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Alexander Borell Kommentar

Canon AE-1 Program:

Ein neues Warmblut im Canon-Stall

Neben der bewährten Blendenautomatik bietet das neueste Modell von Canon auch die von der A-1 her bekannte und bewährte Einstellmöglichkeit der Programmautomatik.

Könnte man Kameras züchten, wäre die neue Canon AE-1 PROGRAM das glückliche Ergebnis aus dem braven und zuverlässigen Kaltblut AE-1, dem unverwüstlichen Arbeitspferd, und dem kapriziösen Vollblut mit etwas Araber-Einschlag Canon A-1, diesem Springpferd par excellence. PROGRAM ist kein Druckfehler, sondern das englische, bzw. international verständliche Wort für Programm. Und damit wäre eigentlich schon alles gesagt; denn neben der bisherigen Blendenautomatik der AE-1 (Zeitvorwahl, Blende stellt sich automatisch ein) hat die AE-1 PROGRAM noch eine Programmautomatik, wie sie die A-1 bei Hebelstellung auf "P" auch hat, und von der Neider oder böse Zungen behaupten, das bedeute "Pocket-Automatik". Tatsächlich fotografiert es sich mit der "P"-Automatik - nun mit beiden Kameras! - so einfach, wie mit irgendeiner billigen Pocket, nur eben mit einer hochwertigen Canon-Kleinbild-SLR-Kamera.
Jegliche Arbeitsvereinfachung zeugt - wenn das Endergebnis gleich gut oder sogar noch besser ist - von Intelligenz, und daher beweist es von letzterer nicht allzuviel, wenn Fotografen meinen, sie müßten heute noch alles per Hand fummeln. Gewiß, es gibt fotografische Aufgaben, denen keine Automatik gewachsen ist - etwa 5% aller Aufnahmen im Hobbybereich! - und dafür kann man bei der AE-1 PROGRAM entweder die simple Blendenautomatik wählen oder voll manuell fotografieren. Und damit hat diese neu Kamera eigentlich alles, was sich als Fotograf wünschen kann. Es gibt in der Vererbungslehre den Begriff "Mutation", das heißt, es kann möglich sein, daß nicht nur die bei Mutter (AE-1) und Vater (A-1) vorhandenen Eigenschaften rein oder gemischt auf das Kind übertragen werden, sondern daß völlige neue Eigenschaften entstehen können. So wurde z. B. bei der AE-1 PROGRAM die Druckknopf-Schalterei rechts vom Objektiv direkt von de A-1 vererbt, während der Schnellschalthebel eine reine Mutation ist: es ist geteilt und bietet eine "Fingerauflege", die für sehr ruhiges Auslösen vorteilhaft ist.
Die wichtigere, für diese Kamera geradezu entscheidende Erbwandlung jedoch besteht darin, daß man die Einstellscheiben auswechseln kann, was ja bei Mutter AE-1 überhaupt nicht, und bei Vater A-1 nur mittels chirurgischem Eingriff im Werk möglich ist. Sie bekommen 8 Einstellscheiben verschiedener Art, und dazu ein kleines Plastikgerät, mit dem Sie die Scheibe - ohne sie zu berühren - spielend leicht wechseln können.
Das alles ist letztlich nicht unbekannt, was jedoch die Einstellscheiben selber betrifft, oder wenigstens zwei davon, das ist so einmalig, so umwerfend gut, daß ich es Ihnen erst später erklären werde, um die Spannung zu erhöhen. Auch im Sucher sind neue Anlagen zu erkennen. Während Mütterchen AE-1 noch mit Zeiger die Blende angibt, und bei Väterchen A-1 diese Anzeige komfortabel digital erfolgt, hat sich auf die AE-1 PROGRAM eine Mischung vererbt: Leuchtzahlen rechts vom Sucherbild zeigen die der Verschlußzeit entsprechend gewählte Blende an. Wenn Sie mit Programmautomatik arbeiten, leuchtet darüber noch ein grünes "P" auf. Und wenn Sie mit dem speziellen Blitzgerät Canon Speedlite 188 A blitzen, kuppelt dieses Gerät, und Sie sehen im Sucher nicht nur die Blitzbereitschaft, sondern an einem Signal auch, ob der Blitz ausreichend war. Alles wunderschön, aber diese Einstellscheiben ... Die LED-Anzeigen passen sich übrigens - raffiniert! der Helligkeit des Sucherbildes an: bei Gletscher in Sonne leuchten sie sehr hell, bei schwarzer Katze im dunklen Zimmer nur sehr sanft.
Neben dem neuartigen Schnellschalthebel befindet sich der "Hauptschalter". Mit ihm stellt man - ebenso funktionell wie fingernagelfeindlich entweder die Elektrizität ab, womit auch der Auslöser gesperrt ist, oder man stellt auf "A" und hat zwei Automatiken oder "manuell` zur Verfügung, und wenn man auf "S" stellt, wird beim Auslösen der Selbstauslöser eingeschaltet, was ein deutliches Piepsen zur Folge hat, das anfangs nach friedlicher Meise klingt, am Ende der Ablaufzeit nach einer wütenden.
Damit hat Canon Eltern von einer hundert Jahre alten Lüge entbunden, wenn man Kindern sagte: "Wart' nur, gleich kommt das Vögelchen". Jetzt kommt's wirklich, wenn Pappi mit Selbstauslöser fotografiert. Und wenn man schon einen Piep in eine Kamera baut, überlegt man sich natürlich, wo's noch piepsen könnte, und siehe da, die Canon-Konstrukteure haben's gefunden: Wenn Sie auf einen Knopf drücken und es piepst nicht, dann sind Ihre Batterien heimgegangen. Was aber diese neuen Einstellscheiben betrifft ... natürlich ist die neue AE-1 PROGRAM auch für Winder-Betrieb eingerichtet. Es gibt dazu den Winder A, den's bisher auch schon gab und der an die ganze Familie paßt. Es gibt dazu den neuen Winder A-2, indem zwar die vier Batterien AA 1,5 Volt scheppern, wie eine erregte Klapperschlange, der dafür aber auf Einzelbild und Serie umstellbar ist, einen elektrischen Anschluß für Fernauslösung besitzt und der so breit ist, daß die Kamera nicht umfällt, wenn man sie mit Winder auf den Tisch stellt. Dieser neue Winder A-2 macht ebenfalls die ganze A-Familie mobil. Den bekannten schnellen und echten Motorantrieb der A-1 können Sie nun auch an der AE-1 PROGRAM anschließen, was diese Kamera erst recht fotografisch universell macht. Wenn man dazu noch die neuen Einstellscheiben ...
Es ist wohl selbstverständlich, daß Sie auch zur AE-1 PROGRAM die Datenrückwand Data Back A verwenden können, und wenn Sie das Blitzgerät Canon Speedlite 188 A in den dreifach gepolten Sucherschuh stecken, geschieht, was vorhin schon beschrieben wurde. Blitzbereich bei 100 ASA: Blende 2,8/9 m, Blende 5,6 von 0,5 bis 4,5 m. Was sonst noch außer zu den Einstellscheiben - über diese Kamera zu sagen wäre, ist Folgendes: Die ASA-Einstellung ist im Gegensatz zur AE-1 -griffig, links oben auf der Kamera und arretierbar. Sie kann leicht als Korrektur dienen und ersetzt hier einen eigenen Korrekturschalter,
Die Film - Aufwickelspule ist immer noch von der bekannten unpraktischen Einfallslosigkeit gekennzeichnet; irgend jemand müßte Canon mal eine Konica der F-Serie schenken.
Rechts vorne an der Kamera ist ein kleines "Griffstück" angeschraubt, was sich vom Vater her leider unverändert vererbt hat. (Wie schön, wenn es nicht plastisch verformte Luft enthielte, sondern eine 6-Volt Reservebatterie!)

