← Zurück
Artikel
2000
Kameras
Pentax 67 II
Totgesagte leben länger
+ hoher Belichtungskomfort (mit TTL-Blitzsteuerung)
+ flexibles Wechselsucher-System
+ gute Ausstattung (Spiegelvorauslösung, Mehrfachbelichtungen)
+ sehr gute Ergonomie
+ sehr solide Verarbeitung
+ hochwertiges, umfangreiches Objektivprogramm
- stets zeitraubender Filmwechsel, da keine Wechselmagazine
- kein motorischer Filmtransport
- schlecht einsehbare Sucheranzeigen
- lange Blitz-Synchronzeit (außer mit Zentralverschlussobjektiv)
Seit exakt 30 Jahren spielt die Pentax 67 mit ihrem an Kleinbildspiegelreflexkameras angelehnten Gehäuse-Konzept eine komfortable Sonderrolle im Mittelformat. Als Pentax 67 II unterstreicht sie diesen Komfort-Anspruch mit neuen Automatik-Funktionen. Unser Praxistest klärt, wie ihr die Runderneuerung bekommen ist.
Nicht selten sind es die vermeintlichen Nebensächlichkeiten, die besonders lebhaft in Erinnerung bleiben. Pentax 67 - das war doch die mit dem Holzgriff?
Exakt 30 Jahre ist es her, als Asahi Pentax - so damals der offizielle Name - mit einer aufsehenerregenden Mittelformat-Kamera an die Kleinbild-Erfolge der legendären Spotmatic-Kameras anknüpfen wollte. Die konzeptionelle Vorgabe war damals schlicht, das Grund- und Bedienkonzept der schnellen Spotmatic möglichst nahtlos in das nächstgrößere, von Kamerawürfeln mit Lichtschachtsuchern beherrschte Format zu übertragen, um auch da eine unvergleichlich schnelle und unkomplizierte Kamera zu schaffen. Herausgekommen ist dabei eine überdimensionale Spiegelreflex, eine Spotmatic im Jumbo-Format, aber mit ansonsten vertrauter Anmutung und Bedienung. Der Prismensucher mit seitenrichtigem Suchereinblick, der Schnellschalthebel, der mit einem Schwung den Film transportiert und den Schlitzverschluss spannt, die Auslöser-Position, das griffgerechte Verschlusszeitenrad links außen, alles saß an der gewohnten Stelle und gab Kleinbild-Fotografen keine Rätsel auf. Und weil die neue Reportagekamera mächtig schwer geraten war, gab es einen Holz-Haltegriff als Zubehör, der inzwischen ähnlichen Kultstatus erlangt hat wie die Porzellanvase am guten alten Käfer-Metallarmaturenbrett. Das war 1969. Der Käfer war damals noch das Massenfortbewegungsmittel, die Beatles traten noch einträchtig zusammen auf, die Union musste zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik unter Willy Brandt in die Opposition.
Zeitlose Konzeption. So lange ist das her. Und so lange hat die Asahi Pentax 67 ohne nennenswerte Veränderungen überlebt. Ein Klassiker? Wohl wahr, bei dieser Kameralegende trifft der vielstrapazierte Begriff Buchstabe für Buchstabe ins Schwarze. Und als hätten sich die Klassiker zum munteren Revival verabredet, tritt die Pentax 67 (jetzt ohne „Asahi" und dafür mit dem Zusatzkürzel II) praktisch zeitgleich mit der Wiedergeburt des Käfers wieder ins Rampenlicht der Mittelformatöffentlichkeit. Doch während der „New Beetle" mit der luftgekühlten Heckmotor-Romantik seines Vorgängers radikal bricht, versteht sich die Pentax 67 II lediglich als runderneuerte Interpretation des Klassikers, ohne dabei das Konzept grundsätzlich in Frage zu stellen. Motto: Am Bewährten festhalten und nachbessern, was die zahlreichen Benutzer über die Jahre hinweg monierten. Das Gehäuse leicht gesoftet, die Belederung glatter und anschmiegsamer - rein äußerlich fallen vor allem der ausgeprägte Handgriff mit dem nach vorne gewanderten Auslöser, ein in das Prisma integriertes Belichtungskorrektur-Rad sowie ein Display links vom Schnellschalthebel als wesentliche Veränderungen auf.
