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Artikel
2000
Kameras Photographica
Praktica FX
Basic Design
Elektronische Belichtungssteuerung, Autofokus, mehrfache Automatikfunktionen und Programmshift - schwer vorstellbar, dass man auch ohne diese Raffinessen auskommen kann. Die Praktica FX aus den frühen fünfziger Jahren zeigt, wie es geht.
Das Urmodell, die Praktiflex, entstand bereits in den dreissiger Jahren, kurz nach der Vorstellung der Exakta, die als die erste Kleinbild-Spiegelreflexkamera gilt. 1949 kam die erste Praktica heraus. Einfacher und leichter gebaut als die zeitgenössische Exakta, bot sie ein klareres Design und einfachere Bedienungselemente, deren logische Anordnung der Handhabung zugute kam.
Das hier gezeigte Modell wurde 1953 gebaut. Als Erinnerung an die Tradition finden sich auf dem Sucherschacht noch die Initialen „KW", die Abkürzung für „Kamera-Werkstätten" in Dresden, später Niedersedlitz. Trotz der schwierigen Situation in der DDR war die FX voll auf der Höhe ihrer Zeit. Das Finish ist sehr gut, alle Funktionen laufen sauber ab - auch noch nach 46 Jahren.
Die Technik. Der Lichtschachtsucher ist natürlich nur für Querformataufnahmen sinnvoll. Bei Hochformataufnahmen steht die Mattscheibe senkrecht, muss von der Seite betrachtet werden und zeigt überdies ein kopfstehendes Bild. Aber das war damals durchaus normal. Immerhin gab es als Zubehör schon ein Sucherprisma, das in den aufgeklappten Lichtschacht geschoben werden konnte und für ein seitenrichtiges Bild sorgte. Die Sucher-Mattscheibe ist sehr feinkörnig und erlaubt auch ohne Einstellhilfen genaues Fokussieren.
Der Tuch-Schlitzverschluss bietet Zeiten von 1/500 bis 1 Sekunde und B. Der Verschluss ist für kurze und lange Blitzleuchtzeiten synchronisiert (X und M). Der Auslöser befindet sich an der Vorderseite und ist sehr gut zu bedienen, die Vibrationen durch Spiegel und Verschlussvorhang sowie die Geräusche halten sich in Grenzen.
Das Objektiv. Der Objektivanschluss ist vom Typ „M 42 pur". Er zeigt keinerlei Obertragungsteile zwischen Kamera und Objektiv. Die Springblende war noch nicht erfunden, und die Belichtungsmessung durch das Objektiv war zwar schon angedacht, aber noch lange nicht realisiert. Das Objektiv wird einfach an die Kamera angeschraubt. Schliesslich war es die Praktica, die den M-42-Anschluss populär machte, der demzufolge bis in die siebziger Jahre „Praktica-Anschluss" genannt wurde.
Das Objektiv trägt die ungewöhnliche Gravur „Ernst Abbe Jena T 1:2,8/50xGRADx. Ernst Abbe (1840-1905) konstruierte zahlreiche optische Geräte und gründete 1882 mit EO. Schott und Carl Zeiss das Jenaer Glaswerk. Welche Technik beherbergt das Objektiv mit dieser Inschrift? Die äusseren Masse und das Material sind identisch mit denen der Objektive, die in der DDR unter dem Namen „Carl Zeiss Tessar" verkauft wurden. Aber Zeiss in Westdeutschland besaß die Namensrechte, so dass die für den Export bestimmten DDR-Objektive einen anderen Namen brauchten. Spätere Objektive wurden nur mit „Jena T" markiert. Kuriosität des „Abbe"-Objektivs: der Ring mit dieser Gravur wurde einfach nachträglich in das Tessar eingeschraubt. Entfernt man ihn, kommt die Bezeichnung „Tessar" zum Vorschein, die unter dem Schutz des zweiten Rings ihre weiße Farbe behalten hat, mit eigener Fabrikations-Nummer, die mit der auf dem vorderen Ring nicht übereinstimmt. Die optische und mechanische Qualität dieses Vierlinsers nach der berühmten Formel ist ohne Tadel.
Damit das Sucherbild bis zur Aufnahme hell bleibt, ist das Objektiv mit einer sogenannten Vorwahlblende ausgestattet: An einem zweiten Ring hinter dem Blendenring kann der gewünschte Wert voreingestellt werden, so dass ein kurzer Dreh bis zum Anschlag - auch ohne Hinsehen - die Blende in die richtige Position bringt.
Heute würde man diese magere Ausstattung wohl als „Basic Design" bezeichnen: Nichts Überflüssiges ist vorhanden, kein Hauch von Luxus. Trotzdem hat die Praktica etwas zu bieten. Was dran ist, wirkt gediegen und solide. Es lässt die Ursprünge der Technik erkennen und kann Lust machen, ein Stück weit dorthin zurückzukehren.
Die meisten späteren DDR-Kameras hatten es schwer, auf dem Weltmarkt mitzuhalten. Design und Finish entsprachen nicht immer dem Niveau der Westprodukte und der japanischen Erzeugnisse. Bei der Praktika FX war das noch anders. Sie verkörperte die ruhmreiche deutsche Kamera-Tradition.
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