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Artikel

2000

Kameras

Contax 645

Autofokus im Würfel

+Durch Autofokus und Belichtungsautomatik sehr hoher Bedienungskomfort 
+ Gelungene Ergonomie 
+ Guter Systemausbau, einschließlich Zeiss-AF-Objektive 
+ Eingebaute Belichtungsreihenautomatik 
+ Wechselsucher 
+ Vollständige, gut ablesbare Sucheranzeigen 
+ Filmempfindlichkeitseinstellung am Wechselmagazin 
+ Durch Drehen der Filmandruckplatte 120er/220er Rollfilme einsetzbar 
+ Vorblitzmessung Separate AF- und Belichtungsspeicherung Abblendtaste, Spiegelvorauslösung, großer Verschlusszeitenbereich etc.

- AF mit Schwächen bei horizontalen Strukturen 
- Hoher Anschaffungspreis 
- Blende und Verschlusszeit lassen sich nur in ganzen Stufen vorwählen bzw. manuell einstellen

Mit der neuen Contax 645 gewinnt das kleine Mittelformat deutlich an Attraktivität, denn das neue, würfelförmig aufgebaute Modell verfügt über Autofokus und lässt sich mit AF-Objektiven von Carl Zeiss bestücken. Wir sagen Ihnen, was das neue System in der Praxis taugt.

Nachdem der Mutterkonzern Kyocera sich mit Yashica aus dem Markt der Autofokus-Kleinbild-Spiegelreflexkameras verabschiedet hat, steigt er mit Contax in den Markt der Autofokus-Mittelformat-Spiegelreflexkameras ein. Zweifelsohne ein mutiger Schritt und ein gelungener zugleich, denn die Contax 645 hat einen überzeugenden technischen Auftritt. Die in diesem Zusammenhang von beiden Seiten (Contax und Mamiya) vehement mit „Nein" beantwortete Frage ist die nach der technischen Verwandtschaft der neuen Contax mit der Mamiya 645 Pro TL. Denn die Contax 645 hat unübersehbare Ähnlichkeiten mit der Mamiya. Sie ist als Würfelkamera konzipiert, so dass praktisch an jeder Gehäuseseite Zubehör angeschlossen werden kann. Dadurch lässt sich die Kamera nach Wunsch ausbauen und exzellent bedienen. Ausgezeichnet gelungen: das AE-Prisma und der Wechselmechanismus für den Sucher. Die Sucheranzeigen sind vollständig und sehr gut abzulesen, und zwar sowohl mit Prisma als auch mit Lichtschachtsucher. Mit AE-Prismensucher steht Integral- und Spotmessung, mit Lichtschachtsucher nur Spotmessung zur Verfügung. Bewusst eingesetzt, liefern beide Messarten ausgewogen belichtete Diafilme. Auch die Belichtungsprogramme funktionieren sehr gut und sind unabhängig vom verwendeten Sucher einsetzbar. Ein Nachteil ist jedoch die Tatsache, dass die manuelle Einstellung der Blende, beziehungsweise der Verschlusszeit, nur in ganzen Stufen erfolgt. Das gilt für die Zeit- und Blendenautomatik sowie für die manuelle Belichtungseinstellung. Bei soviel High-Tech wäre auch eine variable (shiftbare) Programmautomatik, vor allem für die Outdoor- oder Reisefotografie, wünschenswert gewesen. Die manuelle Belichtungskorrektur lässt sich in Drittelstufen einstellen. Bei der Belichtungsreihenautomatik können die Abstände der flankierenden Belichtungen wahlweise in halben oder ganzen Stufen eingestellt werden (0/+0,5/-0,5 EV oder 0/+1/-1 EV). TTL-Blitzsteuerung, Vorblitzmessung, eingebauter motorischer Filmtransport, separate Belichtungs- und AF-Speicherung, eingebaute Dioptrienkorrektur, auswechselbare Sucherscheiben ergänzen die Ausstattung.
Und nun werden Sie sich zu Recht fragen, wieso wir den Autofokus erst zum Schluss behandeln. Weil seine Beurteilung in der Praxis einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen hat.
Das AF-System der Contax 645 arbeitet für eine Mittelformatkamera recht schnell und noch leise. Aber seine „Arbeitsauffassung" ist nicht immer vorbildlich. Wie ist das zu verstehen? Bei senkrechten Objektstrukturen funktioniert die automatische Scharfeinstellung meistens tadellos, während bei waagerechten oder nahezu waagerechten Strukturen die Kamera oft sichtlich Mühe hat, darauf scharfzustellen. Nun ist freilich jedem bekannt, dass AF-Liniensensoren (anders als AF-Kreuzsensoren) auf Strukturen, die parallel oder nahezu parallel zu ihrer Ausrichtung verlaufen, nicht fokussieren können. Das AF-System der Contax 645 arbeitet jedoch mit vier übereinander angeordneten horizontalen AF-Liniensensoren, die von zwei vertikalen AF-Liniensensoren flankiert werden (die Angaben beziehen sich auf die Querformathaltung). Nun müssten theoretisch die horizontalen, durchgehenden Strukturen von beiden vertikalen Sensoren „erkannt" werden, denn dafür ist diese Anordnung der AF-Sensoren gedacht (H-förmig). Die Kamera jedoch fokussiert auf nahezu horizontale Strukturen des öfteren hin und her, um im dritten oder vierten Anlauf die Struktur zu erfassen; wobei es auch vorgekommen ist, dass eine automatische Scharfeinstellung überhaupt nicht möglich war. Wir haben keine schlüssige Erklärung dafür, vermuten aber, dass es mit der ungewöhnlichen Anordnung der vier zentralen AF-Liniensensoren zu tun hat (vier AF-Liniensensoren bzw. AF-Messfelder unmittelbar übereinander). Denn wenn man die Kamera leicht dreht, funktioniert die Erkennung der horizontalen Strukturen praktisch einwandfrei. Die von uns festgestellte „AF-Schwäche" tritt nur bei horizontalen oder nahezu horizontalen Objektstrukturen auf, so dass wir das nicht überbewerten möchten. Den Test der sechs AF-Objektive von Zeiss für die Contax 645 können Sie in diesem Heft ab Seite 36 nachlesen.

Fazit. Mit der Contax 645 hat Kyocera eine technisch überzeugende AF-SLR-Kamera für das kleine Mittelformat auf den Markt gebracht, die trotz kleiner Schwächen beim Autofokus - zwei wichtige Aspekte kombiniert: den von Kleinbildkameras her gewohnten Bedienungskomfort und die überragende Abbildungsqualität des größeren Aufnahmeformats. Sie erhält das COLOR FOTO-Prüfsiegel sehr gut-hervorragend ***** .

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