Modellpflege. Die letztgenannten Veränderungen deuten schon an, dass sich die eigentliche Modellpflege auf zeitgemäßen elektronischen Belichtungskomfort konzentriert. Der wesentliche Fortschritt steckt in einem neuen AE-Pentaprismensucher für Nachführmessung plus Zeitautomatik sowie der Wahl zwischen Spot-, Integral- sowie Mehrfeldmessung. Der AE-Sucher muss dazu zwar eng mit einem in das Gehäuse implantierten Mikroprozessor kommunizieren, ist aber Voraussetzung für die neuen Automatikfunktionen. Mit dem Faltlichtschacht, dem starren Lichtschacht oder dem knapp geschnittenen Pentaprismensucher der alten Pentax 67, die sich mühelos über zwei seitliche Verriegelungstasten einwechseln lassen, wird die Pentax 67 II wieder in den Status einer rein manuellen Kamera ohne jede Belichtungsautomatik zurückversetzt. Der frühere TTL-Pentaprismensucher, der immerhin für Nachführmessung gut war, lässt sich übrigens an der modellgepflegten Neuausgabe nicht weiterverwenden. Das ist aber die Ausnahme, weil die 67 II ansonsten voll auf Kompatibilität setzt und vor allem Bajonett sowie Objektive unverändert beibehält. Hinzugekommen ist lediglich ein erstes (4,5/55-100 mm-) Zoom, das allerdings für diesen Praxistest noch nicht zur Verfügung stand.
Besonders stolz ist man bei Pentax auf die Sechsfeld-Messung, die bei ihrer Bildanalyse ohne die im Kleinbild üblichen Objektivdaten (Entfernung, Blende) auskommen muss, weil die vollmechanischen Objektive ohne Übertragungskontakte solche Informationen naturgemäß nicht liefern können. Zu Recht, wie zahlreiche Praxisversuche mit kritischen (Gegenlicht-) Motiven beweisen, die die Pentax 67 II ebenso wirkungsvoll automatisch korrigiert wie bewährte Mehrfeldmesssysteme in elektronischen Kleinbildkameras. Dass Spot- und Integralmessung sowie Belichtungskorrektur (± 3 Blenden) untadelig arbeiten, überrascht in diesem Zusammenhang nicht weiter. Nicht überzeugen kann allein die schlechte Einsehbarkeit der - ansonsten informativen -Anzeigen unter dem Sucherbild. Ein Sonderlob hat sich dafür der daumengerecht unter dem Schnellschalthebel platzierte Messwertspeicher verdient, der die Verschlusszeit im Zeitautomatik-Modus auf Antippen abspeichert -umständliches „Dauerdrücken" entfällt, eine vorbildliche Lösung! Erwähnenswert ist weiter, dass die 67 II nunmehr auch Doppelbelichtungen erlaubt und (mit entsprechendem Zubehör und Blitzgeräten) in der Lage ist, auch die Blitzbelichtung präzise durch das Objektiv zu messen (TTL). Nützlich macht sich die Gehäuse-Elektronik übrigens auch auf unerwartetem Terrain: statt bislang 20 Aufnahmen schafft die 67 II mit einem 220er Rollfilm jetzt 21 -dank elektronisch präzisiertem Transport.
Gesteigerter Komfort. Keine Frage, die Runderneuerung ist der Pentax grundsätzlich gut bekommen. Sie hat an Belichtungs- und mit dem angenehm ausgeformten Handgriff auch spürbar an Tragekomfort gewonnen, ohne dabei ihren Charme zu verlieren. Keine Frage aber auch, dass das Kleinbild-Konzept im Idealformat 6 x 7 cm nach wie vor polarisiert. Die extrem lange Blitz-Synchronzeit des Schlitzverschlusses (1/30 Sekunde) lässt sich auch bei der 67 II nur über ein spezielles Zentralverschluss-Objektiv kompensieren. Das Fehlen von Wechselmagazinen trübt den Komfort beim Outdoor-Einsatz nachhaltig, weil der nach zehn bzw. 21 Aufnahmen fällige Filmwechsel auch für routinierte Finger fummelig und zeitraubend bleibt. Dass nach wie vor kein Winder vorgesehen ist, kann man ihr vor diesem Hintergrund nicht einmal ankreiden.
Fazit. Am grundsätzlichen Wesen der großen Pentax hat sich mit der 67 II wenig geändert: Sie bleibt ein Spezialfall für Fotografen, die eigentlich eine Kleinbild-Reflex wollen, aber auf die überdimensionale Bildqualität des Idealformats 6 x 7 cm angewiesen sind. Zum Komplettpreis von gut 6000 Mark für Gehäuse, AE-Prismensucher und Standardoptik sollten Interessenten allerdings weitere 400 Mark addieren. So viel kostet nämlich der obligatorische Holzgriff, der dem hochwertigen Gerät endgültig zum Kultstatus verhilft.
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}