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Artikel

2001

Kameras Neuvorstellung 

Mit System

Voigtländer Bessa-T

Nach Bessa-L und Bessa-R bringt Voigtländer nun als DRITTES KLEINBILDMODELL die Bessa-T mit großem Mischbildentfernungsmesser, Aufstecksucher und Leica-M-Bajonett.

Grundlage für den langfristigen Erfolg der Voigtländer „Classic Collection" sind ungewöhnliche Objektive zu bezahlbaren Preisen und kameraseitig die Reduzierung der Ausstattung auf die für bewusstes Fotografieren wesentlichen Funktionen: manuelle Zeit-, Blenden- und Entfernungseinstellung. Das ist der gemeinsame Nenner von Bessa-L, Bessa-R und der neuen Bessa-T. Solche Kameras sind zeitlos klassisch und können nicht veralten. Die gemeinsame Basis mehrerer Modelle sorgt dabei für eine kostengünstige Produktion auch kleinerer Stückzahlen.
So sind alle Bessa-Modelle mit dem gleichen Alu-Druckguss-Grundgehäuse ausgestattet und verfügen über einen mechanisch gesteuerten - also batterieunabhängigen - senkrecht ablaufendem Metall-Schlitzverschluss für Zeiten von 1/2000 bis 1 Sekunde und „B", über identische Bedienungselemente sowie eine LED-Lichtwaage neben dem Suchereinblick für die TTL-Nachführmessung.
Entscheidende Unterschiede finden sich bei der Entfernungsmessung. Die Bessa-L für 12- und 15-mm-Super-Weitwinkel kann ganz darauf verzichten. Die Bessa-R wurde mit einem kombinierten Mischbild-Entfernungsmesser samt variablen Leuchtrahmen für die Brennweiten 35, 50, 75 und 90 mm ausgestattet. Die Bessa-T macht jetzt technisch wieder einen Schritt zurück. Sie besitzt keinen Sucher, sondern nur ein kleines Okular. Es gibt den Blick auf einen Mischbild-Entfernungsmesser mit einer physikalischen Messbasis von 38,5 mm frei, die für eine höhere Fokussiergenauigkeit besonders mit längeren Brennweiten sorgt. Da das Okular mit seinen +1,5 Dioptrien zudem vergrößernd wirkt, wird die Messbasis der Bessa-T um diesen Faktor effektiv auf 58 mm verbreitert.
Dass jeder Brennweitenwechsel bei der Bessa-T auch einen Sucherwechsel erfordert, ist in der Praxis lästig. Die zudem ständig verlustgefährdeten und jedes Mal in der Fototasche neu zu suchenden separaten Aufstecksucher entschädigen jedoch durch ihre unübertroffene Helligkeit. Die macht sich besonders beim Fotografieren mit wenig Licht sehr positiv bemerkbar, wozu die meist überdurchschnittlich lichtstarken Voigtländer-Objektive ohnehin animieren.
Die zweite große Neuerung der Bessa-T betrifft den Objektivanschluss. Mit dem Leica-M-kompatiblen Bajonett erfüllt Voigtländer einen lange gehegten Wunsch vieler Besitzer entsprechender Objektive nach einem preisgünstigen Zweit- oder Drittgehäuse mit integrierter Belichtungsmessung. Allerdings passen nicht alle M-Objektive an die Bessa-T, so z. B. nicht das lichtstarke Summilux 1,4/35 mm, denn was vom kleineren Durchmesser des M39-Gewindes der anderen Bessas verdeckt wird, ragt im M-Bajonett der Bessa-T störend hervor: der Rahmen des Spiegelkastens in dem ursprünglich als SLR-Konstruktion ausgelegten Gehäuse. Dagegen stoßen M-Objektive, die mit größeren Hinterlinsenelementen in das Gehäuse ragen. Welche Objektive das sind, war noch nicht zuverlässig zu erfahren. Bei den eigenen Objektiven bleibt Voigtländer dagegen dem M39-Gewinde treu, wie das mit der Bessa-T vorgestellte Super-Weitwinkel Color-Skopar 4,0/21 mm zeigt. Diese Entscheidung ist sinnvoll, denn dadurch bleiben die Objektive an allen M39- und mit Hilfe des Adapters auch an M-Bajonett-Kameras einsetzbar. Das Bessa-Objektivsystem umfasst jetzt immerhin zehn verschiedene Objektive vom einzigartigen Ultra Wide-Heliar 5,6/12 mm bis zum Apo-Lanthar 3,5/90 mm und deckt damit einen größeren Brennweitenbereich ab als das Contax-G- oder das Leica-M-System. Dieser Vergleich ist durchaus gestattet, denn was die Qualität angeht, so sind die Voigtländer-M39-Objektive bislang immer auf den oberen Rängen der jeweiligen Klasse zu finden.
Wer Leicas nicht als Sammler, sondern zum Fotografieren kauft, findet bei Voigtländer zunächst die konkurrenzlosen Superweitwinkelobjektive 5,6/12 mm Aspherical für 2999 Mark und 4,5/15 mm Aspherical für 1099 Mark. Ebenfalls interessant ist das 1,9/28 mm Aspherical für 1299 Mark und das 2,5/75 mm für 999 Mark. Zu den genannten Preisen kommen noch 149 Mark für den Adapterring M39/M-Bajonett; die Sucher dagegen gehören zum Lieferumfang. Anders als die Objektive können sich die Bessa-Kameragehäuse in ihrer Wertigkeit aber nicht ganz mit der klassischen Edel-Konkurrenz messen. Das gilt auch für die Bessa-T trotz einiger Verbesserungen im Detail. So wurde die Gummiarmierung des Gehäuses überarbeitet, das Innere der Rückwand mit reflexminderndem schwarzem Kräusellack überzogen, und einige Bedienungselemente wie Rückspulknopf, ISO-Einstellrad und Verschlusszeitenknopf sind jetzt aus Metall. Dennoch kommt leider noch kein Contax- oder Leica-Feeling auf, wozu auch das laute Auslösegeräusch beiträgt. In der Praxis vermisst man bei der Bessa ferner eine Auslösersperre, wie sie anderswo seit Jahrzehnten bei eingeklapptem Filmtransporthebel automatisch vorhanden ist. Damit ließe sich dann gleich noch das Ein- und Ausschalten des Belichtungsmessers koppeln.
Neu an der Bessa-T ist auch eine Kupplung für einen externen Filmtransport-Antrieb. Allerdings bietet Voigtländer dafür keinen motorgetriebenen Batteriefresser an.
Der T-Winder, der unter die Kamera geschraubt wird, funktioniert vielmehr mit einem manuell mit links zu betätigenden, ausklappbaren Schnellspannhebel. In den fünfziger Jahren hieß so ein Gerät Leicavit und passte an die Leica Ml und M2. Eigentlich braucht man bei einer Kamera wie der Bessa-T, die eher auf eine ruhige und bewusste Fotografie zugeschnitten ist, so einen Winder nicht wirklich. Aber Spaß macht er doch. Allerdings hat er mit knapp 500 Mark auch seinen Preis. Richtig griffig wird diese Kombination mit einem der als Zubehör erhältlichen zylindrischen oder kugelförmigen Handgriffe mit gummiartigem Überzug. Der Haltegriff kann an dem Winder nicht nur mittig, sondern auch seitlich untergeschraubt werden. Dann lässt sich der Schnellspannhebel wie der Abzug einer Pistole betätigen.
Winkelsucher, Wasserwaage und Doppelschuh-Adapter, der empfehlenswert ist, wenn mehr als ein Zubehörteil aufgesteckt werden soll, gehören ebenso zum Zubehörprogramm wie ein Seitengriff zum besseren Halten der Bessa--Kameras sowie Adapter und Kamerataschen.
Eine Lücke im Bessa-Zubehörsystem sollte dagegen schnellstens geschlossen werden: ein Revolver-Durchsichtssucher würde zumindest für die Bildausschnitte der wichtigsten Brennweiten den lästigen Sucherwechsel bei jedem Objektivwechsel überflüssig machen. Wer Glück hat, der findet so ein Teil aus russischer Fertigung für ein paar Zehnmarkscheine auf dem Fotoflohmarkt.

