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Normtest
Leica R4-mot
Der Edel-Multi
Adel verpflichtet. Ein altes Sprichwort, das im Laufe der Geschichte nicht immer bestätigt wurde. Eine neue Kamera "derer von Leitz" wird daher immer besonders kritisch am Vorbild ihrer ruhmreichen Ahnen gemessen.
Grundlage für jeden NORMTEST ist natürlich der DIN-Standard. Dennoch fordert die Leica R4 zum Festhalten einiger subjektiver Eindrücke auf, um dieser Kamera gerecht zu werden.
Ein gewisses "Feeling" kann man einfach nicht in DIN-Normen pressen und erfassen. Wer schon einmal eine Leica in der Hand gehabt hat, weiß, was gemeint ist. Und wer diesen Eindruck noch nicht hatte, sollte beim Fotohändler einmal eine R4 in die Hand nehmen, um ihn zu erfahren. Die ersteren werden ihre an den Namen Leitz geknüpften Erwartungen bestätigt finden, die letzteren einen neuen subjektiven Standard entdecken. Sämtliche Bedienungselemente vermitteln den Eindruck solider Verarbeitung und hoher Präzision. Der Filmtransport geht "geschmeidig", der Auslöser "butterweich` und die Objektiveinstellung "wie geschmiert`, um es einmal in gängigen Attributen auszudrücken, die oft zu Unrecht strapaziert werden. Und damit niemand jetzt NORMTEST positive Befangenheit der R4 gegenüber unterstellt, hier gleich die andere Seite der Medaille, die ebenso zu dieser Kamera gehört: ihr Preis. Es gibt Kameras, die nur die Hälfte der Leica R4 oder noch weniger kosten und die auch besser sind, als es die DIN-Normen verlangen. Und mit denen kann man ebenso gute Fotos wie mit einer R4 machen. Jemand, der fotografisch sehen kann, wird damit bessere Fotos machen, als ein Knipser, der sich die R4 vor den Bauch hängt, weil er eine dicke Brieftasche hat. Das gewisse "Feeling" hat also seinen nicht zu übersehenden Preis. Soviel vorweg zur besseren Charakterisierung.
Funktionen
Bei der Leica R4 handelt es sich um einen sogenannten "Multiautomaten", also eine Kamera mit mehreren Belichtungsmeß- und Steuerfunktionen. Die R4 bietet die folgenden:
Zeitautomatik mit Großfeldintegralmessung, d. h., nach Vorwahl der Blende wird fast über das gesamte Bildfeld gemessen.
Zeitautomatik mit Selektivmessung, d. h., auch hier wird die Blende vorgewählt, aber der Meßwinkel ist eng begrenzt.
Blendenautomatik mit Großfeldintegralmessung. Die Zeit wird vorgewählt, die Kamera stellt nach der Messung über fast das gesamte Bildfeld die richtige Blende ein.
Programmautomatik, ebenfalls mit Integralmessung. Die Kamera wählt selbsttätig, je nach Helligkeit und Filmempfindlichkeit, eine bestimmte Zeit-/Blendenkombination.
Selektive Nachführmessung. Zeit oder Blende wird vom Fotograf vorgewählt, je nach Motiv, und der jeweils andere Parameter entsprechend den Belichtungsanforderungen nachgeführt.
Eine weitere Automatikform bietet die R4 beim Blitzen mit "systemkonformen" Elektronenblitzgeräten, wie es in der Bedienungsanleitung heißt. Durch einen zusätzlichen Kontaktpunkt im Mittenkontaktschuh erfolgt die automatische Verschlußzeitensynchronisation und die Anzeige der Blitzbereitschaft im Sucher. Der Begriff "systemkonform" wird von Leitz nicht näher erläutert. Er umfaßt bis jetzt die Geräte von Braun und Metz, die mit dem SCA-System arbeiten sowie die Minolta-Blitzgeräte zu den XD/XG-Kameras.
Die Wahl des Belichtungsprogramms bzw. der Verschlußzeit erfolgt über einen kombinierten Einstellring am Auslöser. Der untere Ring erlaubt die Programmwahl der fünf beschriebenen Funktionen. Die jeweils eingestellte wird links neben dem Ring in einem kleinen Fenster angezeigt. Die Einstellung erfolgt mit dem Auslösefinger an der Vorderseite der Kamera. Zum Programmwechsel braucht die R4 nicht vom Auge genommen zu werden.
