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2000

Kameras

Exklusivtest: Mamiya 645 AF

Mit Qualität zum Erfolg

Mittelformat-Kameras haben zwar ihre eigene Konjunktur, aber auch die will belebt werden - am besten mit Autofokus. Und so kommt mit der dritten AF-SLR-Kamera des Marktes, der Mamiya 645 AF, das kleine Mittelformat ganz groß raus. Denn sie verbindet konsequenter als die Konkurrenz den Qualitätsvorsprung des Formats 4,5x 6 cm mit dem Bedienungskomfort der Kleinbildkameras und den Vorteilen der automatischen Fokussierung. 

+ hervorragende Grundausstattung 
+ exzellente Bedienung 
+ drei Belichtungsmessarten, Differenzmessung bei Belichtungsspeicherung 
+ TTL-Blitzsteuerung 
+ neuartige Filmmagazine mit eingebautem Motor und eigenem Datenmonitor
+ vollelektronische Signalübertragung für den Filmtransport 
+ Anschluss digitaler Rückteile möglich 
+ schneller Metall-Verschluss (1/4000 s) und kurze Blitzsynchronzeit (1/125 s) 
+ vier Belichtungsprogramme und Programmshift 
+ Blende und Verschlusszeit in halben Stufen manuell einstellbar 
+ eingebaute Belichtungsreihenautomatik mit frei bestimmbaren Abstand der flankierenden Belichtungen 
+ vollständige Sucheranzeigen 
+ vollständige Dateneinbelichtung (auch aufnahmetechnische Belichtungsdaten) am Filmrand 
+ Spiegelvorauslösung 
+ robuste Gehäuseoberfläche aus Magnesiumlegierung 
+ sehr guter Systemausbau

- kein AF-Kreuzsensor 
- kein Wechselsucher (nur bedingt)

