eine Expedition in der Arktis ist ohne Strom ja auch verloren, wenn das Funkgerät nicht mehr arbeitet. Das Batteriefach ist mit einem Griff abnehmbar. Wer mit NC-Akkus arbeitet - was zu empfehlen ist! - drückt das ganze Fach auf ein spezielles Ladegerät und hat schon nach einer Stunde wieder ca. 70% Leistung zur Verfügung. Batterien schaffen ca. 450 Aufnahmen, die Akkus 1200, und wenn links oben im Sucher eine Diode "BC" aufleuchtet, reicht der Saft immer noch für ca. 1 0 Filme. Das Batteriefach ist mit einem Handgriff angesetzt und abgenommen, im Winter kann man es in der Tasche warmhalten. Externe Stromversorgung ist vorgesehen.
Das Wechselmagazin
hat's in sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist gegen Bedienungsfehler jeglicher Art gesichert: Schieber davor = keine Aufnahme möglich. Schieber im Aufbewahrungsfach = Abnehmen des Magazins unmöglich. Jedes Magazin hat sein eigenes Zählwerk, z. Z. bis 36; ein 72er Magazin wird folgen. Ebenso befindet sich an jedem Magazin die Einstellscheibe für die Filmempfindlichkeit. Schneller Magazinwechsel kann daher keine Aufnahmen verderben, weil die Empfindlichkeit des Materials automatisch von den Magazinen in die Kamera eingesteuert wird. Der Film wird mittels eines Einsatzes ins Magazin geladen; wer nur den Film wechseln will, kann den Einsatz allein herausnehmen. Ein Knebelschalter steuert die Funktionen des Magazins: Ganzes Magazin abnehmen, Filmrückspulen (mit einer echten Kurbel, keinem Kürbelchen!) und Einsatz herausnehmen. "ME"-Stellung bedeutet Mehrfachbelichtung beliebig oft, und "SE" ist für den Einzelschuß mit anschließendem motorischem Filmtransport, nach jeder Aufnahme. (ME = Multi Exposure, SE = Single Exposure).
Die praktische Arbeit
mit der SL2000 F ist denkbar einfach: Sie stellen nur den Hauptschalter, der in "0"-Stellung gerastet und arretiert ist, nach leichtem Eindrücken zur Überwindung der Sperre auf "I". Ein Blick durch den Sucher, einstellen und auslösen. Das ist alles und ergibt so - selbstverständlich nach dem üblichen Abgleich von Blende mit Zeitautomatik - Bild für Bild.
Stellen Sie den Hauptschalter auf "C" zieht der Motor seine drei Bilder in der Sekunde durch. Schließlich können Sie auch auf "B" stellen, der Verschluß bleibt dann offen, solange Sie drücken, oder Sie arretieren ihn mit dem Memo-Schalter der fingergerecht gleich neben dem Hauptschalter angeordnet ist und einmal den Meßwert speichert oder - nach der anderen Seite verstellt - den Selbstauslöser einschaltet.
Das Verschlußzeitenrad
groß und handschuhgriffig auf der Oberseite der Kamera, ist in den Stellungen "A" = Automatik und "X" = blitzsynchron 1/125 sec. arretiert. Nach Lösen der Sperre ist jede Verschlußzeit zwischen1/1000 und 16 Sekunden stufenlos (!) wählbar, um einen präzisen Abgleich bei manueller Einstellung zu ermöglichen. Es entfällt somit das lästige Nachstellen der Blende bei manueller Zeitenwahl.
Die Arbeitsblende
schalten Sie durch Drücken einer Taste an der rechten Kamerafront ein. Sie bleibt gerastet, weil Sie mit der SL 2000 F ebenso gut und ohne weitere Manipulation auch mit der Arbeitsblende nicht nur messen, sondern auch die Automatikfunktion beibehalten können! Erst ein zweiter Druck entriegelt sie wieder. Das heißt, sie können - mit dem lieferbaren Adapter-Ring! - alle M42-Objektive oder z. B. Spiegelobjektive mit der Automatik verwenden. (Auch Balgengeräte, Mikroskopansätze usw.)