Ober dem Programm-Wählring liegt der gerändelte Verschlußzeitenring, der bei Blendenautomatik- und manuellem Betrieb benutzt wird. Neben den Zeiteneinstellungen von 1/000-1 s verfügt er noch über die Einstellungen "X" für Elektronenblitzsynchronisation, "B" für Langzeitbelichtungen und" 100" als mechanische Zeit bei Batterieausfall.
Der Belichtungskorrekturring oben links auf der Kamera ist, wie bei den meisten Kameras, mit der Filmempfindlichkeitseinstellung gekoppelt. Er erlaubt bei allen Automatikprogrammen die Ober- oder Unterbelichtung um ± 2 LW, in halben Stufen einrostend. Die Korrekturmöglichkeit ist bei den höchsten und niedrigsten Empfindlichkeiten eingeschränkt.
Belichtungsmessung
Wie schon erwähnt, verfügt die Leica R4 über zwei verschiedene Meßarten, die Großfeldintegralmessung und die Selektivmessung. Beide erfolgen über die im Boden des Spiegelkastens gelegene Silizium-Diode. Ein Teil des durch das Objektiv einfallenden Lichtes trifft hinter dem teildurchlässigen Rückschwingspiegel auf einen vor den Verschlußlamellen liegenden Fresnelreflektor. Von diesem fällt es auf die Silizium-Diode. Dieser Fresnelreflektor besteht aus 1345 Mikroreflektoren. Wenn der Rückschwingspiegel nach der Auslösung hochklappt, schwingt der Reflektor ebenfalls mit nach oben. Fotografiert man mit Polfilter, so macht der teildurchlässige Spiegel, der selbst als polarisierendes Element wirkt, die Verwendung eines Zirkular-Polfilters erforderlich.
Der Wechsel zwischen Integral- und Selektivmessung ist mit den Belichtungsprogrammen gekoppelt. Es kann also nicht jedes Programm mit jeder Meßmethode betrieben werden. Die Meßwinkelbegrenzung bei der einen Zeitautomatik-Einstellung und der Nachführmessung erfolgt durch das Vorschieben einer Sammellinse vor die Silizium-Diode. Dies geschieht automatisch bei der Wahl der beiden Einstellungen.
Das Belichtungsmeßsystem ist auf einen Reflexionsgrad normaler Motive, entsprechend einem mittleren Grauwert von 18%, geeicht. Bei der Selektivmessung wird das Meßfeld durch den großen zentralen Kreis im Sucher definiert. Der Meßwinkel beträgt dabei näherungsweise ca. 1/6 des angegebenen Bildwinkels des verwendeten Objektivs, das sind mit dem Standardobjektiv 7,5xGRADx. Der Meßbereich beträgt (bei Blende 1,4 und ISO 100/21xGRADx) für die Integralmessung EV 1 bis 19, bei Selektivmessung 3 bis 19. Diese Werte sind allenfalls durchschnittlich und liegen unter denen anderer Spitzenkameras. Besonders die Einschränkung im Bereich der Selektivmessung ist bedauerlich, da diese gerade bei Nachtaufnahmen u. ä. von Vorteil ist. Das Einschalten der Belichtungsmessung erfolgt durch leichtes Antippen des Auslösers. Sobald er wieder losgelassen wird, schaltet sich auch die Belichtungsmessung wieder aus.
