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2001
Kameras
ERSTER VERGLEICH: CANON EOS 1V, NIKON F5 UND MINOLTA DYNAX 9
Wer baut die beste Profikamera?
Die Spitzenmodelle der drei führenden AF-SLR-Hersteller sind technisch und mechanisch bestmöglich auf die harten Einsatzbedingungen im Profialltag abgestimmt. Sie weisen jedoch unterschiedliche Konzepte auf, die Gegenstand einer näheren Betrachtung sein müssen, weil sich die praxisrelevanten Unterschiede zwischen den drei Profikameras daraus ergeben.
Die neue Canon EOS 1V zeigt mit einer Portion formaler Hochnäsigkeit, dass man hoch gezüchtete Kameratechnologie auch in kompakter Form auf den Markt bringen kann. Ohne Booster fehlt der neuen Canon EOS 1V aber nicht nur die gediegene Auffälligkeit der Nikon F5, sondern auch der ultimative AF-Leistungskick, der von einer üppigen Stromversorgung generiert wird. Der modulare Aufbau der Canon EOS 1V bringt jedoch relevante praktische Vorteile: Reportage- oder Reisefotografen können vom zusätzlichen Gewicht und Volumen eines Boosters im Wortsinn befreit agieren, während Action- und Sportfotografen mit dem Booster PB-N2, am besten mit dem Ni-MH-Akku-Pack NPE2 bestückt, zehn Bilder pro Sekunde bei höchster AF-Geschwindigkeit durch das Metallgehäuse jagen können. In der Grundausstattung kostet die EOS 1V noch erträgliche 3999 Mark, als HS-Variante 4599 Mark und in der höchsten Ausbaustufe mit Ni-MH-Akku-Pack NP-E2 und dazugehörigem Ladegerät NC-E2 sind weitere 790 Mark fällig. Aber nicht nur der modulare Aufbau hat seinen Preis. Die Nikon F5 kostet in der Grundausstattung mit dem Batterieteil MS-30 (für Mignonzellen AA) 4999 Mark, für die höchste Ausbaustufe mit NiMH-Akku MN-30 und Ladegerät MH-30 kommen noch 900 Mark dazu. In der Grundausstattung schlägt die Minolta Dynax 9 mit 3199 Mark zu Buche, der zusätzlich erhältliche Batterie-Handgriff VC-9 kostet 650 Mark.
Wenn man die drei Modelle der Profiklasse miteinander vergleichen will, stößt man unwillkürlich auf ein Problem. Denn bei der Nikon F5 ist der Booster bereits eingebaut, während er bei der EOS 1V und der Dynax 9 zusätzlich erhältlich ist. Daher hinkt der Vergleich mit Booster leicht, weil er nicht von der Grundausstattung ausgeht. Er ist aber sinnvoll und technisch vertretbar, denn die High-Tech-Kameras erreichen ihre Höchstleistung nur mit der üppigen Energieversorgung durch ein Booster mit NiMH-Akku. Wenn wir jedoch die höchste Ausbaustufe in Betracht ziehen, dann gibt es einen Nachteil für die Minolta Dynax 9, denn ihr Booster VC-9 lässt sich zwar mit dreierlei Batteriearten, nicht aber mit einem Ni-MH-Hochleistungsakku bestücken.
Autofokusbetrieb. Die erste Frage betrifft die AF-Leistung in der höchsten Ausbaustufe. Und die lässt sich am besten durch folgenden Vergleich beantworten: Mit je einem 2,8/300mm-Objektiv bestückt, verfolgen die drei Kameras ein Objekt, das sich mit 50 km/h auf sie zugbewegt. Die EOS 1V schafft die Schärfenachführung bis auf acht Meter bei einer Bildfrequenz von neun Bildern pro Sekunde, wobei zwischen den einzelnen Aufnahmen fokussiert wird. Das schafft auch die F5, aber „nur" bei acht Bildern pro Sekunde. Die Dynax 9 kann das Objekt auf neun Meter verfolgen bei einer Bildfrequenz von 4,5 Bildern pro Sekunde. Das sind freilich Spitzenleistungen, die jenseits dessen liegen, was anspruchsvolle Fotografen jemals brauchen dürften. Anders ist die Situation in der professionellen Sport- und Tierfotografie. Hier kann die EOS 1 V leichte Vorteile gegenüber der F5 herausarbeiten. Dabei spielt nicht nur die geringfügig höhere AF-Leistung eine Rolle, sondern auch die Anzahl und die Messdichte der AF-Sensoren, die eine Schärfeverfolgung erleichtern. Auch bei der Wahl der AF-Sensoren bietet die EOS 1V mehr Möglichkeiten. Die Empfindlichkeit der AF-Systeme wird von Canon mit EV 0, von Nikon und Minolta mit EV -1 angegeben, so dass theoretisch das EOS-System weniger lichtempfindlich ist. In der Praxis jedoch ist der zentrale AF-Sensor der EOS 1V (und EOS 3) als einziger in der Lage, Autofokusbetrieb bei Anfangsöffnung 1:8 zu bieten. Bei Nikon und Minolta ist AF-Betrieb nur bis Anfangsöffnung 1:5,6 möglich.