FAZIT

Die Bessa-T ist eine gelungene Kamera, reduziert auf das Notwendige mit einem sehr sympathischen nostalgischen Flair. Zu ihren Stärken gehören sehr günstige Superweitwinkelobjektive. Rational betrachtet, bieten aktuelle Autofokus-Spiegelreflexkameras mehr Funktionen und Flexibilität fürs Geld. Faszinierender ist die Bessa-T.

PLUS UND MINUS

PLUS 

+ genauer Entfernungsmesser 

+ Winderanschluss möglich 

+ Sucher sehr hell 

+ umfangreiches, hochwertiges Objektivangebot 

+ relativ günstiger Preis 

+ drei Jahre Garantie

MINUS 

- Sucherwechsel und doppelter Suchereinblick lästig 

- keine Auslöserverriegelung 

- lautes Auslösegeräusch 

- fummelige Rückspulkurbel

KOMMENTAR

HORST GOTTFRIED

Schön, dass es so etwas noch gibt. Meist bestimmt der Rotstift die Konstruktion der austauschbaren Kameras mit „Oma-Taste", die den Markt beherrschen. Ihre Konstrukteure müssen sich beim Oberbuchhalter für jedes zusätzliche pfennigteure Schräubchen rechtfertigen. Da verdient der Mut von Cosina und Ringfoto, das Projekt Voigtländer „Classic-Collection" für echte Foto-Fans anzugehen und so konsequent zu verfolgen, ungeteilten Respekt und Anerkennung, jenseits aller Kritik an diesem oder jenem Detail. Sowohl Objektive wie Kameras und Zubehör sind eine wohltuende Bereicherung des Angebotes und bringen frischen Wind in einen teilweise angestaubten Markt. Vorbildlich ist die Garantiezeit von drei Jahren (Hallo, Contax, Leica, Konica, habt Ihr gehört? Drei Jahre - für eine 1000-Mark-Kamera!) 

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