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Artikel

2001

Kameras

30 Jahre Autofokus

Ein Rückblick ab 1971

1985 machte die Minolta 7000 bei Spiegelreflexkameras salonfähig. Wir zeigen die Entwicklung einer zunächst belächelten Technik zum professionellen Werkzeug.

Keine andere kameratechnische Innovation hat einen so schnellen und umfassenden Siegeszug hinter sich wie der Autofokus. Die automatische Scharfeinstellung hat sich zu einem Werkzeug entwickelt, das längst mehr kann als nur Scharfstellen.
Ein erstes deutsches Autofokus-Patent ist aus dem Jahre 1941 bekannt, doch sollte es bis 1977 dauern, bis mit der Konica C35-AF die erste käufliche Kamera mit automatischer Scharfeinstellung auf den Markt kam. Heute ist die automatische Entfernungsbestimmung nicht nur ein Instrument zur reinen Fokussierung geworden, sondern die Computer modernster Kameras nutzen die Entfernungsinformation dazu, ganze Motive und Aufnahmesituationen zu analysieren.
Das wichtigste Prinzip, auf dem die meisten AF-Systeme basieren, die nicht durch das Objektiv messen, wird als Triangulation bezeichnet. Dieses geometrische Prinzip, mit dem sich anhand der Länge einer Seite und zweier Winkel die übrigen Größen eines Dreiecks berechnen lassen, wird seit Urzeiten zur Entfernungsbestimmung genutzt. Auch Mischbildentfernungsmesser basieren darauf. AF-Systeme werten im Prinzip das Messergebnis nur elektronisch aus, und die Umsetzung des Ergebnisses für die Fokussierung des Objektivs erfolgt nicht mehr durch die Hand des Fotografen, sondern durch die Kamera.
Das erste serienreife und praktisch funktionsfähige AF-Modul wurde Mitte der siebziger Jahre unter der Bezeichnung Visitronic von der US-Firma Honeywell angeboten. Mit diesem Modul und den Lizenzgebühren für die Nutzung der zugrundeliegenden Patente verdiente Honeywell in der Folgezeit gut. Viele japanische Kameraproduzenten zahlten freiwillig oder nach verlorenen Prozessen an Honeywell.
Bei der Triangulation in der Kamera bildet der Abstand zweier Messfenster die Basis mit bekannter Seitenlänge. Die nötigen zwei Winkel ergeben sich aus den verschiedenen Achsen, unter denen die zwei Messfenster das Motiv sehen. Je größer der Abstand zwischen den Messfenstern, desto größer sind die Winkelunterschiede und um so genauer ist die Berechnung. Leider setzen die Abmessungen der Kameras der Breite der Messbasis Grenzen.

Aktive Systeme für Sucherkameras

Dieses Prinzip lässt sich mit aktiven oder passiven Systemen verwirklichen. Aktive Systeme schicken einen infrarotnahen Lichtstrahl zum Motiv. Dort wird er reflektiert und von einer Linse im AF-Messfenster der Kamera je nach Einfallswinkel auf eines von vielen LCD-Elementen des AF-Sensors projiziert. Jedes Element ist einer bestimmten Entfernung zugeordnet. Je mehr CCDs, desto genauer wird also die Entfernungsmessung. Der Vorteil der aktiven AF-Systeme liegt darin, dass sie unabhängig von Motivkontrast und Umgebungshelligkeit funktionieren. Ihre Reichweite ist jedoch durch die Intensität des Infrarotstrahls auf sechs bis acht Meter begrenzt. Je länger die Brennweiten bei den Zoomkameras aber wurden, desto mehr setzten sich passive Systeme durch, die über größere Distanzen messen können.

