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Artikel

2001

Test

Profis im Test

Extremtest: 3 Spitzenkameras

COLOR FOTO ist die erste Fotozeitschrift, die professionelle Spiegelreflexkameras auf ihre Zuverlässigkeit im normierten Extremtest überprüft hat. Getestet wurde das Verhalten bei Temperaturschock (Hitze/Kälte), bei Feuchtigkeit und bei extremen Vibrationen. Die Testkandidaten: Canon EOS-1 V, Leica R8 und Nikon F5.

Die Kamera als Gebrauchsgegenstand, wie strapazierfähig ist sie eigentlich, und was sollte sie aushalten können? Diese Frage wurde den COLOR FOTO-Redakteuren immer wieder in den Sprechstunden gestellt. Denn bislang gibt es bei der Qualitätskontrolle für Fotoapparate kein einheitliches Prüfverfahren für die Belastbarkeit des Materials und der Mechanik. Die Entscheidung, welche Tests zur Umweltsimulation herangezogen werden, trifft jeder Hersteller intern. Damit sind die Ergebnisse für mechanische Belastungstests auch nicht zwischen verschiedenen Herstellern vergleichbar. Oft gibt es für die Öffentlichkeit überhaupt keine Angaben. Eine seltene Ausnahme ist z. B. Kyocera, die ihre neue Contax NI auf 100 000 Auslösungen geprüft hat.
Eine einheitliche Regelung existiert lediglich beim Prüfsiegel GS für geprüfte Sicherheit. Hier werden aber ausschließlich die qualitativen Anforderungen an die elektronischen Bauteile in einer Kamera überprüft. So darf z. B. keine Spannung offen liegen oder das Ladegerät nicht zu heiß werden. Dieses Prüfverfahren wird durch europäische, harmonisierende Normen geregelt. Für die Produktsicherheit, die z. B. das Gehäusematerial oder die Mechanik betrifft, gibt es diese Regelung nicht. Einzelne Hersteller empfehlen in ihren Bedienungsanleitungen manchmal optimale Arbeitsbereiche für ihre Produkte. Die Angaben beschränken sich jedoch meist auf bestimmte Temperaturbereiche. Veröffentlicht der Hersteller eine solche Angabe, muss das Gerät für den garantierten Bereich allerdings geprüft sein.
Um einen Vergleich bezüglich der Leistungsfähigkeit von Kameras unterschiedlicher Hersteller zu erhalten, hat COLOR FOTO deshalb ein aufwendiges Testverfahren in Auftrag gegeben. Das Ziel war, verschiedene Kameras identischen Umweltbedingungen auszusetzen und die daraus resultierenden Messergebnisse miteinander zu vergleichen. Nach langen Vorbereitungen war es schließlich möglich, dieses Großprojekt in enger Kooperation mit der Testfactory und dem Ingenieurbüro Selig in Fürth zu realisieren. Der finanzielle und personelle Aufwand war enorm. Gemessen wurden die Prüflinge in der LGA Nürnberg, die eine Spezialabteilung für Umweltsimulation etabliert hat und somit über die Geräte und das nötige Knowhow verfügt. Die Auswertung der Ergebnisse fand dann in der Testfactory in Stuttgart statt.

Versuchsplanung

Bei der Konzeption wurde realen Umweltbedingungen und einer normalen Kamerabenutzung der Vorrang gegeben. Die Grenzen der Funktionsfähigkeit sollten nicht mit aller Gewalt überschritten werden. Damit schied ein sogenannter Crash- oder Falltest von vorneherein aus. Denn schließlich ist ein Fallen aus großer Höhe zwar nicht völlig unwahrscheinlich, aber doch nicht der Normalfall im Kameragebrauch.

Die Kandidaten

Bei der Wahl der Testgeräte fiel die Wahl auf„ echte" Profikameras. Das Testfeld sollte mit möglichst gleich starken Gerätetypen bestückt werden, um eine homogene und vergleichbare Ausgangssituation zu haben. COLOR FOTO entschied sich deshalb für die Canon EOS-1V, die Leica R8 und die Nikon F5. Die Hersteller verwiesen übrigens bei allen drei Kameratypen in ihren Verkaufsprospekten auf eine robuste Bauart und zuverlässige Funktionsweise. Dies galt es zu überprüfen. Ein weiterer Grund war, einen Standard für spätere Extremtests entwickeln zu können. Die Funktionsprüfung vor und nach den Umwelttests schloss Belichtungs- und Verschlussgenauigkeit ein. Alle verwendeten Prüfverfahren sind DIN-normiert und entsprechen dem derzeitigen aktuellen technischen Standard.

