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Artikel
2001
Photographica
Die Exakta
Mancher Sammler stellt seine Schätze in die Vitrine und erfreut sich am Aussehen, mancher wiederum möchte möglichst alles ausprobieren und historische Fototechnik anwenden. Die Exakta ist für beide Gruppen interessant.
Das Urmodell kam 1935 heraus. Die „Kine-Exakta" aus Dresden war nicht nur die erste Spiegelreflexkamera für den 35-mm-Kinofilm, sondern sie war für die Leica-Filmpatrone vorgesehen, die auch heute noch Standard für Kleinbildfilme ist. Das erste Modell hatte eine runde Sucherlupe am fest eingebauten klappbaren Lichtschacht. Die oben links abgebildete Kamera entstammt der zweiten Serie, das „c" im Namen deutet auf ein Exportmodell hin. Die„ Exakta Varex VX" (oben rechts) steht stellvertretend für eine Reihe von Typen aus den fünfziger Jahren, die sich vor allem durch den Wechselsucher vom Vorkriegsmodell unterscheiden.
Die Technik: Filmtransport mit Schnellschalthebel (seiner Zeit weit voraus), Belichtungszeitenrad, Auslöser und Bildzählwerk sitzen links - so ist die rechte Hand frei für die Dinge, die normalerweise kurz vor der Aufnahme eingestellt werden, für Blende und Entfernung. Die Formgeber haben nicht versucht, Bedienungselemente zu verstecken; der Hebel zur Freigabe des Filmtransports für die Rückspulung, bei vielen Kameras unauffällig am Boden untergebracht, sitzt hier an der Oberseite. Der Auslöser lässt sich mit einem kleinen Schutzbügel sichern. Im Zeitalter der Schnelllabors vielleicht überflüssig, aber damals für Hobbylaboranten nützlich: Das eingebaute Messer zum Abschneiden des Films für den Fall, dass ein Teilfilm entnommen werden soll.
Der Tuchschlitzverschluss ist so konstruiert, dass er auch in vielen der ältesten Exaktas heute noch einwandfrei funktioniert. Der Spiegelschlag ist gut gedämpft, so dass Verwacklungsgefahr durch das Hochklappen nicht besteht. Natürlich bleibt bei den gezeigten Modellen der Sucher nach dem Auslösen dunkel. Ein Rückschwingspiegel wurde 1967 eingeführt. Etwas Besonderes ist der Zeitenumfang des Verschlusses. Der Belichtungszeitenbereich reicht von 1/1000 Sekunde bis zu vollen zwölf Sekunden!
Die Handhabung ist allerdings ungewöhnlich. Für die Zeiten ab 1/5 Sekunde muss der Verschluss auf „T" gestellt werden, außerdem muss die Zeit am rechten Rad eingestellt werden, und das Rad muss zusätzlich mit viel Kraftaufwand aufgezogen werden. Auch heute noch funktioniert das bei beiden gezeigten Kameras einwandfrei. Der Nachteil: Wenn man das Aufziehen des Langzeitenrades vergisst, bleibt der Verschluss offen. Außerdem gibt es zwischen 1/25 Sekunde und 1/5 Sekunde keinen Zwischenwert. Auch der Selbstauslöser - besser zeitgemäß „Vorlaufwerk" genannt -wird am rechten Rad eingestellt. Es bietet den Vorteil, dass der Spiegel bereits zu Beginn der Vorlaufzeit halb hochgeklappt wird, so dass die Erschütterungen durch den Spiegel noch verringert werden. Bei Benutzung des Vorlaufwerks geht der Zeitenbereich nur bis sechs Sekunden, aber das ist für einen mechanischen Verschluss immer noch rekordverdächtig. Dass der Lichtschachtsucher über eine Klapplupe verfügt, ist normal. Ungewöhnlich hingegen ist die massive Mattscheibe, die schon ohne besondere Lupe das Kleinbild auf 3x4 cm vergrößert, ohne es über Gebühr zu verzerren.
Entwicklungspotenzial war in der Konstruktion reichlich vorhanden. 1950 wurde der Wechselsucher eingeführt, der sich gegen ein Sucherprisma austauschen ließ, in den sechziger Jahren kam ein TTL-Prisma dazu. An der VX dient der kleine Hebel über dem Objektivanschluss zum Entriegeln des eingesetzten Sucherprismas.
Das Objektivbajonett blieb über 35 Jahre lang unverändert. Mit einem geschmeidigen Dreh rasten die Objektive ein, ebenso wie bei der modernsten Spiegelreflexkamera. Typisch für die Exakta ist der gut sichtbare Entriegelungshebel.
Das Design wurde im Laufe der Jahre leicht geändert, aber der trapezförmige Gehäusegrundriss blieb. Als in den fünfziger Jahren die automatische Abblendung aufkam, brauchte das Gehäuse der Exakta nicht geändert zu werden. Da der Auslöser direkt neben dem Objektivbajonett sitzt, wurden die Objektive nun mit einer Abblendvorrichtung versehen, die gleichzeitig mit dem Auslöser betätigt wird. Das abgebildete Objektiv an der VX ist derart ausgerüstet. Doch nicht alles, was sich Exakta nannte, wies die beschriebenen Merkmale auf. Die Exakta RTL sollte 1970 an die frühen Erfolge anknüpfen, aus Westberlin kam die Exakta Real, aus Japan die Exakta Twin sowie einige weniger bekannte Spiegelreflexkameras; diese späteren Exaktas sind nur zum Teil mit dem Original kompatibel.
Die „Exa", mit stark vereinfachtem Verschluss und veränderter Gehäuseform, war die preisgünstige Schwester der Exakta und großenteils mit ihr kompatibel.
Objektive für die „richtige" Exakta gab es in fast unermesslicher Vielfalt. Es dürften weit über 150 Objektivtypen hergestellt worden sein, vor allem von Zeiss (Jena) und Meyer (Görlitz), aber auch von westdeutschen Firmen wie Isco, Schacht, Schneider und Enna. Das kleine Tessar 3,5/50 mm an der älteren Exakta entspricht dem Vorkriegsmodell, das lichtstarke Normalobjektiv an der VX stammt aus den sechziger Jahren. Das Objektiv rechts ist ein besondes kompaktes 180-mmTele von Meyer, Görlitz.
Die Preise waren früher hoch. Heute sind die Nachkriegsmodelle, gemessen an der historischen Bedeutung und der Qualität, günstig. Die Kameraproduktion in der DDR stand - zu Unrecht immer etwas im Schatten der Westprodukte, und durch die lange Produktionszeit gelangen auch zehn Jahre nach der Wende immer wieder Exaktas in den Handel. Gerade in den neuen Bundesländern stehen die Chancen gut, ein schönes Stück zu erwerben. Modelle mit Gebrauchsspuren sind durchweg ab 150 Mark zu haben. Das frühere Modell kann schon das Doppelte kosten. Für den seltenen Urtyp mit runder Sucherlupe werden deutlich über 2000, manchmal sogar über 3000 Mark verlangt. Objektive werden zu sehr günstigen Preisen angeboten.
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