Und nun zu den Einstellscheiben:

1.) Daß sie leicht vom Anwender selber auszuwechseln sind, wurde schon gesagt. Das Einstellen der Schärfe ist nun einmal mit die wichtigste Tätigkeit des Fotografen. Seit wir Einstellscheiben mit Meßhilfen haben (Schnitt- oder Mischbild, Mikroprismen oder beides) tritt stets die gleiche Katastrophe auf, sobald Sie das Objektiv mit geringerer Lichtschärfe verwenden oder mit der Arbeitsblende ab etwa 5,6 messen wollen: es wird schwarz vor Ihren Augen, genau in der Bildmitte, wo die Meßhilfen sitzen. Man mußte sich bisher damit abfinden, in solchen Fällen nebenan auf der Mattscheibe selber einzustellen, von dem zerstörten Sucherbild ganz zu schweigen. Profis und erfahrene Hobbyfotografen wählen daher Kameras mit auswechselbaren Sucherscheiben und verwenden Einstellscheiben ohne solche Meßhilfen, damit das Bild hell und klar bleibt. Es ist unbegreiflich, daß Kamerahersteller immer noch Kameras als "Weltspitze" anbieten, bei denen man die Einstellscheiben nicht wechseln kann.

2.) Die neue Einstellscheibe mit Schnittbild und Prismenring dunkelt bis Blende 5,6 nicht ab, von Blende 8 an nur wenig. Diese Scheibe wird original mit der AE-1 geliefert.

Aber sie ist es nicht, derentwegen ich so in Ekstase geraten bin: es gibt eine weitere Einstellscheibe mit "Kreuz-Schnittbild"-Entfernungsmesser. Das waagerechte Schnittbild ist bekannt, das höchste an technischer Leistung war bis jetzt ein diagonales Schnittbild, und nun kommt Canon mit einer ebenso einfachen, wie genialen Lösung, dem Kreuzschnittbild. Ich habe mit dieser Scheibe in der AE-1 PROGRAM an Ort und Stelle zwei Filme unter den verschiedensten Bedingungen durchbelichtet, und ich sage Ihnen: diese Einstellscheibe allein ist es wert, daß man sich die AE-1 PROGRAM zulegt! Ich konnte noch nie so klar, so schnell und so absolut sicher auf jedes Motiv einstellen, wie mit dieser Scheibe, die ebenfalls bis 5,6 nicht abdunkelt. Und so ist diese Canon AE-1 PROGRAM rundherum ein würdiger Sproß aus diesem renommierten Gestüt.
Mir stellt sich wiederum nur eine Frage: Da sitzen Deutsche und schmelzen Gläser, rechnen mit Computern und tun und machen warum zum Teufel ist hier niemandem diese Einstellscheibe eingefallen?
Hoffentlich kann man sie von jetzt an wenigstens in Lizenz von Canon bekommen, denn alle anderen Einstellscheiben sind Schnee von vorgestern.

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