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Artikel
2001
Kameras
DER RICHTIGE EINSTIEG IN DIE SPIEGELREFLEXFOTOGRAFIE
WAS SIE WIRKLICH BRAUCHEN ...
Mit jener Kreativität, die aus der Krise wächst, verzichten viele Fotohändler auf ihre Marge bei den Kameras, auf dass die Kundschaft den Weg in den Laden finde. Dort angekommen, wird die Fotoklientel mit dogmatischer Unbeirrbarkeit dazu animiert, beispielsweise Filter zu kaufen, um sie als durchsichtige Objektivdeckel einzusetzen. Denn auch wer an der Kamera nichts verdient, muss seine Overheadkosten bestreiten. Aber Sie müssen nicht alles kaufen, was man Ihnen andrehen möchte.
Die Zeiten, als man nicht Kameras, sondern Image kaufte, sind längst vorbei. Dennoch braucht jeder Fotoeinstiger eine Kamera, genauer eine SLR-Kamera (SLR = Single Lens Reflex = Spiegelreflexkamera), denn wer mehr als Schnappschüsse anstrebt, darf den Einstieg in die faszinierende Welt der Spiegelreflexfotografie nicht verpassen. Die Entscheidung für eine Spiegelreflexkamera ist gleichzeitig auch der erste Schritt auf dem Weg zu bewussten, anspruchsvollen Fotoaufnahmen. Ein wichtiger Vorteil der Spiegelreflexkameras ist die Obereinstimmung von Sucherbild und Bildfeld. Dadurch ist eine genaue Kontrolle des Bildaufbaus und - eine Abblendtaste vorausgesetzt der Schärfentiefe als Mittel der Bildgestaltung möglich. Entscheidend ist auch, dass nur Spiegelreflex-Systemkameras so flexibel und universell einsetzbar sind, dass sie sich für jedes Aufnahmegebiet und für jeden Anspruch ausbauen lassen. Ob der SLR-Einstieg einfach oder beschwerlich wird, hängt zunächst von der Wahl der richtigen Kamera und des auf die individuellen Fotoansprüche abgestimmten Zubehörs ab.
Die Kamera. Bei der Ausstattung gibt es kaum Unterschiede zwischen den besten Modellen der Einsteigerklasse. Und beim Bedienungskonzept werden die Unterschiede zwischen den Produkten einzelner Hersteller ebenfalls geringer, denn man orientiert sich auch in Japan zunehmend und auffallend an den Bestseller-Modellen des Marktführers Canon. Folglich weisen die meisten neuen AF-SLR-Kameras zu Preisen unter 1000 Mark als zentrales Bedienelement das Programmwahlrad auf, das maßgeblich zum Verkaufserfolg der EOS-Kameras beigetragen hat. Und zu Recht, denn es gibt nach wie vor keine einfachere und bessere Möglichkeit für die Einstellung der Belichtungsprogramme. Die Piktogramme und Symbole sind selbsterklärend und auch bei ausgeschalteter Kamera einwandfrei zu erkennen. Das ist auch dann ein Vorteil, wenn die Kamera nach monatelanger Pause wieder eingesetzt werden soll: Man kann die Kamera auch ohne Lektüre der Bedienungsanleitung auf Anhieb bedienen. Die Canon EOS 300 und die EOS 3000 können auf eine lange „Wählscheiben-Tradition" zurückblicken, während mit der Nikon F60 die erste AF-SLR-Kamera des Hauses mit Programmwählscheibe war. Bei der Dynax 505si Super geht Minolta einen Mittelweg: Die Ebene der wichtigsten Programme und Funktionen wird mit einer Wählscheibe vorgewählt, die gewünschten Einstellungen dann aber bei gedrückter Funktionstaste mit dem Einstellrad vorgenommen. Das ist zwar eine gute Lösung, die aber durch Mehrfachbelegung der Positionen auf der Scheibe nicht die Einfachheit und Übersichtlichkeit der einfach belegten Programmwählscheibe erreicht. Die Pentax MZ-7 verfügt ebenfalls über eine Programmwählscheibe, die sich aber selbst nicht dreht. Die Programme werden mit einem Ring eingestellt, der sich um das „feste Einstellrad" drehen lässt. Mit einer klassischen Programmwählscheibe ist auch die Sigma SA-5 ausgestattet, die der EOS-Wählscheibe sehr nahe kommt. Die zielgruppengerechte Ausstattung einer AF-SLR-Einsteigerkamera erkennt man in erster