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Trends der Wissenschaft
Polaroid System 600
Elektronische Blitzwirtschaft
Mal mit mehr, mal mit weniger, aber immer mit Blitz fotografiert das Polaroid System 600. Das Ergebnis kann sich gehenlassen.
Der offensichtliche Nutzen der Kameraelektronik ist die ausgedehnte Vielseitigkeit für hochgezüchtete Steuersysteme. Nicht weniger wichtig, wenn auch weniger sichtbar, ist die Funktion der fortgeschrittenen Elektroniksteuerung, die Kamerabedienung für den technischen Laien narrensicher zu machen. Der Umsatz (und Gewinn) der großen Filmhersteller beruhte früher einmal auf der enormen, vom Amateurfotografen verschwendeten Filmmenge. Heute muß sich die Fotoindustrie aber in einem zunehmend gesättigten Markt durchsetzen. Hier muß sie den Verbraucher überzeugen, daß ihre Fotoprodukte weder Film noch Bilder noch unwiederbringliche Aufnahmen verschwenden. Das System 600 von Polaroid geht jetzt einen Schritt weiter, indem diese Automatikfunktionen in eine Lichtführung integriert werden, die für jede Aufnahme auch ein technisch perfektes Bild garantiert.
Derartige Versprechen gab es schon so oft ("generationenweise" denkende Kameras), daß Konstrukteure ihre Neuentwicklungen der Öffentlichkeit nur mit weiteren Superlativen erklären können. Für die Polaroid-Reklame des Systems 600 wird das zweifellos ebenfalls zutreffen. Worum handelt es sich aber eigentlich?
Das System besteht aus drei Elementen: ein halbgreifbares Konzept, ein vollgreifbares Gerät und ein neuer Film. Der letztere ist ein abfallfreier Sofortbildfilm ähnlich wie Time Zero Supercolor SX-70, aber mit der vierfachen Empfindlichkeit (29 DIN bzw. 640 ASA) und anderen kleineren Verbesserungen. Bei den Geräten handelt es sich um zwei Kameras: die Polaroid Autofocus 660 und das Modell 640. Die 660 hat ein Zweilinser-Objektiv 1: 10/109mm, ein Programmblenden- und Verschlußsystem mit Belichtungen von 1/3 s bei Blende 10 bis 1/200 s bei Blende 45 und eine automatische proportionelle Schattenaufhellung für nahe bis mittelentfernte Objekte. Die Polaroid 640 hat ein Fixfocus-Objektiv 1:14 mit einer ähnlichen Belichtungsautomatik und proportioneller Blitzautomatik, die aber technisch etwas anders gesteuert wird. Beide Kameras haben die der SX-70 ähnliche Bildtransport- und Auswurfeinrichtung für den Filmpack des Typs 600, sehen gut aus, sind leicht zu bedienen und auch mit anderen Sofortbild-Kameras konkurrenzfähig. Nicht nur das, diese neuen Kameras können auf einen Schlag alle bestehenden und evtl. geplanten Sofortbild-Konkurrenzprodukte des Amateurmarktes überholen.
Das Konzept
Bei Polaroid fing man vor einigen Jahren an, die Gründe zu untersuchen, warum bestimmte Bilder nicht befriedigen. Da Polaroid zu verschiedenen Zeiten Publizitätsaktionen für den Austausch mißlungener Aufnahmen gegen einen neuen Film durchführte, gab es ja genug Amateurfehler zu analysieren. Ein Hauptgrund der Fehlergebnisse ist aber weniger die Fehlbelichtung (dagegen ist ja die Belichtungsautomatik da), sondern eine auf einem übermäßigen Motivkontrast beruhende unzulängliche Tonwiedergabe. Die Bedeutung des Polaroid Systems 600 ist, daß die Kameras die Lichtverhältnisse automatisch auf übermäßigen Kontrast prüfen und den eingebauten Blitz so steuern, daß ein übermäßiger Helligkeitsumfang entsprechend herabgesetzt wird. Macht man jede Aufnahme mit dem in die Kamera eingebauten Blitz, so liefert der letztere eine den Aufnahmeverhältnissen angemessene Blitzaufhellung und ergibt so jedesmal ein richtig belichtetes und auch richtig beleuchtetes Sofortbild.
Das Problem läßt sich erst jetzt vernünftig betrachten, da erst der heutige Fortschritt der Elektronik mit Prozeßrechnersteuerung eine Lösung ermöglicht. Denn trotz ihrer anscheinenden Vereinfachung sind die Kameras 660 und 640 praktisch computergesteuert: eine Anzahl integrierter Schaltungen erfaßt und vergleicht Informationen, die die Kamera von verschiedenen Eingängen erreichen und verarbeitet diese Informationen zur Steuerung der Belichtung und Blitzabstimmung.