Ausstattung und Grundkonzeption der neuen Mamiya 645 AF haben bereits bei der Produktvorstellung in COLOR FOTO 5/99 sehr hohe Erwartungen geweckt. Daher haben wir mit großer Spannung auf das Eintreffen der ersten für Testzwecke freigegebenen Kamera aus Japan gewartet. Und die hat schon beim Auspacken einen Aha-Effekt erzeugt: Durch das „windschnittige" Design tritt die Mamiya 645 AF schlanker und dynamischer auf, als man es einer Mittelformatkamera zutrauen würde. Die griffige Belederung, der große externe Datenmonitor und das Bedienungskonzept mit einem vorderen und einem hinteren Einstellrad wecken Assoziationen zu den Kleinbild-Profikameras von Canon. Und das kommt der Bedienung zugute. Das Gehäuse ist dem Fotografen buchstäblich in die Hand gebaut, die griffigen Bedienelemente sind dort positioniert, wo man sie als erstes sucht. In der Zeit- und der Blendenautomatik kann die Blende bzw. die Verschlusszeit mit beiden Einstellrädern vorgewählt werden. Sehr sinnvoll ist auch die Programmverschiebung (Shift) in der Programmautomatik, die ebenfalls mit beiden Einstellrädern erfolgen kann. Die Tendenz der Programmverschiebung wird auf dem externen Datenmonitor angezeigt (PH = High, PL = Low); schade nur, dass die Programmverschiebung lediglich drei Stufen umfasst (± 1,5 EV). Bei manueller Belichtungseinstellung wird die Verschlusszeit mit dem vorderen, die Blende mit dem hinteren Einstellrad eingestellt. Der Belichtungsabgleich wird im Sucher in Drittelstufen im Bereich von +6 bis -6 EV angezeigt. Bei größeren Abweichungen zeigen blinkende Symbole die Über- oder Unterbelichtung an. Sowohl die Blendenwerte als auch die Verschlusszeiten lassen sich manuell in halben Stufen einstellen. Die halbstufige Einstellung ist sehr praxisgerecht und bei den beiden Konkurrenten gar nicht (Contax 645) oder nur bedingt (Pentax 645N) möglich. Die Belichtungsprogramme sowie die X- und T-Positionen lassen sich mit einem konventionellen Programmwahlrad einstellen. Die zentrale Frage betrifft jedoch die Leistungsfähigkeit des Autofokussystems. Leider hat auch die Mamiya, genauso wie die Contax und die Pentax, keine AF-Kreuzsensoren, sondern arbeitet mit drei AF-Liniensensoren in H-Anordnung (I-I). Die Lage der vertikalen AF-Sensoren ist auf der Sucherscheibe mit rechteckigen Klammern markiert, der zentrale AF-Sensor befindet sich in der Mitte des Spotmesskreises. An der Arbeitsauffassung des AF-Systems haben wir nichts auszusetzen. Die AF-Genauigkeit ist sehr hoch, die AF-Geschwindigkeit entspricht in etwa dem Pentax-System und ist geringfügig höher als beim Contax-System. Sie erreicht aber erwartungsgemäß nicht das Niveau der besten AF-SLR-Kameras für das Meinbildformat, denn der AF-Motor muss ja wesentlich größere Linsenmassen bewegen. Aber dennoch können, vor allem bei Schärfenachführung, professionelle Sport- und Action-Aufnahmen entstehen. Die Umschaltung zwischen statischem Einzel-AF, kontinuierlichem AF mit Schärfenachführung und manueller Fokussierung erfolgt mit einem Schalter an der Frontseite der Kamera (links unten neben dem Bajonett). Die manuelle Scharfeinstellung kann wahlweise nach Sicht oder mit elektronischer Fokussierhilfe erfolgen, wobei zwei Pfeile im Sucher sogar die Drehrichtung des Fokussierrings angeben (bei anderen Kameras stimmt die Pfeil- mit der Drehrichtung nicht überein). An der 645 AF können auch die Objektive des Mamiya-645-Systems ohne Autofokus eingesetzt werden. Dabei muss freilich die Scharfeinstellung manuell und die Belichtungsmessung bei Arbeitsblende erfolgen. Ein Fokussierindikator (grüne LED) links unten in der Sucherleiste bestätigt die erfolgte Scharfeinstellung. Bei wenig Licht oder schwachem Kontrast schaltet sich automatisch ein Infrarot-AF-Hilfslicht mit neun Meter Reichweite ein, das ein tiefrotes Linienmuster auf das Objekt projiziert. Der Autofokus der Mamiya 645 AF ist also ein Hybridsystem, das je nach Lichtverhältnissen entweder als passives oder als aktives AF-System arbeitet. Die Schärfespeicherung erfolgt bei angetipptem Auslöser.