Der Objektivwechsel erfolgt über die linksseitige rote Taste. Sie können Ihre SL 2000 F mit dem weltbekannten Zeiss-Objektiv-Programm bestücken, aber auch mit den preiswerten Rolleinaren.
Der Schwingspiegel
der schlaggedämpft ist und nach hinten ausweicht, ist so reichlich bemessen, daß Abschattungen auch mit den längsten Brennweiten nicht erfolgen. (Schön, wenn man in einem sinnvollen Gehäuse genug Platz für solche Technik hat!) Zudem ist seine Oberfläche hartvergütet, so daß er im Gegensatz zu den meisten üblichen Spiegeln - nicht sofort Kratzer bekommt, wenn Sie ihn mal sauber machen.
Durch das Bajonett wechseln Sie auch die Sucherscheiben, wozu Sie kein Werkzeug, sondern nur zwei Finger brauchen.
Der Lichtschachtsucher
zeigt das Sucherbild zwar aufrecht, aber seitenverkehrt, die Zeiten - und Blendenzahlen auch. Der ganze Lichtschachtsucher ist mit einem Griff abnehmbar; es wird zur SL2000 F bald auch noch andere Suchersysteme zum Einschub in den Lichtschacht geben.
Schließlich muß noch der "heiße Synchronschuh", links an der Kamera, erwähnt werden, der mit dem Rollei-Blitz Beta 5 F zur Blitzautomatik kuppelt, aber auch für jeden anderen Blitz -dann ohne Automatik - verwendbar ist. Brauchen Sie ein großes, professionelles Blitzgerät, so schließen Sie es an dem eigenen Synchro-Kontakt über Kabel an. Eine Buchse für den elektrischen Auslöser - es wird auch weitere Steuergeräte zur SL 2000 F geben! - macht diese Kamera komplett.
Nachwort
Ich kenne niemanden, der nicht auf Anhieb von dieser genialen und vielseitigen Technik der SL 2000 F fasziniert ist. Mir ging es auf der photokina nicht anders, aber ich wollte einen Kommentar erst schreiben, wenn ich 2 Dutzend Filme mit dieser Kamera belichtet hatte. Das ist inzwischen geschehen und zu meiner etwas vorsichtigen Faszination ist eine herzliche Freundschaft hinzugekommen. Sie ist keine leichte Kamera für die Tasche, sie wiegt mit Magazin, Motor und ihren fünf Batterien (ohne Objektiv!) ca. 1050 Gramm. Zum Vergleich dazu die Canon A-1 mit Winder ca. 900 Gramm, mit dem Motordrive erheblich mehr. So gesehen ist sie also doch keine "schwere` Kamera, wenn man noch bedenkt, daß sie mehr kann als alle derzeitigen KB-SLR-Kameras der Welt.
Auch der Preis für diese bis jetzt unvergleichbare Kamera hält nicht nur jeden Vergleich aus, er liegt günstiger, als erwartet: Für das Gehäuse der SL 2000 F mit Magazin und Batteriefach wird man etwa DM 1700,- bezahlen müssen, komplett je nach Wahl des Objektivs. In diesem Zusammenhang sollte man auch daran erinnern, daß alle Objektive, Zeiss und Rollei, ebenso an die Rollei SL 35 E passen, an die konventionelle und preiswerte SLR-Kamera mit dem gleichen Meßsystem, was das Arbeiten mit Arbeitsblende betrifft, Memory-Lock usw. Rollei hat mit der SL 2000 F nicht nur den Anschluß an die Spitzenklasse in der Weltproduktion wieder gefunden, sondern schlägt die konventionelle Spitzenklasse um Längen. Man ist sich in Braunschweig auch der Tatsache bewußt, daß ein ganz besonders vorzüglicher Service dieser Kamera ihre Spitzenposition bei Profis und anspruchsvollen Hobbyfotografen zusätzlich sichern wird, und man hat entsprechend vorgesorgt, daß das "Made in Germany" nicht nur eine aparte Gravur bleibt.
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