Die Autofocus 660
Aber zu den Kameras selbst. Das Modell 660 ähnelt auf den ersten Blick der Polaroid Sonar Autofocus 5000, aber mit dem aufgesetzten Elektronenblitzgerät. Allerdings ist der Blitz hier nicht angesetzt, sondern über zwei Seitenarme angelenkt und schwenkt nach vorn auf die Kamera herunter, wobei das Objektiv, der Sucher und die Sonar-Zelle abgedeckt und geschützt werden. Abgesehen von einer Einstellung für hellere und dunklere Bilder, die es in allen automatischen Polaroid-Kameras gibt, hat die 660 als Bedienungselement nur noch einen Auslöseknopf und für Sonderfälle eine Abschaltung der automatischen Entfernungseinstellung. Sie ist also eine Schnappschuß-Kamera: man betrachtet das Motiv im Sucher und drückt auf die rote Auslösetaste an der Seite. Der erste Druck auf diesen roten Knopf lädt das Elektronenblitzgerät auf - das dauert etwa 5 s. Während dieser Aufladung leuchtet im unteren Teil des Suchereinblicks eine rote Leuchtdiode auf und erlischt, sobald die Kamera aufnahmebereit ist. Diese die schnelle Schußbereitschaft etwas störende Verzögerung läßt sich umgehen, indem man den Auslöseknopf etwas vor der Aufnahme halb eindrückt und die Blitzenergie durch kurzen Druck auf den Knopf von Zeit zu Zeit nachlädt. Beim Durchdrücken des Knopfes schaltet sich nun die Kamerasteuerung ein und löst nacheinander drei interaktive Funktionen aus (1) Entfernungsmessung zur Scharfeinstellung, (2) Lichtmessung zur Einstellung der Blenden- und Zeitkombinationen am Verschluß sowie (3) Auslösung der Belichtung und des Blitzes für die entsprechende Blenden- und Zeitkombination. Dabei wird der Blitz zu einem durch die ersten beiden Funktionen genau bestimmten Zeitpunkt gezündet.
Zur elektronischen Steuerung dienen sechs integrierte Schaltungen oder "Chips", die die Meßinformationen erfassen und "entscheiden", wie und in welcher Reihenfolge die Kamera ihre Belichtungsfunktionen auslöst. Es sind die folgenden Schaltungen vorhanden:
(a) Stromversorgung: leitet den Bedienungsstrom den anderen Schaltungen zu und betätigt den Verschluß-Elektromagneten und den Transportmotor;
(b) Belichtung: mißt das einfallende Licht, steuert die Scharfeinstellung, Leuchtdiode und Lichtmeßkreis;
(c) Licht/Frequenzwandlung: ein Analog/Digitalwandler, der die Information der Lichtstärke in eine Impulsfrequenz umwandelt, die dann der Computer verarbeiten kann;
(d) Echolot: steuert die ausgesandte Schallfrequenz und mißt die Echozeit des Sonar-Meßsystems;
(e) Analogschaltung: steuert die Aussendung und erfaßt die Rückkehr des Sonar-Signals;
(f) Elektronenblitzsteuerung: zündet das Blitzgerät zum richtigen Zeitpunkt.
Die obigen Schaltungen (d) und (e) sind zusammen für die Sonar-Scharfeinstellung verantwortlich, und die Schaltungen (b) und (c) steuern die Belichtung.
Die Interaktion sieht nun so aus
Bei Druck auf den roten Auslöseknopf (bei aufgeladenem Blitz) wird zuerst das Sonar-System eingeschaltet, das ein Ultraschallsignal von 50 kHz (also im nicht mehr hörbaren Bereich) aussendet und gleichzeitig eine Kunststoffscheibe hinter dem Objektiv in Drehung versetzt. Diese Scheibe hat vier asphärische Linsen, die zusammen mit dem festen Vorderglied (ebenfalls aus Kunststoff und asphärisch) Optiken mit Brennweiten 107 mm, 105 mm, 99 mm und 90 mm ergeben. Da der Abstand Objektiv/Film feststeht, bilden diese vier Brennweiten effektiv vier auf verschiedene Entfernungen (bzw. Entfernungsbereiche) eingestellte Objektive. Die Bereiche umfassen 3,9 m bis unendlich, 1,5 bis 3,9 m, 0,9 bis 1,5 und 0,6 bis 0,9 m. Beim Eintreffen des vom Objekt zurückgeworfenen Ultraschallsignals wird ein mechanischer Riegel ausgelöst, der diese sich drehende Kunststoffscheibe mit ihren vier Elementen sperrt. Welches dieser Elemente hinter dem festen Vorderglied stehen bleibt, hängt davon ab, wie lang das Schallsignal unterwegs war. Z. B. ist bei einem näher als 0,9 m gelegenem Objekt bei der Rückkehr die erste Linse dieser Scheibe hinter dem Objektiv und wird dort arretiert. Bei entfernteren Objekten dauert die Rückkehr des Schallsignals länger, und die Linsenscheibe kann sich daher weiter drehen, so daß die Linsenelemente für entferntere Einstellungen hinter dem Vorderglied stehen bleiben. Die Umdrehungsgeschwindigkeit dieser Kunststoffscheibe bzw. Linsenrevolvers erfordert daher eine sehr präzise Steuerung. John Pasieka, einer der technischen Direktoren von Polaroid, setzt diese Anordnung einer Präzisions-Uhrmechanik aus Kunststoff gleich.
