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BERATUNG Report
Die Kameras mit der längsten Modell-Laufzeit
Konstante Größen
Das heutige Angebot an Spiegelreflexkameras umfaßt mehr als fünfzig Modelle, AF- und MF-Typen zusammengenommen. Nur wenige von ihnen, nämlich ganze acht Exemplare kamen vor 1985 auf den Markt und bleiben seitdem fast unverändert. Können sich die meist recht teuren Oldies auch heute noch mit ihren modernen Kontrahenten messen?
Auf vielfachen Wunsch verlängert, so hieß es früher in den Schaukästen der Kinos, und genau dieser Satz trifft auch auf zwei Nikon-Modelle zu. Nachdem der altbewährten, 1980 erstmals vorgestellten F3 nach Erscheinen der F4 zunächst noch eine Gnadenfrist bis 1990 eingeräumt worden war, kam kürzlich aus Tokio die Nachricht, daß sie wegen der anhaltend guten Nachricht noch mindestens ein Jahr lang im Nikon-Stammwerk Oi produziert werden wird. Auch die FM2, die einzige mechanisch gesteuerte Kamera im Nikon-Programm, läuft zunächst noch ein Jahr weiter. Diese Kamera, 1982 vorgestellt, hat ihr zehnjähriges Jubiläum ebenfalls schon hinter sich: berücksichtigt man das im Wesentlichen baugleiche Vorgängermodell FM, so wird das gleiche Gehäuse sogar schon seit fünfzehn Jahren gebaut. Diese rekordverdächtige Laufzeit wird in dieser Gruppe der Ältesten wird nur noch von der Pentax K1000 übertroffen. Mit seit 1968 über 3,8 Millionen gebauten Exemplaren ist sie Produktionsweltmeister unter den Spiegelreflexkameras. Der Produktionsstandort der K1000 wurde verlagert: Die K1000-Modelle heutiger Produktion kommen nicht mehr aus Tokio, sondern aus Taiwan. Genau wie Nikon hat auch Pentax einen zweiten Dauerbrenner im Programm, der aber preislich auf der genau entgegengesetzten Skala angesiedelt ist. Während die K 1000 mit einem Komplettpreis von rund 450 Mark eine der billigsten vollwertigen Spiegelreflexkameras überhaupt ist, verdient die Pentax LX eher das Prädikat Luxusklasse, denn allein das Gehäuse schlägt inzwischen mit 2000 Mark zu Buche - die sehr geringen Stückzahlen fordern in der Preisgestaltung ihren Tribut. Die LX gibt es bereits seit 1980.
Die Olympus OM-4 Ti hält als einzige Kamera im kompaktlastigen Olympus-Programm die Fahne des mittlerweile legendären OM-Systems hoch. Basierend auf der 1984 erschienenen OM-4 bietet sie lediglich Titanverzierungen am Gehäuse, die erst titanfarben, dann schwarz ausfielen. Auch von der Nikon F3 gibt es ja bekanntlich eine Titanversion. Erfreulicherweise leistet sich die ansonsten so innovative Firma Minolta mit der X-700, die 1982 debütierte, noch einen Oldtimer im Programm. Strenggenommen müßte man auch noch die X-300s dazunehmen, die bis auf die Blendenanzeige im Sucher und ein paar Design-Änderungen im Prinzip der X-300 von 1984 entspricht.
Bei den beiden letzten westdeutschen Spiegelreflexkamera-Herstellern Rollei und Leica gehört Modellkonstanz im Gegensatz zur kurzlebigen Modellstrategie der Japaner zur Firmenphilosophie. Die M-Leicas gibt es seit fast vierzig Jahren (1953), die zweiäugige Rolleiflex seit über sechzig Jahren. Auch die gegenwärtige Spiegelreflex-Reihe von Leica steckt seit 1980 im gleichen Gehäuse, die R5 - als logische und konsequente Weiterentwicklung und Verbesserung der R4 - erschien im Jahr 1985. Auch sie ist deshalb in diesem Club der Altvorderen vertreten. Rolleis origineller Kleinbildwürfel, die 3003, kam zur photokina 1984 heraus; das vom Prinzip her ähnliche Vorgängermodell SL 2000 F gab es bereits 1981.
Nun - was taugen die Alten heute im Zeitalter von Autofokus, Motivprogrammen, Matrixmessungen und Belichtungsreihenautomatik überhaupt noch? Sind sie nicht, von den Ausnahmen Minolta X-700 und Pentax K 1000 einmal abgesehen, aufgrund geringer Stückzahlen gnadenlos überteuerte Dinosaurier, die sich in Ausstattung und Bedienungskomfort von jeder EOS 1000 für 500 Mark geschlagen geben müssen?