Temperaturwechselprüfung

Wer kennt die Situation nicht: Nach einem Spaziergang im Winter kommt man von eisigen Außentemperaturen in beheizte Innenräume, die zudem meist noch eine höhere Luftfeuchtigkeit haben. Jeder Brillenträger kämpft dann anschließend mit beschlagenen Gläsern. Doch was passiert eigentlich mit der mitgeführten Kamera? Muss man hier auch mit Einschränkungen rechnen? Dieser Frage gingen wir im ersten Testfeld nach. Die Prüflinge wurden also insgesamt vier Mal den eben beschriebenen Klimabedingungen ausgesetzt. Bei allen konnte danach keine Beeinträchtigung in der Funktionsweise festgestellt werden. Eventuelle Schwierigkeiten, die hier im Versuch nicht gesondert geprüft wurden, können allerdings in der realen Gebrauchssituation bei Minustemperaturen durch Batterien oder Akkus verursacht werden.

Vibrationstest

Im Fachjargon spricht man von einer „rauhen Handhabung der Geräte" bei unserem zweiten Simulationstest. Die meisten würden wahrscheinlich eine solche Behandlung ihrer Kamera nicht absichtlich zumuten. Dennoch ist die Situation alltäglich. Beim Transport können so starke Beanspruchungen durchaus auftreten. Auch wenn man nicht gerade mit dem Fahrrad über ein Kopfsteinpflaster fährt. Es genügt bereits die Ablage im Auto oder auf dem Boden im Fahrgastinnenraum. Gerade professionelle Kameras sollten bei Stößen und Erschütterungen nicht übersensibel mit Ausfällen reagieren. Der Sinusvibrationstest prüft zum einen mit einer steigenden Frequenz und zum anderen mit einer konstanten Beschleunigung von 2 g die Widerstandsfähigkeit. Die anschließende Überprüfung der Verschluss- und Belichtungsgenauigkeit bescheinigte den Prüflingen ebenfalls eine hohe Zuverlässigkeit.

Temperatur-Schocktest

Die dritte Prüfung stellte nun an die Testkandidaten besonders extreme Anforderungen. Mit dem ultraschnellen Übergang von -10xGRADxC zu +40xGRADxC in sechs Zyklen wurde die Produktqualität geprüft. Die Besonderheit dieses Tests war also, dass die Prüflinge regelrechten Temperaturschocks ausgesetzt waren, was eine zusätzliche Belastung bedeutete. Materialermüdung kann da z. B. eine mögliche Folge sein. Doch trotz der strengen Parameter bewiesen die Kameras ihre große Robustheit. In den nachfolgenden Funktionsprüfungen stellten sie abermals ihre hervorragende Leistung unter Beweis. Im Normalfall werden Kameras nicht den extrem niedrigen Temperaturen ausgesetzt. Im Hochsommer können jedoch Temperaturen bis +40xGRADxC z. B. im Inneren eines Autos leicht erreicht werden. Wer eine Expedition in extreme Kältegebiete plant, hat die Möglichkeit, die Mechanik der Kamera bis zu -40xGRADxC extra kältefest zu machen. Die Kundendienste der Hersteller beraten hier gerne. Bei den Funktionsprüfungen wurden die Auswirkungen auf Spannungsgeber und Filme nicht berücksichtigt. Da sie aber bei extremer Beanspruchung stärker abgenützt werden können, folgt ein kurzer Überblick über mögliche Störursachen.

Filme

Grundsätzlich gehen die Experten der Firma Kodak davon aus, dass von 0 bis 40xGRADxC nichts passiert, was innerhalb des normalen Verfallszeitraumes zu Beeinträchtigungen führen könnte. Die zugehörige Luftfeuchtigkeitsspanne von 20 bis 80% muss allerdings mit berücksichtigt werden. Niedrigere Temperaturen können z. B. die Mechanik (Filmtransport) beeinträchtigen und höhere lassen die Emulsion schneller altern. Ab etwa 80xGRADxC sind auch bei einem kurzfristigen Einwirken sichtbare Beschädigungen und Verformungen des Materials zu erwarten.