Auch bei der Belichtungsmessung und -Steuerung ist ein hauchdünner Vorsprung zugunsten der EOS 1V festzustellen. Zwar hat die Mehrfeldmessung der EOS 1V weniger Messfelder als die F5. Aber jedes der 21 Messfelder der EOS 1V ist an einen oder an mehrere AF-Sensoren gekoppelt, so dass die Position und Größe des Hauptmotivs differenzierter berücksichtigt werden kann. Die Anzahl der 14 Messfelder ist bei der Dynax 9 ausreichend für eine differenzierte Analyse der Motivhelligkeit, aber die Koppelung an nur drei AF-Sensoren könnte sich bei kritischen Lichtverhältnissen teilweise als problematisch erweisen. Die stromintensive 3-D-Color-Matrixmessung der Nikon F5 arbeitet mit 1005 Pixel, die Entfernungsdaten (3D) werden jedoch „nur" von fünf AF-Sensoren geliefert. Die Messcharakteristik der Integralmessung lässt sich bei der F5 in fünf Schritten verändern. Dafür kann die EOS 1V jedoch mit einer raffinierten Multispotmessung aufwarten, die aus bis zu acht Einzelmessungen automatisch einen Mittelwert bildet. Die Spotmessung kann bei der EOS 1V an elf oder neun AF-Sensoren gekoppelt werden, bei der F5 ist das „Andocken" an fünf AF-Sensoren möglich und bei der Dynax 9 bleibt die Spotmessung zentral.
Gemeinsamkeiten. Im Detail gibt es freilich zahlreiche weitere Unterschiede, die jedoch nur bei bestimmten individuellen Präferenzen eine Rolle spielen. Alle drei Modelle sind extrem robust, die Verschlüsse für mindestens 150 000 (EOS 1V und F5) beziehungsweise 100 000 (Dynax 9 - sie ist mit der 1/12000 s aber schneller) Auslösungen ausgelegt. Die Aufnahmedaten können von allen drei Modellen auf einen PC übertragen werden, bei der EOS 1V und der F5 können per PC sogar einige Funktionen umprogrammiert werden. Vom Feinsten ist auch die Blitztechnologie der drei Modelle, wobei auch hier die Canon EOS IV leicht die Nase vorne hat: Bei der E-TTL-Messung wird das Umgebungslicht in 21 Messfeldern ermittelt, und die EOS 1V bietet Blitzbelichtungsspeicherung direkt an der Kamera.
FAZIT:
Jede der drei Kameras ist ein technologisches Spitzenprodukt des jeweiligen Hauses, das Hightech mit Robustheit überzeugend verbindet. In der höchsten Ausbaustufe (mit Booster und Ni-MH-Akku) kann die Canon EOS 1V einen hauchdünnen Vorsprung vor der Nikon F5 verbuchen. Und das vermutlich aus einem einfachen, ja banalen Grund: Die F5 wurde zur photokina 1996 als erstes Modell einer neuen High-Tech-Kamerageneration eingeführt. Die Canon EOS 1V soll im Frühjahr 2000 auf den Markt kommen - und welche Rolle vier Jahre bei der Hard- und Software spielen, ist hinlänglich bekannt. Anders als die F5 ist die EOS 1V das zweite Modell einer Hochleistungsreihe, die mit der EOS 3 zur photokina 1998 begonnen wurde. Dadurch wurde nicht nur die Hard- und Software verbessert, sondern auch die Ausstattung. Hier ein Beispiel, das die Wahl der AF-Sensoren betrifft: Die bereits exzellente Wahl der AF-Sensoren der E05 3 wurde um eine neuartige Funktion (mit separater Taste) erweitert, die je nach individueller Programmierung mit einer Memory- oder Shift-Funktion belegt werden kann. Bei Nikon kam die Modellpflege bei der Wahl der AF-Sensoren der Nikon F100 zugute, die im Vergleich zur F5 mit einer zusätzlichen Funktion ausgestattet wurde, der entfesselten AF-Dynamik. Dass bei der F100 der AF-Messfeldwähler besser platziert und zusätzlich verriegelbar ist, sei nur nebenbei erwähnt. So verkehrt ist es also nicht, genügend Selbstvertrauen zu besitzen, um eine neue Hochleistungslinie in der zweiten Reihe zu beginnen. Dann fällt zwar der „Knalleffekt" weniger heftig aus, dafür kann man aber Kinderkrankheiten auskurieren und immer noch eins draufsatteln.
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