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2000

Kameras

Hasselblad XPan

Die Kamera mit eingebautem SPASSFAKTOR

+ einzigartiges Zweiformat-Konzept 
+ konkurrenzlos komfortable Panorama Option 
+ qualitativ hochwertige Verarbeitung 
+ angemessene Komfortausstattung

- eingeschränkte Systemvielfalt 
- hohes Kameragewicht 
- ungünstig platzierte Verschlusszeitenanzeige

Eine Hasselblad ist eine Hasselblad. Soviel steht fest - aber dann fängt auch schon das Rätselraten an: um eine Kamera, die so gar nicht in die traditionelle Hasselblad-Vorstellungswelt passt und von der behauptet wird, dass sie eine Mittelformatkamera für das Kleinbildformat ist. Wir haben die neue XPan für Sie in der Praxis ausprobiert.

Zur delikaten Frage, ob „echt" oder „falsch": Die XPan wird exakt so, wie sie bei uns auf dem Ladentisch steht, von Fuji gefertigt. Von der kleinsten Schraube über den Verschluss bis zu den Objektiven ist alles „made in Japan". Für Traditionalisten kommt erschwerend hinzu, dass sie in Japan zudem als Fuji verkauft wird, und dass diese japanische Fuji technisch ein identisches Abbild der schwedischen Hasselblad ist, mit einem lediglich etwas heller glänzenden Titan-Gehäuse und ohne serienmäßige Wasserwaage. Wer jetzt einen klassischen Etikettenschwindel vermutet, liegt gründlich daneben: Die XPan ist nämlich das Ergebnis einer über zweijährigen Kooperation, während der die schwedischen Techniker intensiv vor Ort in den Entwicklungsprozess eingebunden waren. Oder anders gesagt: Die XPan ist exakt so geworden, wie sie sich Hasselblad maßgeblich vorgestellt hat. Wann, ließe sich genauso fragen, ist ein Mercedes noch ein Mercedes? Die Antwort geben längst über den Globus verstreute Produktionsstätten, die allein einer Maxime gehorchen: Wo Mercedes draufsteht, muss auch Mercedes-Qualität drin sein. Insofern ist es müßig, das Thema weiter breitzutreten. Die XPan firmiert übrigens ausschließlich in Japan unter Fuji und tritt dem Rest der fotografierenden Welt als Hasselblad gegenüber. Entscheidend ist, ob die XPan dem Anspruch gerecht wird, den man an eine Kamera hat, die den stolzen Namen Hasselblad trägt. Und das lässt sich, um einem zentralen Testeindruck vorzugreifen, nur entschieden bejahen.

Die Formatfrage. Die XPan ist schon deshalb eine Kleinbildkamera, weil sie sich ausschließlich mit Kleinbild-Filmpatronen laden lässt, und zwar eine Kleinbild-Messsucherkamera, prinzipiell vergleichbar einer Leica M6 oder Contax G2. Allerdings leistet sie sich als Kleinbildkamera den Luxus lupenreiner Mittelformatobjektive, deren deutlich größeren Bildkreisdurchmesser sie in der Breite für ein zweites Belichtungsformat nutzt. Zum konventionellen Kleinbildformat 24 x 36 mm kommt wahlweise das fast doppelt so breite Panoramaformat 24 x 65 mm.
Wahlweise ist dabei wörtlich zu verstehen: Unmittelbar rechts neben dem Sucherokular sitzt ein kleiner Wählhebel, über den sich jederzeit - also von Belichtung zu Belichtung - flink das Format variieren lässt. Damit das nicht versehentlich passiert, muss man gleichzeitig mit dem Daumen einen innenliegenden Sperrknopf gedrückt halten. Mit dem Belichtungsformat wird automatisch der entsprechende Formatrahmen im Sucher deutlich (auf Leica-Niveau) sichtbar, parallel rechnet das Bildzählwerk selbsttätig auf die formatabhängige Restbildzahl um. Damit dürfte auch die zweite Identitätsfrage erschöpfend beantwortet sein: Die XPan ist eine Kleinbildkamera mit jederzeit zuschaltbarer Panorama-Option, also eine Zweiformatkamera. Damit hat sie exakt das, was sich Marketingstrategen und Werbetexter für jedes Produkt sehnsüchtig herbeiwünschen, nämlich eine absolute Alleinstellung - einen Produktnutzen, den so keine andere Kamera bietet.