Man kann es auch ganz anders sehen. Weil sie von hektischen Modellwechseln entkoppelt wurden, erfreuen sie sich einer konstanten Beliebtheit bei Fotografen, die auf der Suche nach einer individuellen und einigermaßen wertbeständigen Kamera sind. Besonders deutlich werden die Schattenseiten hektischer Modellpolitik bei Canon und Minolta. Die heutige Canon EOS 100 steht durch ihren günstigen Preis und ihre hervorragende Ausstattung mitsamt ultraleisem Motor im Konkurrenz zu den teureren Modellen EOS 10, EOS RT und EOS 600. Bei Minolta wurde im relativ kurzen Zeitraum von nur drei Jahren die komplette Modellreihe Dynax 7000i, 8000i, 5000i und 3000i von der Palette Dynax 3xi, 5xi, SPxi und 7xi abgelöst. Daß die neue 9xi der 7xi das Leben schwer machen könnte, ist durchaus möglich.
Besonders eklatant fallen die Unterschiede im Bedienungskomfort bei einem Generationenvergleich der acht Altvorderen mit der neuen Kamerareihe auf Einzig die Leica R5 verfügt unter den alten Acht über Zeit-, Blenden-, Programmautomatik und TTL-Blitzmessung. Die Minolta X-700 offeriert immerhin Zeit und Programmautomatik sowie TTL-Blitzmessung. Nikon F3, Pentax LX, Olympus OM-4 Ti und Rolleiflex 3003 nennen gar nur eine Zeitautomatik und die TTL-Blitzsteuerung ihr eigen. Die Pentax K 1000 wie auch die Nikon FM2 haben sich dem Rezept "Kamera pur" verschrieben und bieten dem Fotografen lediglich eine Nachführmessung.
Nicht viel besser sieht es bei den Belichtungsmeßmethoden aus. Nur die Leica R5 und die Olympus OM-4 Ti erlauben ein Umschalten von der mittenbetonten Integralmessung auf die Spotmessung, die bei der R5 als Selektivmessung mit geringfügig größerem Meßwinkel ausgelegt ist. Die Olympus OM-4 Ti besitzt durch die Zusatzfunktionen Highlight- und Shadow-Abstimmung das ausgeklügeltste Belichtungsmeßsystem innerhalb der Vergleichsgruppe. Es befindet sich auch heute noch voll auf dem Stand der Technik. Bei Nikon F3 und Rolleiflex 3003 entschieden sich die Konstrukteure für ein teilselektives Meßsystem mit starker Mittenbetonung. In der Praxis kommen erfahrene Fotografen auch sehr gut damit zurecht. Die Meßwertspeicherung, immerhin bei fast allen Kameras bis auf Nikon FM und Pentax K 1000 eingebaut, entschärft das Problem und kann sogar bei geschickter Anwendung eine Selektivmessung ersetzen. Besser wäre aber trotzdem eine Umschaltmöglichkeit von integral auf selektiv.
Ein integrierter Motor, heute selbstverständliches Merkmal jeder modernen SLR-Kamera, gehört nur bei der Rolleiflex zum Lieferumfang. Bei allen anderen Oldtimern muß er entweder angesetzt werden (meist werden alternativ Winder und Motoren angeboten), oder man muß - wie bei der Pentax K 1000 - ganz auf dieses Zubehör verzichten.
Eine allein quantitative Aufzählung der Ausstattungsmerkmale wird den Oldies allerdings nicht gerecht. Eine Komplettausstattung, wie sie heute moderne Autofokus-Spiegelreflexkameras ab 1000 Mark in jedem Falle beinhalten, ist für viele Fotografen überflüssig und führt aufgrund der unübersichtlichen Fülle auch zu Erschwernissen in der Bedienung. Häufig wird dann das Gegenteil vom Angestrebten erreicht - statt Bedienungkomfort zu erleben, muß sich der Fotograf wesentlich öfter, als ihm lieb ist, an der Bedienungsanleitung orientieren.
Bei den Oldies muß der Fotograf aus der Not knapper Ausstattung eine Tugend machen, indem er einerseits Funktionslücken mit Zubehör schließt, etwa durch den Kauf eines Motors, und sie andererseits mit Können kompensiert, wenn etwa die Ersatzmessung auf ein anderes Motiv oder die Speicherung des Meßwerts den sonst nur durch Spotmessung erzielbaren Effekt ersetzt.
Bei der Nikon F3, der Rolleiflex 3003 und der Pentax LX lassen sich sogar die Sucheraufsätze wechseln, ein Detail, das bei modernen Kameras immer mehr in Vergessenheit gerät. Eine wechselbare Einstellscheibe und eine Abblendtaste gehören - mit Ausnahme der Pentax K 1000 - bei allen Evergreens zum Standard. Einen Blitzkabelanschluß hat sogar sie.
Mit allen Oldtimern läßt sich der Spaß an der Fotografie wiederentdecken. Das bei allen zeitlose Design und die noch großzügige Verwendung von Metall betonen den Werkzeugcharakter dieser Kameras, die man vielleicht gerade deshalb immer wieder gern in die Hand nimmt. Soll man aber ein Jahrzehnt Fortschritt im Kamerabau in Frage stellen? Gewiß, Autofokus bewährt sich in Schnappschuß-Situationen und bei schnell bewegten Objekten ausgezeichnet. Die Blitztechnik hat mit Langzeitblitz (schon bei der OM-4 Ti), dem Aufhellblitz und der Belichtung auf den zweiten Verschlußvorhang seit der Einführung der TTL-Blitzmessung große Fortschritte gemacht. Doch ist ein Motorzoom mit programmierbarem optimalen Bildausschnitt wirklich immer erstrebenswert? Nimmt die totale Automatik dem Fotografen nicht oft die Freude am Bild, wenn es damit ohne eigenes Zutun entstanden ist?