Linie an den Motivprogrammen für Porträt-, Landschafts-, Sport/Action- und Makro-Aufnahmen. Einige Kameras bieten auch ein Motivprogramm für Nachtporträts oder, eine Canon-Spezialität, die Schärfentiefenautomatik. Die Motivprogramme sind mit Piktogrammen gekennzeichnet und arbeiten automatisch mit einer motivabhängigen Steuerung der Blende und Verschlusszeit. Damit gelingen, von der Aufnahmetechnik unbelastet, gekonnt aussehende Aufnahmen in den wichtigsten Motivbereichen. Höchsten Belichtungskomfort und alle Einstellmöglichkeiten bietet die verschiebbare Programmautomatik (Programmshift), indem sie gestattet, die Zeit-Blenden-Kombination bei gleich bleibendem Belichtungswert nach Wunsch zu verändern. Leider sind aber nur wenige Einsteigerkameras mit shiftbarer Programmautomatik ausgestattet, wie zum Beispiel die Canon EOS 300 und EOS 3000. Blenden- und Zeitautomatik sowie manuelle Belichtungseinstellung ermöglichen es, Blende und Verschlusszeit manuell zu bestimmen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Fotoanfänger entscheidende Fortschritte machen und sich zu Könnern entwickeln wollen. Für diese Zielgruppe ist auch eine Belichtungsreihenautomatik hilfreich. Dabei werden meistens drei Aufnahmen automatisch belichtet: zusätzlich zur Aufnahme mit dem gemessenen Wert werden zwei flankierende Belichtungen ausgeführt (eine Unter- und eine Oberbelichtung). Durch verschiedene Belichtungsmessarten (Mehrfeld-, Integral- und Selektiv- oder Spotmessung) sowie manuelle Korrekturmöglichkeiten ist eine gezielte Steuerung der Belichtung und somit der Bildhelligkeit möglich. Gerade für Anfänger ist ein Autofokussystem mit einem zentralen AF-Kreuzsensor wichtig, weil er auf alle Strukturen, unabhängig von ihrer Ausrichtung fokussieren kann. AF-Liniensensoren können nämlich nicht auf Strukturen fokussieren, die parallel zu ihrer Ausrichtung verlaufen. Die Nikon F60 arbeitet nur mit einem zentralen AF-Liniensensor, die Pentax MZ-7 mit drei Liniensensoren in H-Anordnung, während die Canon EOS 3000, die Dynax 505si Super und die Sigma SA-5 mit einem zentralen AF-Kreuzsensor arbeiten, der von zwei vertikalen AF-Sensoren flankiert wird. Ober das beste AF-System der Einsteigerklasse verfügt ohne Zweifel und mit Abstand die Canon EOS 300 (es stammt in abgespeckter Form von der EOS-3/EOS-1V). Der zentrale AF-Kreuzsensor wird seitlich von je zwei vertikalen AF-Liniensensoren flankiert. Ober- und unterhalb des zentralen Kreuzsensors befindet sich je ein horizontal angeordneter AF-Liniensensor. Dadurch entsteht ein großes AF-Messfeld mit einer relativ hohen Messdichte, das auch außermittige Hauptmotive erfassen kann.
Kamera-Empfehlungen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn SLR-Einsteiger (vor allem solche mit höheren Ambitionen) sich für eine Kamera entscheiden, mit der sie, fotografisch gesehen, „wachsen" können. Die beste AF-SLR-Kamera unter 600, ja sogar unter 1000 Mark ist gegenwärtig ohne Zweifel die Canon EOS 300. Bei ihr stimmt alles: Preis, Ausstattung, Systemausbau, Bedienung, Leistungsniveau. Im Nikon-System bietet die F60 den besten Einstieg, bei Minolta ist es die Dynax 505si Super und bei Pentax die MZ-7.
Objektive. Ein gewichtiges Argument für den Kauf einer Spiegelreflexkamera ist auch der Einsatz der Wechselobjektive. Sie können die Einsatzbereiche der Kameras erweitern und sogar neue Aufnahmegebiete erschließen, man denke an die Makro- oder Tierfotografie. Wechselobjektive ermöglichen außerdem, die Brennweite so zu wählen, dass in Abhängigkeit vom Motiv und Aufnahmestandort die Bildidee optimal umgesetzt werden kann. Denn brennweitenabhängige Bildgestaltung ist der erste Schritt in Richtung anspruchsvolle Fotografie.