Moderne Sucherkamera. Mit der bereits erwähnten Leica und Contax verbindet die Hasselblad nicht nur das Messsucher-Prinzip mit Wechselobjektiven, sondern auch so etwas wie eine grundsätzliche Philosophie in Richtung Purismus und Wert-Konservativismus, wobei die XPan konzeptionell in diesem Trio in der Mitte anzusiedeln ist, mit deutlichem Ausschlag zur Contax. Dazwischen liegt die XPan mit ihrem motorischen Filmtransport, ihrer DX-Abtastung, ihrer Zeitautomatik und - man lese und staune - ihrer „Bracketing"-Funktion für eine automatische Dreifach-Belichtungsreihe. Natürlich lässt sich die Belichtung auch manuell über eine LED-Waage im Sucher nachführen, aber auch im Automatik-Modus kann sie über einen klar definierten ersten Druckpunkt des Auslösers mühelos für den endgültigen Ausschnitt gespeichert werden. Abgerundet wird das Ganze durch eine Belichtungskorrekturmöglichkeit, so dass lediglich die beim Blick durch den Sucher nicht einsehbare LCD-Anzeige der Belichtungszeit auf dem Display der Rückwand stört. Ein ernsthaftes Manko ist freilich auch das nicht, weil ein kurzes Absetzen der Kamera mit gespeichertem Messwert genügt, um wieder voll informiert zu sein.
Ein Segen sind die vielfältigen Korrektur- und Speichermöglichkeiten übrigens auch deshalb, weil die XPan mit ihrer nur leicht mittenbetonten Integralmessung in Gegenlichtsituationen schnell zur Unterbelichtung neigt und dann den mitdenkenden bzw. korrigierenden Fotografen erfordert.
Einziger wirklicher Nachteil der neuen Hasselblad in diesem Vergleich der hochwertigen Reportage- und Reisekameras: Wiegen Leica bzw. Contax mit Standardoptik lediglich rund 750 bzw. 700 Gramm, so bringt die XPan mit Objektiv immerhin ein knappes Kilo auf die Waage. Im übrigen entpuppt sich die Kleinbildbasis mit Mittelformatobjektiven als eine attraktive Grundlage für außergewöhnliche Aufnahmen im Doppelformat: Wählt man nämlich den Panorama-Modus, so erschließt die 45-mm-Standardbrennweite (in der Breite) ein Bildfeld, wie es im Kleinbildformat nur mit einem 25-mm-Superweitwinkel zu erzielen wäre. Entsprechendes gilt für das 90-mm-Objektiv: im Kleinbildformat ein leichtes Tele, wirkt es im Panoramaformat wie ein 50-mm-Standardobjektiv.

Panorama-Option. Wer anführt, dass auch zahlreiche Kompaktkameras sowie das „Advanced Photo System" eine Panorama-Option bieten, der vergleicht Äpfel mit Birnen - zu unterschiedlich fallen die gebotenen Panorama-Qualitäten aus. Die XPan kann das alles gleichermaßen gut, und das ist letztlich das, was sie wirklich auszeichnet. Sie ist die Kamera für alle, die eine hochwertige Reise- und Reportagekamera suchen und dabei regelmäßig der kreativen Panorama-Faszination erliegen wollen. Sie ist eine Zweiformat-Kamera im besten Sinne und - gemessen am gebotenen Nutzen - durchaus preiswert. Exakt 3998 Mark will Hasselblad für das Set aus Gehäuse, Standardobjektiv plus Wasserwaage als kleinem Präsent (und in Abgrenzung zur „Fuji"), das 90er Tele schlägt mit weiteren 1200 Mark zu Buche. Unter dem Strich bleibt das angenehme Gefühl, dass der zusätzliche „Spaßfaktor" kostenlos war. Bleibt nur zu hoffen, dass Hasselblad das innovative Konzept weiter pflegt und ausbaut und beim Konzept-Partner Fuji in ausreichender Zahl ordert - denn das erste Kontingent ist bereits ausverkauft.

Fazit. Mit der Hasselblad XPan wurde ein einzigartiges Kamerakonzept verwirklicht, das eine hochwertige Messsucherkamera mit einer hochwertigen, bequem nutzbaren und vielseitigen Panoramafunktion verknüpft. Als „Nur-Sucherkamera" sehr schwer; (vorläufig) geringe Objektiv- und Systemauswahl.

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