Zeitautomatik/Sucheranzeigen
Bei eingeschalteter Zeitautomatik, gleichgültig, ob integral oder selektiv, werden die Verschlußzeiten stufenlos zwischen 1/1000 s und der längsten Verschlußzeit gesteuert. Wie lang letztere ist, hängt von der eingestellten Filmempfindlichkeit ab. Sie beträgt maximal bei der niedrigsten Empfindlichkeit 8 s. Dabei werden die Zeiten von 1/1000 bis 1/2 s von je einer LED markiert, bei Zwischenzeiten leuchten zwei auf. Bei Unterbelichtung leuchtet eine dreieckige LED am oberen Ende der Skala, für Zeiten von 1 s und länger eine am untere Ende. Die LEDs für die Zeiten von 1/30 s und länger sind zur Warnung vor Verwacklungsgefahr nicht rund, wie bei den kurzen Zeiten, sondern quadratisch gehalten. In der Mitte unter dem Sucherbild wird die Blende eingespiegelt. Links daneben wird in jedem Fall die eingestellte Betriebsart angezeigt. Bei der Integralmessung steht ein A' im rechteckigen Feld, bei der Selektivmessung in einem Kreis. Wird der Meßbereich unterschritten, so leuchtet ganz links außen ein rotes Dreieck zur Warnung. Solange es nicht aufleuchtet, wird richtig belichtet.
Wie die Kurven in dem Diagramm für die Zeitautomatik zeigen, arbeitet diese sowohl bei integraler wie auch bei selektiven Messung sehr gleichmäßig und deutlich innerhalb der DIN-Toleranzen. Die beiden Kurven wurden bei Blende 2,8 gemessen. Bei den anderen Blenden ergibt sich praktisch der gleiche Verlauf, lediglich bei den extremen Blendenwerten 1,4 und 16 ist die Abweichung etwas größer. Hier lag der mittlere Belichtungsfehler bei -1/2 bzw. -2 /3 EV. Es zeigte sich, daß die R4 auch bei angezeigter Überbelichtung noch richtig belichtet. Der Seiko MFC-ES Verschluß schaffte als kürzeste
zeit 1/2000 s.
Blendenautomatik/Sucheranzeigen
Der Betriebsartenschalter steht dabei auf "T". Das wird wieder im Sucher angezeigt. Anstelle der Zeitenskala rechts neben dem Sucherbild findet sich jetzt die Blendenskala von f/32 bis f/1,4. Am Objektiv wird die kleinste Blende eingestellt, diese ist unterhalb des Sucherbildes zu erkennen. Wird dies vergessen, so blinkt die T-Anzeige im Sucher. Rechts daneben ist jetzt noch die vorgewählte Zeit eingespiegelt. Ober- oder Unterbelichtung wird in der gleichen Weise wie bei der Zeitautomatik signalisiert, Reicht der Blendenbereich des eingesetzten Objektivs für eine richtige Belichtung nicht aus, so reguliert die Kamera noch über eine selbsttätige Änderung der Verschlußzeit nach, so weit es geht. Dies wird jedoch nicht angezeigt. Die Nachregulierung erfolgt auch, wenn vergessen wurde das Objektiv völlig abzublenden.
Dennoch arbeitet die Blendenautomatik nicht ganz so präzise wie die Zeitautomatik. Sie belichtet 1/6 bis fast 2 /3 EV zu knapp, liegt damit aber noch in der DIN-Toleranz.
Programmautomatik/Sucheranzeigen
Hier sucht sich die Kamera in Abhängigkeit von der Motivhelligkeit und der Filmempfindlichkeit selbst eine zur richtigen Belichtung führende Zeit-/Blendenkombination. Das Objektiv wird dazu wie bei der Blendenautomatik soweit wie möglich abgeblendet. Wird das vergessen, so blinkt diesmal die "P" Anzeige im Sucher. Die zum Programm gehörende Belichtungszeit wird im Bereich zwischen 1/1000s und 1/15 s angezeigt, längere Zeiten zur Warnung vor Verwacklungsgefahr nicht mehr. Welche Blende die R4 steuert, ist an der Kamera nicht ersichtlich. Wer es genau wissen will. kann den Programmverlauf in einem Arbeitsdiagramm des Belichtungsmessers in der Bedienungsanleitung zur R4 nachschlagen. Die Programmautomatik zeigt einen durchweg geraden Verlauf bei der Belichtungsgenauigkeit. Diese "Fast-Ideallinie" verläuft etwa 1/3 EV unter der Null-Linie. Damit nutzt die R4 die DIN-Toleranz nur zur Hälfte aus.
