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Alexander Borell Kommentar

Widelux

Die Weit- und Breitkamera

Als zu Beginn der 50er Jahre die Kinos für den "Breitwandfilm" umgebaut wurden, erfaßte das "Panoramafieber" auch die Hobbyfotografen, mich eingeschlossen. Wir fühlten uns bei Cinemascope-Western buchstäblich "mitten im Bild` und wendeten zu Hause eine ebenso einfache, wie falsche Methode an, ebenfalls Breitwand-Dias vorzuführen: wir klebten einfach einen Teil des Dias auf der Längsseite ab und projizierten den Rest entsprechend groß. Da der Mensch nun einmal seine beiden Augen neben- und nicht übereinander trägt, empfindet er den Blick in die Natur auch eher breit als hoch, was zur Folge hat, daß nicht nur über 90% aller Fotos im Querformat gemacht werden, sondern die Kameras werden auch querformatig konstruiert.
Immer wieder gibt und gab es Versuche, extrem in die Breite gezogene Fotos mittels spezieller Kameras zu ermöglichen. Aber auch hier wurde seitens der Fabrikanten gemogelt, wie wir damals mit dem Abkleben gemogelt haben: sie schneiden von einer 13 x 18 Aufnahme in Richtung 13 soviel weg, daß auf dem Rest eine "Panoramaaufnahme` entsteht.
Die Widelux-Kamera geht diesem Phänomen ganz anders zu Leibe, 
nämlich konstruktiv, und damit echt und ehrlich.
Ein Fixfokus-Objektiv 2,8/26 mm (kein eigentlicher Weitwinkel, sondern nur ein kurzbrennweitiges Objektiv!) von ausgezeichneter Schärfe bewegt sich während der Belichtung des Films in einem fast vollendeten Halbkreis. Der horizontale Bildwinkel beträgt genau 140', und wenn man nicht aufpaßt, hat man links und rechts die Fingerkuppen mit im Bild. Der Film liegt, im gleichen Radius wie das Objektiv, über der gewölbten Filmbühne und wird also partiell mit dem Objektiv-Ablauf belichtet. Sie können folgende Belichtungszeiten wählen: 1/15, 1/125 und 1/250 sec., dazu die Blenden 2,8-1 1. Hochempfindlichen Film muß man bei sehr hellem Licht abfiltern, was kein Problem ist: zur Widelux gibt es einen passenden Filtersatz.

Dia-Film Ist empfehlenswert

Wenn Sie auf Dia-Film fotografieren, gibt es für das Widelux-Format 24 x 59 mm spezielle Diarähmchen in Pappe, die in 6 x 6-Projektoren passen.
Alles an dieser Kamera ist mechanisch, Sie brauchen daher keine Batterien, wohl aber einen guten separaten Handbelichtungsmesser.
Die Widelux ist eine handliche Kamera, die 900 Gramm wiegt; man sollte sie aber nur zur Erzielung bestimmter Effekte aus der Hand verwenden. "Richtige` horizontale Linien liefert sie nämlich nur, wenn sie genau horizontal ausgerichtet wird, und um das zu ermöglichen, ist sie mit einer präzisen Wasserwaage bestückt.
Der Durchsicht-Sucher zeigt ein helles, wenn auch nicht besonders präzises Bild, der Ablauf von Verschluß und Objektiv-Schwenk ist sehr leise. Auf den normalen 36er KB-Film bekommen Sie 21 Aufnahmen, auf den 20er Film 11.
Das "normale" Anwendungsgebiet für diese hochinteressante Kamera dürften Landschaft und Architektur sein, wo man ebenso ansprechende wie überraschende Ergebnisse erzielen kann.
Der Hauptreiz aber liegt in den Experimenten, die man - sozusagen als Abfallprodukt -gratis mitgeliefert bekommt. So erzielen Sie erstaunliche Wirkungen, wenn Sie mit dieser Kamera im Hochformat fotografieren:
Man möchte es nicht für möglich halten, daß hier trotzdem noch Ihre Schuhspitzen und ein ganzer Dom im Hintergrund, scharf abgebildet werden.

Die Haltung der Kamera ist wichtig

Senken Sie die Kamera etwas nach unten, entsteht der Fisheye-Effekt: der Horizont wölbt sich wie eine Weltkugel nach oben, von Ihnen beliebig variierbar. Halten Sie die Kamera leicht schräg nach oben, verformt sich ein gerader Horizont zu einer mehr oder weniger gewölbten Schale. Da die Belichtung gewissermaßen über den Film wandert, können Sie dies als Effekt ausnützen: Gegenstände, die sich von links nach rechts bewegen, werden in die Länge gezogen (siehe das Auto), und wenn sich etwas von rechts nach links an der Kamera vorbei bewegt, wird es verkürzt, "gestaucht". Je langsamer Sie dabei den Verschluß ablaufen lassen (Stativ und Filter!), desto krasser wird das Ergebnis. Aus Springpferden und Langläufern machen Sie auf diese Art köstliche Karikaturen, Turmspringer verwandeln sie zu kleinen, dicken Pummeln oder zu fadendünnen Viermeter-Menschen. Das ist vergnügliches Fotografieren, Landschaften hingegen wirken großartig.

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