Spezialobjektive mit besonderen Abbildungscharakteristiken, wie Fisheye- oder Spiegellinsen-Objektive, lassen sich auch für kreative Effekte einsetzen. Als Erstausstattung reichen normalerweise die im Set mit der Kamera angebotenen 28-80mm-Standardzooms. Diese Objektive werden jedoch üblicherweise eher im Hinblick auf einen attraktiven Setpreis als auf optische Leistung gerechnet. Das gilt im Prinzip auch für Sets mit Telezooms 80-200 mm oder 70-300 mm. Für höhere Qualitätsansprüche muss man etwas tiefer in die Tasche greifen und beispielsweise ein 28-105er, ein 24-120er oder - beim EOS-System - das 28-135er mit Bildstabilisator als Grundausstattung erwerben. Auch bei den Anschlussbrennweiten 70-200, 70-300 oder 100-400 mm muss klar sein, dass man keine wirklich gut korrigierten Telezooms für drei Hundertmarkscheine bekommt. Bei Universalzooms sind 28-300er den 28-200ern vorzuziehen. Der Brennweitenbereich ist bei nahezu identischen Objektivdimensionen größer, und die 28-300er weisen erstaunlicherweise sogar eine bessere Abbildungsleistung auf als die 28-200er. Die kleine Anfangsöffnung führt zwangsläufig zu längeren Verschlusszeiten, was vor allem im Telebereich die Verwacklungsgefahr erhöht (Anfangsöffnung 1:6,3 bei 300 mm). Objektive mit großer, im gesamten Brennweitenbereich konstanter Anfangsöffnung von 1:2,8 sind groß, schwer, teuer und nur dann Einsteigern zu empfehlen, wenn eine spätere Beschäftigung mit der anspruchsvollen Sport-, Action- oder Tierfotografie beabsichtigt ist. Im extremen Weitwinkelbereich unterhalb von 24 mm sollte man sich eher für eine gut korrigierte Festbrennweite entscheiden, wie zum Beispiel 2,8/20 mm. Denn bei Zooms in diesem extremen Bereich überwiegen die Nachteile: Sie sind nur mit einem sehr hohen Aufwand gut zu korrigieren, und selbst dann werden bestimmte systembedingte Abbildungsschwächen sichtbar. Vignettierung und Verzeichnung sind größer als bei vergleichbaren Festbrennweiten. Auch die Zentrierung erreicht normalerweise nicht das Niveau guter Festbrennweiten. Die Naheinstellgrenze der Zooms ist ebenfalls größer als bei den Festbrennweiten, was die raumdominante Darstellung kleiner Objekte erschwert. Und auch die Vorteile der Brennweitenverstellung fallen weniger ausgeprägt als im Telebereich aus. Denn es bringt beispielsweise nur wenig, von der Brennweite 19 mm auf 20 oder 21 mm zu zoomen. Bei einem Spiegelreflexsystem können Sie jederzeit die Ausrüstung ergänzen. Daher sollten Sie es mit dem Objektivkauf am Anfang nicht übertreiben. Zu viele Objektive können sogar die Konzentration auf das Motiv und die gewünschte Bildaussage beeinträchtigen. Denn es ist für die bewusste Bildgestaltung immer noch sinnvoll, in Ausschnittssprüngen zu denken und zu visualisieren. Man muss die Wirkung der nächsten Brennweite auch ohne Objektivwechsel einschätzen können. Bei der Objektivwahl sollte jeder Fotograf den für ihn jeweils optimalen Kompromiss zwischen Lichtstärke und Gewicht eingehen. Ein extremes Weitwinkelobjektiv mit einer Brennweite um 20 mm, ein Standard- und ein Telezoom würden als Allroundausrüstung in der Praxis ausreichen. Je nach Einsatzzweck lässt sich diese Grundausstattung freilich beliebig erweitern: Blumenliebhaber können zusätzlich ein Makro-Objektiv, Tierfotografen ein lichtstarkes Supertele mit Extender, Porträtfotografen ein hochgeöffnetes mittleres Teleobjektiv kaufen.
Filter. Als Fotoanfänger ohne Erfahrung sollten Sie aus didaktischen Gründen zunächst auf den Filtereinsatz verzichten. Mit wachsenden Erfahrungen und Ambitionen können Sie neutrale Verlauffilter, Polarisationsfilter sowie Rot-, Orange- und Gelbfilter für Schwarzweißfilme einsetzen. Filter können die Wirklichkeit verfremden, die Bildaussage steigern und sogar Aufnahmen voller Spannung von einem durchschnittlichen Motiv ermöglichen. Filter sind aber keine „durchsichtigen Objektivdeckel", wofür UV- und Skylight-Filter oft zweckentfremdend eingesetzt werden. Denn Filter sind große, planparallel geschliffene Flächen, die nicht Bestandteil der optischen Rechnung eines Objektivs sind und die Anfälligkeit gegen unerwünschte Reflexe erhöhen. Außerdem sind moderne Objektive durch diverse Vergütungsschichten gegen UV-Licht ohnehin geschützt. Und auch die Frontlinsen sind hartvergütet, was sie recht widerstandsfähig macht. Wenn Sie also nicht ein Motocross-Rennen aus nächster Nähe oder einen Sandsturm in der Sahara fotografieren möchten, können Sie getrost auf Filter als „durchsichtige Objektivdeckel" verzichten.