Batterien

Auch Batterien können zum Störfaktor für das fotografische Arbeiten werden, wenn sie nicht bei der idealen Raumtemperatur verwendet werden. So sind Lithiumbatterien bei -20xGRADxC bis +60xGRADxC spannungsgebend - jedoch mit Einschränkung. Denn auch hier ist die ideale Temperatur 21xGRADxC. Alle Werte darunter verlangsamen die Batterieleistung und alle darüber beschleunigen sie. Alkalibatterien reagieren noch empfindlicher auf Temperaturen außerhalb des Idealbereichs. Mit Einschränkungen wird der Bereich für 0xGRADxC bis 50xGRADxC angegeben. Darunter lässt die Leistung rapide nach. Bei Temperaturen über 21xGRADxC steigt zudem die Selbstentladungsrate und sie verlieren damit schnell ihre Kapazität. Über 50xGRADxC werden sie irreversibel geschädigt. Um die Leistungseinbußen gering zu halten, empfehlen die Hersteller, die Batterie so lange wie möglich am Körper zu tragen.

Normierte Testverfahren

COLOR FOTO testet ausschließlich in der Testfactory mit DIN-normierten Verfahren, denn sie bedeuten Sicherheit bezüglich ihrer Reproduzierbarkeit und der Überprüfbarkeit. Normen beschreiben unter anderem technische Sachverhalte und gewährleisten eine Qualitätssicherung. Erarbeitet werden sie in 4600 Arbeitsausschüssen mit 28 500 externen Experten. In Deutschland ist das Deutsche Institut für Normung e.V. mit Sitz in Berlin dafür zuständig. Jeder Hersteller kann sich freiwillig entscheiden, ob er die DIN-Normen als Standard für seine Produktion wählt. Länderübergreifend (130 Mitgliedstaaten) arbeitet die International Organization for Standarization (ISO) Qualitätsverfahren für verschiedene Bereiche aus.

Test: Klimawechsel von eisiger Kälte zu feuchter Wärme

Für den ersten Umweltsimulationstest wählten die Tester die Temperaturwechselprüfung mit Feuchte in Anlehnung an DIN IEC 68 - 2 - 38. Sie soll die typische kontinentale Klimasituation im Winter simulieren, wenn die Kamera vom kalten Außenbereich in einen beheizten Innenraum gebracht wird.

VERSUCHSAUFBAU

Die Prüfgruppe besteht aus je einer Kamera: EOS-1V, Nikon F5 und Leica R8. In einem Klimaschrank (LGA Nürnberg) durchlaufen die Testobjekte insgesamt vier Mal die Klimaveränderung von -20xGRADxC in die Zone +25xGRADxC mit 85% relativer Luftfeuchtigkeit. Die Verweildauer beträgt bei -20xGRADxC zwei Stunden und bei +25xGRADxC vier Stunden. Die Geräte bleiben während der gesamten Versuchszeit in einer Klimakammer. Die Feuchtigkeitsabfuhr nach der warmen Periode geschieht wie bei einem gewöhnlichen Wäschetrockner mit einem Kondensator. Vor und nach der Temperaturwechselprüfung wurden die Verschlusszeiten nach DIN 19015 und DIN 19016 und die Belichtungsgenauigkeiten nach DIN 19010 mit einem Kameratester von Kyoritsu EF-8000 gemessen.

ERGEBNIS

Nach der Temperaturwechselprüfung waren keine sichtbaren Schäden wie Materialbruch, Risse oder Deformation feststellbar. Die anschließende Überprüfung der Verschlusszeit sowie der Belichtungsgenauigkeit ergab keine signifikanten Abweichungen. Alle drei Kameras waren also weiter voll funktionsfähig. Allerdings muss bei diesem Ergebnis berücksichtigt werden, dass eine Fehlfunktion der Kameras bei extremen Klimaschwankungen durch die Batterien verursacht werden kann.

Test: Schütteln und Fallen

Im zweiten Umweltsimulationstest haben die Tester geprüft, welche Schäden durch eine rauhe Handhabung verursacht werden können. Der Sinus-Vibrationstest nach DIN 58 390 T3 simuliert Erschütterungen, wie sie z. B. beim Transport der Kamera im Fahrradkorb oder auf der Ablage im Auto auftreten können.

