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Artikel
2001
Photographica
Mehr Design als Sein?
Kamera oder Handy? Wer Ungewöhnliches und Kurioses sucht, der kommt mit der Alfa auf seine Kosten.
Auf den ersten Blick könnte man sie für ein frühzeitliches Handy halten. Und von hinten sieht sie eher aus wie das Modell eines Telefonhäuschens. Aber es handelt sich um eine Kamera: die Alfa der Firma WZFO (Warzawskie Zaklady Foto-Optyczne) aus Warschau, die ungefähr 1960 gebaut wurde. Auch die Farben sind ungewöhnlich: cremefarbener Emaillelack in Kombination mit einem roten Rückteil, das aber auch in anderen Farben lieferbar war.
Von außen betrachtet. In Deutschland hatten zu jener Zeit die Kameras anders auszusehen: Die normale Halterichtung war für das Querformat vorgesehen, Chromteile und Lederimitation prägten das Äußere. Bei der Alfa zeigt schon der Namenszug, dass der Apparat normalerweise hochkant steht, auch wenn das Stativgewinde dann an der Seite ist. Sie hat ein stattliches Gewicht und vermittelt dadurch ein gewisses Qualitätsgefühl. Das liegt am Metall-Druckguss, der sowohl beim Gehäuse als auch beim Innenleben Verwendung fand. Die Technik ist eher schlicht. Die Kamera ist für 35-mm-Kleinbildfilm in besonderen Patronen vorgesehen. Die heute üblichen Kleinbildfilmpatronen passen zwar auch hinein, aber da keine Rückspulkurbel vorhanden ist, muss der Film in eine zweite Kassette gespult werden.
Die Optik. Das Objektiv ist ein Dreilinser namens „Euktar" mit 45 mm Brennweite und Lichtstärke 1:4,5. Ungewöhnlich ist die Blende: Beim Drehen des Rings am Objektiv wird ein Blech mit drei verschieden großen Löchern zwischen den Linsen bewegt. Das ist natürlich simpelste Technik, und man muss aufpassen, dass man zum Fotografieren nicht aus Versehen Zwischenwerte einstellt. Aber das System funktioniert. Der Verschluss bietet B und drei Zeiten, von 1/30 bis 1/125 Sekunde. Er ist ebenfalls sehr einfach aufgebaut; eine durch die Drehung am Zeitenring verstellbare Feder verändert die Geschwindigkeit der Verschlussbleche. Genauigkeit ist damit nicht zu erreichen, aber für den normalen Gebrauch dürfte es ausreichen. Gut gestaltet ist die Gegenlichtblende, die bei Nichtgebrauch platzsparend umgekehrt auf den Objektivtubus gesteckt wird und auch eine Klemmvorrichtung für den Schutzdeckel hat.
Technische Ausstattung. Ansonsten ist das Nötigste dran: großer Durchsichtsucher, Bildzählwerk, Blitzbuchse und Blitzschuh. Der Auslöser sitzt neben dem Objektiv. Besonderes findet sich an der Technik also nicht. Dafür aber um so mehr an der Form: Es finden sich nur wenige gerade Linien am Gehäuse. Und die Alfa ist eine der wenigen Kleinbildkameras, die hochformatig gebaut sind; darum wirkt sie so exotisch. An die Handhabung gewöhnt man sich schnell, die Kamera ist gebrauchstüchtig, auch wenn man keine exzellente Bildqualität erwarten sollte. In der aufrechten Form gibt es noch die italienische Duca von Durst und die russische Woschod, beide aus den fünfziger Jahren, aber sie haben mit der Alfa nur die vertikale Anordnung gemeinsam. Die entfernte Ähnlichkeit mit der Yashica Rapide jedoch besteht nur äußerlich, denn die Rapide ist eine Halbformatkamera, die bei aufrechter Haltung querformatige Bilder ergibt.
Ein Sammlerstück. Die Alfa ist eine der wenigen Kameras aus Polen. Auch das erhöht ihren Seltenheitsstatus. Ich habe bisher nur zwei Alfas gesehen: eine auf einem Flohmarkt, und dann die abgebildete, die ich aufgrund einer Händleranzeige in COLOR FOTO für 150 Mark fand. In technischer Hinsicht bietet sie sicher keinen entsprechenden Gegenwert, aber wer ein wirklich rares Sammlerstück sucht, der dürfte mit einem solchen Angebot gut bedient sein.
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