Passive Systeme für Sucherkameras

Die passiven Systeme arbeiten nur mit dem vorhandenen Licht. Sensoren vergleichen dabei die Lage von zwei Teilbildern. Das können zwei Sensoren sein, die aus je einer Reihe von CCDs bestehen, oder ein Sensor mit einer Doppelreihe von CCDs. Ein optisches System projiziert auf beide einen Ausschnitt des Motivs. Wenn die Fokussierung stimmt, fällt er bei beiden Sensoren auf das gleiche CCD-Segment, wenn nicht, ist die Zahl der Stufen zwischen den CCDs ein Maß für die Abweichung von der richtigen Fokussierung. Mit dem entsprechenden Signal wird dann der Fokussiermotor für das Objektiv gesteuert.
Die Pioniere des Autofokus bei SLR-Kameras - Canon, Chinon, Nikon, Pentax und Ricoh -starteten Anfang der achtziger Jahre bei den Spiegelreflexkameras erste Versuche mit externen Triangulations-Messeinrichtungen in einigen Objektiven. 50-mm-Objektive und 35-70-mm-Zooms mit integriertem AF-Modul samt Motor und Batterien wurden bis zur Marktreife entwickelt. Die Messbasis reichte für die geforderte Genauigkeit aus, doch die Objektive waren groß und schwer. Die Beschränkung der AF-Funktion auf ein oder zwei Objektive widerspricht zudem dem Systemcharakter der Spiegelreflexkameras. Zudem verteuert es die Objektive unnötig, wenn jedes Mal ein komplettes AF-System mit bezahlt werden muss. Auch ein Canon-Patent für einen Vorsatz, der manuelle zu AF-Objektiven machen sollte, wurde nicht realisiert. Für eine Kamera mit einer ganzen Objektivpalette kann also nur ein integriertes AF-System in Frage kommen, das mit allen Objektiven funktioniert.
Diesen Weg zum Autofokus für Spiegelreflex beschritt als erster Hersteller Leica, verfolgte ihn aber nicht konsequent, zumindest im Kamerabereich. Unter der Bezeichnung „Correfot" stellt Leica auf der photokina 1976 den Prototyp eines TTL-Fokusdetektors vor, verzichtete aber darauf, eine Kamera mit einem nicht ausgereiften Autofokussystem auf den Markt zu bringen.
Das erste SLR-Modell, das mit integriertem TTL-AF auf den Markt kam und so den Autofokus bei SLR-Kameras zum Durchbruch verhalf, war 1985 die Minolta 7000. Sie und die folgenden Kameras von Canon und Nikon arbeiteten mit TTL-Phasendetektionssystemen. Sie orientieren sich an Grad und Richtung der Verschiebung zweier Teilbilder, so dass man sie sich als elektronischen Schnittbild-Entfernungsmesser vorstellen kann. Kleine Linsen oder Prismen zerlegen in der Kamera den vom Objektiv kommenden Lichtstrahl in zwei Teilbilder und lenken diese auf ein doppelreihiges AF-Sensormodul.
Die TTL-Entfernungsmessung hat gegenüber externen Systemen den Vorteil, dass sie nicht nur mit einzelnen Objektiven funktioniert, sondern mit allen gleich gut, weil sich die geometrischen Verhältnisse mit Brennweite und Abbildungsmaßstab verändern, so dass die brennweitenabhängigen Auswirkungen mit berücksichtigt werden. Dadurch bleibt die Messgenauigkeit auch bei längeren Brennweiten erhalten.
Da besonders lichtstarke Objektive bei großer Öffnung und somit geringerer Schärfentiefe eine möglichst präzise Fokussierung verlangen, trifft es sich für den Einsatz in SLR-Kameras optimal, dass auch bei Phasendetektionssystemen die Genauigkeit der Messung mit größer werdender Objektivöffnung wächst.
Der Objektivdurchmesser bestimmt die Länge der wirksamen Basis. Bis etwa Blende 6,5 funktionieren die modernen AF-Systeme ohne Einschränkung. Erst dann wird die Messgenauigkeit wegen der zu kleinen Basis zu gering und der Autofokus funktioniert nicht mehr.
Wo bei Dunkelheit oder fehlender Motivstruktur überhaupt nichts mehr zu erkennen ist, behelfen sich viele AF-Kameras mit einem infrarotnahen Lichtstrahl. Er projiziert ein für den AF-Sensor erkennbares Streifenmuster auf das Motiv.

Je schneller, desto besser

Fing die Minolta 7000 mit einem 8-bit-Rechner an, so konnte die Rechengeschwindigkeit der Kameracomputer inzwischen auf bis zu 32 bit wie bei der Canon EOS-1V gesteigert werden. Dadurch, dass sie in kürzester Zeit mehr Informationen verarbeiten können, erweitern sich die Funktionsmöglichkeiten für AF-Systeme.
Neue große Fortschritte brachte 1988 wiederum Minolta mit der Dynax 7000i. Das „i" sollte auf die intelligente Verknüpfung verschiedener Kamerafunktionen hinweisen. Eine Bewegungserkennung durch das AF-System der 7000i erlaubte erstmals eine Schärfevorausberechnung. Sie sorgt dafür, dass die Entfernung, die ein bewegtes Motivs in den Millisekunden, die zwischen dem Druck auf den Auslöser und Belichtungsstart vergehen, zurücklegt, mit bei der Fokussierung berücksichtigt wird. Dazu werden mehrere Einzelmessungen in Sekundenbruchteilen hintereinander gemacht. Daraus errechnet der Kamera-Computer die Geschwindigkeit und -richtung des Objekts und dementsprechend die Fokussierung des Objektivs.
Mit der Bewegungserkennung war es außerdem möglich, die bei den AF-SLRs der ersten Generation nötige manuelle Umschaltung zwischen Schärfe- oder Auslöse-Vorrang nun vom AF-System selbst vornehmen zu lassen.
Der zweite große Fortschritt der Dynax 7000i war, dass sie drei AF-Sensoren statt des bis dahin üblichen einen Sensors nutzte. Sie bildeten ein größeres Messfeld, mit dem sich bewegte und außermittige Motive besser erfassen ließen.
Die Entscheidung, auf welchen Punkt dann die Fokussierung erfolgt, trifft der Kameracomputer auf der Basis einprogrammierter Algorithmen.

