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Artikel

2000

Kameras Photographica

Photavit

Kamera der 50er Jahre

Man nehme ein Objektiv einer renommierten Firma, dazu einen Großserien Verschluss von Pronto oder Compur und konstruiere ein Gehäuse - so bauten in den dreißiger bis fünfziger Jahren viele Hersteller ihre Kameras.

Die Photavit wurde in den Jahren kurz vor und nach dem Krieg hergestellt. Sie zeigt, dass selbst mit einfachen Mitteln brauchbare Ergebnisse möglich waren. Die Photavit besitzt einen urigen Charme, liegt gut in der Hand, und ihr Gewicht vermittelt Solidität.

Die Bauart. In ihre Einzelteile zerlegt, wirkt sie wie ein kleiner Baukasten: Objektiv und Verschluss lassen sich ohne viel Aufwand entfernen, und übrig bleiben zwei Gehäuseschalen mit dem Filmtransport-Mechanismus sowie eine Deckkappe mit Sucher. Die Ausbuchtung neben dem Objektivverschluss beherbergt die Übertragung vom Auslöseknopf zum Verschluss. Es ist beeindruckend, wie einfach und doch effektiv Filmtransport und Doppelbelichtungssperre konstruiert sind.

Der Film. Das Negativformat beträgt 24 x 24 mm auf normalem Kleinbildfilm. Dass das quadratische Bild bis vor wenigen Jahren bei Knipsern durchaus beliebt war, zeigen die Fotoalben vergangener Jahrzehnte. Bei der Photavit half es gegenüber dem üblichen Kleinbildformat, Film zu sparen und die Abmessungen der Kamera gering zu halten - die Photavit ist nämlich nur 9,3 cm breit und 6,1 cm hoch! Der andere Grund für die Winzigkeit der Kamera liegt darin, dass sie spezielle Filmkassetten braucht, die kleiner sind als die Leica-Filmpatrone. Der Film wird von Kassette zu Kassette transportiert, dadurch wird eine Rückspulvorrichtung überflüssig. Die Kassetten haben kleine Zeiger, an denen der Benutzer einstellen kann, ob er den Film schon belichtet hat oder nicht. Mit einem einfachen Zusatzgerät konnte man normalen Kleinbildfilm bei Tageslicht in die Photavit-Kassetten umspulen.

Objektiv und Verschluss. Die meisten Photavits waren mit Objektiven von Schneider Kreuznach, ausgestattet. Das Objektiv der hier gezeigten Nachkriegskamera kommt ebenfalls aus Kreuznach, aber von der Firma Roeschlein, die vor allem die preisgünstige Linie vertrat. Dieser Dreilinser mit dem Namen „Luxar", einer Lichtstärke von 1:2,9 und 37 mm Brennweite braucht sich aber hinter den Erzeugnissen des großen Nachbarn nicht zu verstecken. Die Linsen sind vergütet, die Qualität ist tadellos. Der Verschluss der Firma Pronto ermöglicht Zeiten von 1/3oo bis 1 s und B, außerdem verfügt er über einen Selbstauslöser. Typisch für diese Verschlüsse - wenn auch immer wieder erstaunlich: trotz des Alters von fast 50 Jahren und trotz des hochkomplizierten Innenlebens schnurrt das Werk nach einer Reinigung wie am ersten Tag.

Das Gehäuse. Ganz so gut haben die übrigen Teile die Zeit nicht überstanden. Das Zink-Druckgussmaterial ist im Lauf der Jahre deutlich korrodiert. Der pelzige Belag, der sich im Inneren gebildet hat, lässt sich jedoch mit einem ölgetränkten Lappen und Pinsel leicht entfernen. Am Gehäuse zeigt sich im Vergleich mit modernen Kompaktkameras besonders der Wandel der Herstellungsmethoden in den letzten 50 Jahren. Kommen heute die Gehäuseteile vollautomatisch fertig aus der Maschine, so war früher die Gusstechnik sehr aufwendig. Die Gehäuseschalen tragen dieselbe Nummer, was darauf hinweist, dass sie individuell angepasst wurden. Feil- und Schleifspuren zeigen die umfangreiche Handarbeit.

Die Geschichte. Die Photavit entstand im Bolta-Werk in Nürnberg. Das Vorgängermodell, Mitte der dreißiger Jahre heraus gebracht, hieß noch Boltavit nach dem Werksgründer John Bolten. Dieser hatte bereits in Amerika ein Werk gegründet und war US-Bürger geworden. So konnte er kurz nach dem Krieg durch seine guten Beziehungen zu den Besatzungsmächten die Produktion der Photavit wieder aufnehmen, die somit eine der ersten deutschen Nachkriegskameras wurde. Die Kameraproduktion endete 1957 - schade... Die Photavit kostete 1952 bei Photo-Porst 120 Mark; mit einfacherem Verschluss war es bereits für 105 Mark zu haben. Mit vierlinsigem Schneider Xenar und Compur-Verschluss bis 1/500 s stieg der Preis auf 180 Mark. Das war damals bereits eine ganze Menge Geld, aber die Kleinbildkameras der bekannteren Hersteller waren noch erheblich teurer. Tips für Sammler. Die Kamera wird hin und wieder zum Verkauf angeboten. Ein klemmender Filmtransport oder Auslöser sollte kein Problem darstellen (siehe oben). Der Preis liegt heute allerdings meist rund 50 Prozent höher als damals.

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