Mit einem exzellent zu bedienenden Schalter an der linken Prismenseite (in Aufnahmerichtung) kann die mittenbetonte Integralmessung, die Spotmessung oder die automatische Umschaltung zwischen beiden Messarten eingestellt werden. Die jeweils aktive Belichtungsmessart wird auch im Sucher angezeigt - das ist ein Bedienungskomfort, den nur ganz wenige Kleinbildkameras bieten. Die Belichtung kann auch unabhängig vom Autofokus mit einer separaten Taste gespeichert werden, wobei die Messwertspeicherung auch im Sucher durch eine eckige Klammer um die Verschlusszeit und Blendenanzeige dargestellt wird. Bei angetippter Speichertaste wird auch der Unterschied zum aktuell gemessenen Wert im Sucher in Drittelstufen angezeigt (im Bereich von ± 6 EV). Diese raffinierte Lösung kommt einer Differenzmessung gleich und erleichtert beispielsweise die Bestimmung des Kontrastumfangs im Motiv. Sehr praxisgerecht und professionell auch die Belichtungsreihen-Automatik, bei der die Abstände der flankierenden Belichtungen in Abständen von ±0,3, ±0,5, ±0,7 oder ±1 EV eingestellt werden können. Die Serie von drei Aufnahmen wird nach dem Druck auf den Auslöser automatisch durchgeführt, also auch dann, wenn der Auslöser nach der ersten Aufnahme freigegeben wird. Die manuelle Belichtungskorrektur lässt sich im Bereich von ±3 EV in Drittelstufen eingeben, wobei der genaue Korrekturwert auch rechts in der Sucherleiste angezeigt wird. Die Belichtungssteuerung der Mamiya 645 AF arbeitet sehr präzise und liefert korrekt belichtete Aufnahmen auf Diafilm. Ein neu entwickelter, horizontal ablaufender Metall-Lamellen-Schlitzverschluss ermöglicht für das Mittelformat sehr kurze Verschlusszeiten bis zur 1/4000 s (zum Vergleich: Pentax 1/1000 s). Dasselbe gilt auch für die kürzeste Blitzsynchronzeit von 1/125 s (Pentax 1/60 s). Die TTL-Blitzsteuerung funktioniert mit dem Metz-System SCA 3000 und dem Adapter SCA 3951, so dass beispielsweise auch die AF-Hilfslichtfunktion des Blitzgerätes übernommen wird. Der Blitzschuh ist oben auf dem Sucher angebracht und nicht mehr seitlich wie bei den anderen 645er Modellen.
Der feststehende Sucher zeigt 94% des Aufnahmeformats und liefert ein großes, helles Bild. Er ist mit einem eingebauten Dioptrienausgleich ausgestattet, der Korrekturen im Bereich von -2,5 bis +0,5 Dioptrien erlaubt. Sehr raffiniert gelöst ist das Einsetzen von zusätzlichen Korrekturlinsen, mit denen der Korrekturbereich erweitert werden kann (-5 bis +3 Dioptrien). Die Einstellscheibe ist auswechselbar. Praktisch auch der eingebaute Okularverschluss für Stativaufnahmen. Dass eine Mittelformatkamera keine Wechselsucher hat, ist prinzipiell zu bedauern, fällt aber bei einer AF-SLR-Kamera für das kleine Mittelformat nicht so sehr ins Gewicht. Eine solche Kamera ist ja primär für Freihandaufnahmen konzipiert, und der Lichtschachtsucher würde sich beispielsweise bei Hochformataufnahmen seitlich und „um die Ecke" befinden. Außerdem kommen die Vorteile des Lichtschachtsuchers (gleichzeitige Betrachtung des Sucherbildes mit beiden Augen) ohnehin nur bei großen Formaten (6x6, 6x7) voll zur Geltung. Das Oberseite des Gehäuses ist aus einer robusten Magnesiumlegierung, das Innengehäuse aus einer Silizium-Aluminium-Legierung gefertigt und somit für höchste Profiansprüche ausgelegt. Die Sucheranzeigen informieren umfassend über alle belichtungsrelevanten Kameraeinstellungen und sind optimal ablesbar (groß, hell und unterhalb des Sucherbilds platziert). Abblendtaste, Funktion für Mehrfachbelichtungen (maximal fünf), Selbstauslöser mit frei einstellbarer Ablaufzeit zwischen drei und 60 Sekunden, Spiegelvorauslösung, zuschaltbare Beleuchtung für die externen Datenmonitore der Kamera und des Filmmagazins, Fernauslöseranschluss, Gewinde für konventionelle Drahtauslöser, Anschlussbuchse für Studioblitzgeräte, Time- und Bulb-Einstellung für Langzeitbelichtungen ergänzen die praxisgerechte Ausstattung.