Manuelle Einstellung/Sucheranzeigen
Bei manueller Einstellung arbeitet die R4 mit der Selektivmessung. Dabei ist die Einstellgenauigkeit naturgemäß etwas geringer als bei der Zeitautomatik, da die Zeit nur in ganzen Stufen und die Blende nur in 1/2 Stufen verändert werden kann. Die elektronische Verschlußzeitensteuerung selbst arbeitet auf 1/6 EV-Stufe genau. Angezeigt werden unterhalb des Sucherbildes die eingestellte Blende und Zeit sowie die Betriebsart. Neben der Zeitenskala rechts gibt die rote LED die für die richtige Belichtung erforderliche Zeit an.
Sucher
Die Sucheranzeigen wurden schon bei den entsprechenden Programmen beschrieben. Das Sucherbild selbst läßt, trotz des teildurchlässigen Spiegels, an Helligkeit und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Als Scharfstellhilfen dienen ein Mikroprismenraster und ein horizontaler Schnittbildindikator. Die Einstellscheibe im Suchersystem ist auswechselbar.
Neben der Standardscheibe werden als Zubehör eine Vollmattscheibe, eine Mikroprismenscheibe, sowie eine Vollmattscheibe mit Gitterteilung und eine Klarscheibe angeboten. Allerdings verfügt der Sucher leider nicht. wie der Fotofan es von einer Kamera dieser Preisklasse erwarten könnte, über eine eingebaute Dioptrienkorrekturmöglichkeit. Es besteht lediglich die Möglichkeit, Korrekturlinsen aufzuschieben. Das Sucherokular kann zur Vermeidung von Störlichteinfall mit einer internen Okularabdeckung verschlossen werden.
Sonstige Ausstattungsdetails
Der Objektivanschluß erfolgt über das schon von der Leica R3 unverändert übernommene Bajonett. Damit geht der Objektivwechsel schnell und problemlos vonstatten. Die große Auflagefläche sorgt für einen sicheren und festen Sitz. Direkt über der Taste zur Objektiventriegelung sitzt die große und gut zu bedienende Abblendtaste zur Schärfentiefekontrolle. Diese funktioniert nur bei den Belichtungseinstellungen mit Blendenvorwahl, nicht aber bei Blenden- und Programmautomatik, wenn am Objektiv die kleinste Blende eingestellt ist.
Der Auslöser der R4 funktioniert mechanisch, damit die Kamera auch ohne Batterien mit der "B"-Einstellung und der mechanischen 1/100 s funktionsfähig bleibt. Der elektronische Auslöser mit ca. 8 s Vorlaufzeit wird mit einem 30xGRADx-Drehknopf eingestellt. Die Auslösung erfolgt durch leichtes Antippen des Auslöseknopfes oder der Sperrtaste des Programmwählers. Der Ablauf wird optisch durch ein rotes Blinklicht über dem "C" des Leica-Schriftzuges signalisiert. Das Blinken geht ca. 2 s vor der Aufnahme in Dauerlicht über. Die Rückwand verfügt nicht, wie meist üblich, über einen Memo-Halter, sondern besitzt ein Sichtfenster, das den Blick auf einen Teil der eingelegten Filmpatrone freigibt. Da die Beschriftung der Patronen aber uneinheitlich ist, ist es nicht immer ganz einfach, den Film zu identifizieren. Die Standardrückwand der R4 ist leicht auswechselbar. An ihrer Stelle kann eine Datenrückwand angesetzt werden. Damit ist es möglich, Jahr/ Monat/Tag oder einen Buchstaben-/Zahlencode in die rechte untere Bildecke einzubelichten. Synchro-Anschluß über Kabel am Blitzkontakt. Die Ausstattung der Leica R4 wird komplettiert durch den Anschluß für einen motorischen Filmtransport. Leitz bietet dafür den Motor-Winder R4 mit 2 Bildern pro Sekunde und den Motor-Drive R4 mit 4 Bildern pro Sekunde, umschaltbar auf 2 B/s und Einzelbild. Ein zusätzlich lieferbarer Handgriff mit verstellbarer Lederschlaufe sorgt für sicheren Halt.
Plus und Minus
Plus
variables Belichtungsmeß- und Steuersystem
umfangreiche Ausstattung
sehr leise
Minus
nur durchschnittlicher Arbeitsbereich des Belichtungssystems
sehr hoher Preis
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