VERSUCHSAUFBAU

Die Prüfgruppe besteht aus je einer Kamera: EOS-1V, Nikon F5 und Leica R8. Für den Sinusvibrationstest wurden die Prüflinge auf einem elektrodynamischen Schwingerreger in der LGA Nürnberg befestigt. Die Messung gliedert sich in zwei Teile. Im ersten wird pro Minute die Frequenz um 8 Hz erhöht, gestartet wird bei 10 Hz, die Auslenkungsamplitude bleibt dabei konstant 0,15 mm. Im zweiten Teil ist die Beschleunigung mit 2 g konstant und die Auslenkungskonstante ist variabel. Insgesamt werden 20 Zyklen gefahren. Vor und nach dem Vibrationstest wurden die Verschlusszeiten nach DIN 19 015 und DIN 19 016 und die Belichtungsgenauigkeit nach DIN 19 010 mit einem Kameratester von Kyoristu EFF8000 gemessen.

ERGEBNIS

Nach der Vibrationsprüfung sind keine sichtbaren Schäden wie Materialbruch, Risse oder Deformationen feststellbar. Auch die an schließende Überprüfung der Verschlusszeit und der Belichtungsgenauigkeit ergab keine signifikanten Abweichungen. Alle drei Kameras waren also weiter voll funktionsfähig. Daraus lässt sich folgern, dass die Prüflinge sehr robust konstruiert sind und auch eine eher unsanfte Art des Transportes die Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt.

Test: Extreme Temperaturschwankungen in kürzester Zeit

Im dritten Test haben die Ingenieure die Prüfungsbedingungen noch einmal extrem erhöht. Mit dem Temperatur-Schocktest nach DIN IEC 682-14 Na können Materialermüdung und Mängel in der Fertigung schnell entdeckt werden.

VERSUCHSAUFBAU

Die Prüfungsgruppe besteht aus je einer Kamera EOS-1V, Nikon F5 und Leica R8. Für jeden Test, so auch für diesen, wurden neue Kameras eingesetzt. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass die Ursache für eine eventuelle Fehlfunktion nicht mehr eindeutig zuordenbar war. Außerdem war damit gewährleistet, dass jeder Umwelttest auch sicher durchführt werden konnte und nicht einer aufgrund eines Ausfalls von einem Probanden abgesagt werden musste. Im Prüflabor befanden sich also gleichzeitig insgesamt neun Kameras, drei von einem Typ. Bei der Temperaturschockprüfung wurden nun in einem Klimaschrank mit zwei Kammern (LGA Nürnberg) die Testobjekte schlagartig von einer Temperaturzone in die andere transportiert. In jeder Zone (+40xGRADxC und -40xGRADxC) verweilen die Kameras je eine Stunde. Insgesamt werden sechs Zyklen gefahren. Vor und nach dem Temperatur-Schocktest wurden die Verschlusszeiten nach DIN 19 015 und DIN 19 016 sowie die Belichtungsgenauigkeiten nach DIN 19 010 mit einem Kameratester von Kyoritsu EF-8000 gemessen.

ERGEBNIS

Nach der Temperaturschockprüfung sind keine Schäden wie Materialbruch, Risse oder Deformationen feststellbar. Die Überprüfung der Kamerafunktionen im Anschluss ergab auch keine signifikanten Abweichungen. Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass die Profikameras gegen extreme Temperaturschwankungen unempfindlich sind. Voraussetzung ist allerdings, dass die Schmiermittel nicht veraltet sind, denn sonst könnte es Probleme mit der Mechanik geben.

Alle Testergebnisse im Überblick

Die Tabellen beinhalten die Ergebnisse vor und nach den Extremtests. Sowohl bei der Verschlussgenauigkeit (in ms) als auch bei der Belichtungsgenauigkeit (in EV) ist es ein Mittelwert von zehn Messungen. Mögliche Abweichungen befinden sich alle im toleranten Bereich. Eine Beeinträchtigung der Funktionsweise resultiert also nicht aus den Extremtests.

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Fazit:

Selbst extreme Belastungen konnten der EOS-IV, der Leica R8 und der Nikon F5 nichts anhaben. Unsere Tester bescheinigten allen Prüflingen nach den Umweltsimulationstests beste Noten für die Fertigung, die Belastbarkeit und die Zuverlässigkeit. Fotografen können sich also auch in schwierigen Situationen darauf verlassen, dass die geprüften Kameras einwandfrei funktionieren.

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