Für alle Filter gilt: Hochwertige, mehrfach vergütete Glasfilter beeinträchtigen die Abbildungsqualität am wenigsten. Nur bei Verlauffiltern sind Kunststofffilter in Filterfassungen aus Gründen der Bildgestaltung zu empfehlen, weil dadurch der Verlauf verschoben oder gedreht werden kann (bei kreisrunden Verlauffiltern befindet sich der Verlauf immer in der Bildmitte).
Fototaschen. Fototaschen und Fotorucksäcke haben eine wichtige Schutzfunktion gegen Schläge, Staub, Sand oder Regen und sichern somit die Funktionstüchtigkeit der Kameraausrüstung. Eine mit Reißverschluss versehene zusätzliche Deckelfolie erhöht den Schutz gegen Feuchtigkeit und feinem Sand. Gute Fototaschen haben einen hohen Tragekomfort und erlauben einen schnellen Zugriff auf Kamera, Objektive und Zubehör. Keinen so schnellen Zugriff, dafür aber wesentlich höheren Tragekomfort bieten gute Fotorucksäcke, die vor allem für schwere, umfangreiche Ausrüstungen empfehlenswert sind.
Dezente Farben haben den Vorteil, das Wild nicht zu verscheuchen und keine Diebe anzulocken.
Blitzgeräte. Aufsteckbare, leistungsstarke Blitzgeräte können auf Reisen oft gute Dienste leisten, sind aber relativ groß und haben, mit Batterien bestückt, eben auch ihr Gewicht. Lässt man sie im Hotel, ist der Ärger groß, wenn man sie gerade brauchen könnte. Aber auch wenn man den Aufsteckblitz immer dabei hat, bedeutet es noch lange nicht, dass man ihn auch einsetzen kann. Denn in den meisten Museen, Kirchen, Palästen ist das Fotografieren mit Blitzlicht verboten. Wenn der mögliche Einsatz des Aufsteckblitzes nicht von vornherein feststeht, ist das Mitführen eines Blitzgerätes eine nur individuell zu beantwortende „Gewissensfrage".
Stative. Stabile Dreibeinstative sind zweifelsohne eine wichtige Hilfe für verwacklungsfreie Aufnahmen und erleichtern, vor allem Anfängern, die Bildgestaltung. Aber dennoch, die Frage, ob ein Stativ beispielsweise auf Reisen mitgeführt wird oder nicht, lässt sich für Fotoamateure nur subjektiv beantworten. Denn hier gilt dasselbe wie bei Blitzgeräten: In den meisten Museen, bedeutenden Kirchen oder Palästen ist das Fotografieren mit Stativ verboten. Und selbst wenn man das Stativ immer dabei hat, wird man es nur selten aufbauen. Wer sich für ein Stativ als Reisebegleiter entscheidet, sollte ein gerade noch tragbares stabiles Dreibeinstativ mitnehmen. Es geht also in diesem Fall darum, den bestmöglichen Kompromiss zwischen Tragfähigkeit und Stabilität zu finden. Dasselbe gilt auch für den Kugelkopf (3D-Neiger sind für Fotoaufnahmen weniger empfehlenswert). Einbeinstative sind für große und schwere Teleobjektive mit großer Anfangsöffnung gedacht. Ein 4/600erTele „sitzt" mit seinen sieben Kilo sehr stabil auf einem Einbeinstativ. Mit einem 600 Gramm leichten Telezoom ist die Einheit Stativ/Objektiv/ Kamera bei weitem nicht mehr so stabil. Daher eignen sich Einbeinstative eher für Fotosafaris in Tierreservaten als für herkömmliche Fotografie.
Fazit. Grundsätzlich sollten Sie sich im Fotogeschäft so wie im Restaurant verhalten: Sich nur für das entscheiden, was Sie tatsächlich wollen, und nicht für das, was weg muss oder für das Teuerste. Im Zweifelsfall sollten Sie sich, vor allem beim Zubehör, mit dem Kauf Zeit lassen. Sie können ja jederzeit alles nachkaufen. Nennenswerte Rabatte lassen sich üblicherweise ohnehin nur beim Kauf mehrerer Objektive aushandeln. Als Fotoanfänger werden Sie normalerweise in den ersten Monaten weder Filter noch Einbeinstative brauchen. Daher ist es sinnvoll, das Geld für zunächst nicht benötigtes Zubehör eher in einer teureren und somit besseren Objektivausstattung anzulegen.
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