Bei näherer Beschäftigung mit den Oldies wird deutlich, daß sie ein sehr angenehmes Mittelmaß fotografischen Fortschritts darstellen. Während das Fotografieren mit einer alten Contax IIIa oder einer Meßsucher-Leica M3 schon reichliche Nehmerqualitäten erfordert, kann man mit der Generation der neuen Alten schon recht unkompliziert leben. Besonders die Leica R5 besticht durch ihre maßvolle Konzeption, die eine leichte Bedienung ebenso vorsieht wie die volle Konzentration auf das Motiv - die Technik nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck.
Auch die übrigen Kameras unserer betagten Acht lassen sich auf diese Weise treffend charakterisieren - nur liegen die Schwerpunkte jeweils ein bißchen anders. Die Pentax K 1000 verkörpert in ihrer technischen Sparsamkeit das Minimalprinzip, mit dem man aber durchaus zum Ziel scharfer und richtig belichteter Aufnahmen kommt. Hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses ist diese Kamera ohnehin unschlagbar. Die Minolta X-700 serviert gemäßigten, praxisgerechten Fortschritt zum günstigen Preis und dürfte für Anfänger, die Fotografieren richtig lernen wollen, mit ihren behutsamen Automatikprogrammen die richtige Wahl sein.
Die Nikon FM2 spricht all jene Fotografen besonders an, denen Prestige, Robustheit und Freiheit bei der Ausübung ihres Hobbys besonders am Herzen liegen. Eine Bevormundung findet garantiert nicht statt, keine Automatikprogramme trüben die Sicht auf Zeit und Blende. Die F3 aus dem gleichen Hause ist immer noch ein Statussymbol, teuer, robust und vielseitig. Ihre Schwächen, die sie in zehn Jahren nicht abstellen konnte, wie der elektronisch gesteuerte Verschluß mit nur einer Notzeit, die lange Blitzsynchronzeit und die recht schlecht sichtbare LCD-Anzeige, haben wir ihr längst verziehen.
Auch die Pentax LX, für viele ein Pendant zur F3, hat ihre typischen Schwächen und Stärken. Unter letzteren sei der geniale mechanisch-elektronische Hybridverschluß besonders hervorgehoben. Die Olympus OM4 Ti wartet mit einem besonders ausgeklügelten Belichtungsmeßsystem auf, und die Rolleiflex 3003 schließlich ist mit ihrer Konzeption als Mittelformatkamera für Kleinbildfilme ohnehin einzigartig. Wer sich mit ihr näher befaßt, der weiß bereits nach kurzer Zeit ihre außerordentliche Vielseitigkeit zu schätzen. Gerade der Faltlichtschacht gehört zu den angenehmsten Details dieser in jeder Hinsicht hochwertigen Kamera.
Fotografen, die die Fotografie noch nicht als ein bloßes Computerspiel betrachten, werden mit den neuen Alten also sehr gut zurechtkommen. Daß sie, mit Ausnahme der Pentax K 1000 und der Minolta X-700, meist recht teuer sind, ist eben der Preis, den man für Individualität zahlen muß. Aber auch in diesem Punkt ist die Welt der neuen Alten noch in Ordnung. An ihnen wird noch etwas verdient, hohe Produktionszahlen und kurze Modellzyklen drücken noch nicht auf die Preise.
Kurzcharakteristik der Evergreens
Leica R5
Sorgfältige Detailverarbeitung und hohe Objektivqualität prägen den Charakter der R5.
Minolta X-700
Sie bietet in dieser Vergleichsgruppe das beste Preis-Leistungs-Verhältnis und läßt hinsichtlich der Ausstattung keine Wünsche offen.
Nikon FM2
Robust und dabei spartanisch ausgestattet präsentiert sich die FM2. Sie spricht High-Tech-Muffel mit Hang zu Qualität und Prestige an.
Nikon F3
Über zehn Jahre nach ihrem Debüt ist die F3 immer noch Inbegriff einer Profi-Kamera - ein solides, aufwendig gebautes Stück.
Olympus OM-4 Ti
Handlichkeit, gute Makro-Tauglichkeit und ein vielseitiges Meßsystem kennzeichnen die letzte Vertreterin des OM-Systems.
Pentax K 1000
Die Beschränkung auf das Wesentliche schuf hier eine absolute Basiskamera. Material- und Verarbeitungsqualität sind trotz des günstigen Preises sehr gut.
Pentax LX
Klein und handlich, dabei aber mit professionellen Ausstattungsmerkmalen versehen, ist die LX eine oft unterschätzte Spiegelreflexkamera.
Rolleiflex 3003
Eine einzigartige Kamera dank Wechselmagazin.
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