Drei Augen sehen mehr als eines

Mit mehreren in unterschiedlichem Winkel zueinander angeordneten Sensoren lässt sich auch eine Schwäche einzelner AF-Sensoren umgehen. Wegen seiner waagerechten Linienstruktur der CCD-Reihe hat ein AF-Sensor das gleiche Problem wie ein optischer Schnittbildentfernungsmesser. Wenn ein Motiv nur waagerechte Strukturen (wie eine Jalousie) oder gleichmäßige Muster (wie ein Lattenzaun) aufweist, ist eine sichere Zuordnung von oberer und unterer Hälfte des Teilbildes nicht möglich. Werden nun mehrere AF-Sensoren horizontal und vertikal angeordnet, kann der besser positionierte Sensor zur Fokussierung herangezogen werden.
Eine weitere Lösung dieses Problems ist ein Kreuzsensor, wie Canon ihn erstmals in der EOS-1 eingesetzt hat. Er besteht aus zwei im Winkel von 90xGRADx über Kreuz angeordneten Sensoren und umgeht so das Problem. Die Spitzenmodelle der führenden SLR-Hersteller arbeiten inzwischen mit einer Vielzahl von Sensoren und Kombinationen von Normal- und Kreuzsensoren.
Die Minolta Dynax 7xi von 1991 bringt nicht nur vier AF-Messfelder, der weiterentwickelte Fuzzy-Logic-Rechner kann jetzt erstmals auch Bewegungen von Objekten quer durchs Bild erkennen und mit wechselnden Sensoren verfolgen. Die Ergebnisse der Mehrfeld-AF-Messung lassen sich nicht nur für die Scharfstellung nutzen. In Verbindung mit Belichtungsmessung und -steuerung können sie zudem Sicherheit und Komfort beim Fotografieren erhöhen. So brachte die Dynax 7000i erstmals auch die Koppelung der Mehrfeld-AF-Messung mit der Mehrfeld-Belichtungsmessung, die bald zum Standard bei allen anspruchsvollen AF-Spiegelreflexkameras wurde.
Neue Aufgaben für die Entfernungsmessung
Je nachdem, in welchem Bildbereich das AF-System das Motiv als scharf erkannt hat, erfolgt eine Gewichtung der Belichtungsmessung mit Schwerpunkt im Bereich des aktiven AF-Sensors.
Die richtige Belichtung kann natürlich mit verschiedenen Zeit- und Blendeneinstellungen realisiert werden. Bei der Entscheidung darüber, welche dem jeweiligen Motiv am besten gerecht wird, hilft ebenfalls der Autofokus. Aus der Entfernungs- und Belichtungsverteilung kann der Kameracomputer auf typische Motive schließen. Bei Landschaften wird er kleine Blenden bevorzugen, bei Porträts große Blenden mit wenig Schärfentiefe. Erkennt das AF-System ein bewegtes Motiv, ist eine möglichst kurze Belichtungszeit wichtig.
Berücksichtigt wird auch der Abbildungsmaßstab des Motivs, der sich aus Aufnahmeentfernung und Brennweite ergibt. Die Daten über Brennweite und Entfernungseinstellung werden dazu von den in aktuellen Objektiven eingebauten Chips an den Kameracomputer übermittelt.
Weniger mit dem Autofokussystem an sich als mit der Programmierung des Kameracomputers oder der Art der Entfernungseinstellung haben weitere Sonderfälle zu tun.

Nebenjobs für den Autofokus

Canon bietet seit Zeiten der EOS 600 in vielen EOS-Modellen eine Schärfentiefeautomatik: Wenn man nacheinander den nächstliegenden und den fernsten Punkt, der noch scharf abgebildet werden soll, mit dem AF-Messfeld anvisiert, bringt die Kamera auf Knopfdruck das Objektiv in die für die gewünschte Schärfentiefe nötige Entfernungseinstellung und wählt die passende Blende.
Bei der Anwahl des gewünschten AF-Messfeldes ging Canon 1992 mit der augengesteuerten Wahlmöglichkeit der fünf Messfelder in der EOS-5 neue Wege. Die Benutzer waren geteilter Meinung über Sinn und Unsinn der Augensteuerung. Bei der EOS-1V und der EOS3 mit 45 AF-Messfeldern ist Canon davon inzwischen stillschweigend wiederabgegangen.
AF-Sensoren können mit entsprechender Kamerasoftware statt Bewegung auch Verwackeln erkennen, denn eine zittrige Kamerahaltung führt auf dem AF-Sensor ebenfalls zu nicht übereinstimmen den Teilbildern. In diesem Fall kann eine Anzeige im Kamerasucher aktiviert werden, die den Fotografen vor Verwackeln warnt.
Einst auch Yashica und heute noch Pentax bieten mit ihren Autofokus Spiegelreflexkameras die Möglichkeit der so genannten Schärfenfalle. Sie sorgt in Kombination mit manuell fokussierbaren Objektiver dafür, dass die Kamera in dem Moment auslöst, in dem der AF-Sensor ein Objekt im Bereich der vor eingestellten Entfernung als schar erkennt.

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