Exzellent gelöst sind auch die neuen Filmmagazine. Der Motor für den Filmtransport ist nicht mehr in der Kamera, sondern in den Magazinen selbst untergebracht. Die Kontaktübertragung zwischen Kamera und Filmmagazin erfolgt ausschließlich elektronisch über vergoldete Kontakte. Dadurch ist der Filmtransport leiser und die Anfälligkeit durch mechanische Übertragung (Zahnräder) ausgeschlossen. Die motorisierten Filmmagazine HM401 können durch Drehen der Andruckplatte an den Rollfilmeinsätzen IN401 sowohl 120er als auch 220er Rollfilme aufnehmen. Die jeweilige Filmlänge (120/220) wird auch auf dem Datenmonitor am Magazin automatisch angezeigt. Die Filmempfindlichkeit wird ebenfalls am Magazin eingestellt und auf dem Magazinmonitor ständig angezeigt, ebenso der Bildzähler. Der Filmtransport erfolgt automatisch, man muss also den Rollfilm nicht bis zu einer Startmarke manuell vorspulen. Die Kamera arbeitet wahlweise mit Einzel- oder Serienbildschaltung. Am Filmende wird das Filmende automatisch aufgewickelt und auf dem Magazinmonitor erscheint anstelle der Filmempfindlichkeit „End". Sinnvoll auch der manuelle Rückspulstart für das Vorspulen eines teilbelichteten Films. Dafür werden bei eingesetztem Schieber der Auslöser und eine Taste am Magazin gleichzeitig gedrückt. Die neuen HM401 -Magazine verfügen auch über ein eigenes System zur Dateneinbelichtung auf dem Filmrand, so dass die Daten nicht im Bild sichtbar sind. Ein Sofortbildrückteil ist ebenfalls erhältlich (HP402). Allerdings können die Filmmagazine des 645er-Systems nicht an der 645 AF angeschlossen werden. An der Rückseite der Kamera befindet sich die Schnittstelle für digitale Kamerarückteile, so dass man mit der Mamiya 645 AF sowohl analog als auch digital fotografieren kann.
Zur Markteinführung der Kamera vor Weihnachten werden neben Gitterscheibe, Sucherlupe, diversen Fernauslösern, Automatik-Balgengerät und drei Automatik-Zwischenringen auch folgende Objektive erhältlich sein: Mamiya AF 2,8/55 mm (2000 Mark), AF 2,8/ 80 mm (1200 Mark), AF 4/210 mm ULD IF (3250 Mark) und AF 4,5/300 mm Apo IE. Die neuen Objektive werden ausschließlich aus umweltfreundlichen blei- und arsenfreien optischen Gläsern konstruiert. Das gilt auch für die speziellen ULD-Gläser (Ultra Low Dispersion), die für die Korrektion des Sekundären Spektrums eingesetzt werden. Das Sekundäre Spektrum ist ein nicht korrigierter Farbrestfehler, der sich durch einen Farbsaum im Bild bemerkbar macht, den wir visuell als Unschärfe empfinden. Floating Elements (bewegliche Linsenglieder) sorgen für eine bessere Abbildungsleistung im Nahbereich. Die neuen Objektive sind deutlich leichter als beispielsweise die Zeiss-Objektive für die Contax 645, was vor allem für den so genannten „Outdoor-Einsatz" wichtig ist. In einer zweiten „Ausbaustufe" sollen noch folgende Objektive erscheinen: Mamiya AF 3,5/35 mm, AF 2,8/ 150 mm IF, AF Zoom 4,5/55-110 mm, AF Zoom 4,5/105-210 mm, MF Makro 4/120 mm sowie ein Telekonverter 2x und ein Winkelsucher. Die Mamiya 645 AF kostet im Set mit Objektiv AF 2,8/80 mm und Rollfilmmagazin 120/220 etwa 6800 Mark.
Fazit. Die Mamiya 645 AF tritt mit futuristischem Outfit und etlichen technischen Neuerungen in einer Marktnische auf, in der sich die Zukunft des Mittelformats wohl entscheiden wird. Sie ist eine hervorragend ausgestattete und exzellent zu bedienende Kamera, die zusätzlich durch Leistungsfähigkeit und Robustheit überzeugt. Die Mamiya 645 AF erhält als einzige Kamera ihrer Klasse die höchste COLOR FOTO-Auszeichnung, das Testprädikat hervorragend *****.

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