Die Wegzeit des Schallsignals wird auch gemessen und diese Messung zur späteren Steuerung des Elektronenblitzes gespeichert.
Das Sonar-Einstellsystem unterscheidet sich daher in der Objektivsteuerung von der Scharfeinstellautomatik der SX-70 Sonar. In der SX-70 steuert das Sonar-Signal einen Einstellmotor, der das Objektiv aus der Unendlicheinstellung nach vorwärts fährt. Dabei ist auch eine Voreinstellung - z. B. auf einen nicht in der Bildmitte gelegenen Vordergrund - beliebige Zeit vor der Aufnahme möglich. In der Kamera 660 erfolgt die Scharfeinsteilung mit dem beschriebenen Linsenrevolver beim Aufnahmeablauf ohne eine getrennte Steuermöglichkeit. Man kann höchstens das Sonar-System durch Druck auf einen kleinen Knopf unterhalb des Blitzreflektors abschalten. Die Scharfeinstellmechanik wählt in diesem Fall jeweils das Linsenelement für Entfernungsbereich 4 m bis unendlich. Diese Einstellung wird verwendet, weil die Aufnahmeverhältnisse sonst das Echolotsystem irreführen könnten - z. B. bei Aufnahmen durch ein Fenster.
Sobald die nur einige Millisekunden dauernde Echolotfolge beendet ist, öffnet sich der Verschluß. Der Öffnungsgrad der Verschlußlamellen bestimmt sowohl die effektive Blendenöffnung (je weiter sich die Lamellen öffnen, desto größer ist die Blende) und die Verschlußzeit, je größer die Öffnung, desto länger ist auch der Verschluß offen) und ergeben so ein durchlaufendes Belichtungsprogramm von etwa 1/3 s Blende 10 bis 1/200 s bei Blende 45. Das entspricht einem ungefähren Belichtungswert (EV) von 8 1/3 bis 18 2/3 . Die Belichtung wird durch das Meßergebnis einer Silizium-Fotodiode gesteuert, deren Leistung, in einen Digitalwert (Impulsfrequenz) umgewandelt, den zeitlichen Ablauf der Verschlußlamellen steuert. Bei dieser Zeitschaltung wird ein Taktsignal mit einem im Speicher befindlichen Zählwerk elektronisch verglichen.
Warum geschieht nun in einer so komplizierten Weise etwas, was in billigen Kameras schon seit Jahren mit einfachem Programmverschluß (ebenfalls mit sowohl als Blende wie, auch als Verschluß funktionierenden Lamellen) geschieht? Die Antwort ist, daß sich ein elektronisch gespeicherter Wert dieser Art sehr leicht manipulieren und ändern läßt. Auf einer derartigen Manipulation beruht die Blitzeinblendung in die Lichtführung des Systems 600.
Der gesteuerte Aufhellblitz
Bei der Schattenaufhellung mit Blitzlicht setzt man normalerweise voraus, daß die Aufhellintensität bei zwischen einem Viertel und der Hälfte der vorhandenen Tageslichtbeleuchtung liegen soll. Für den technisch nicht sehr bewandten Amateur, für den diese Kamera bestimmt ist, kommt eine gezielte Steuerung der Blitzbelichtung nicht in Frage. Polaroid entschied sich daher für ein Verhältnis der Tageslicht- zur Blitzbelichtung von 3:1. Dieser Entscheidung lag ein ausgedehntes Benützertestprogramm zugrunde, bei dem Aufnahmen mit verschiedenen Aufhellintensitäten verglichen und die einer Betrachtergruppe am besten gefallenden Resultate ausgewählt wurden.
Bei einer vorgegebenen Dauerlichtbeleuchtung läßt sich die erforderliche Blitzintensität auf zwei Weisen berechnen und steuern. Einerseits kann man die Belichtung für das Dauerlicht oder Tageslicht bestimmen und dann die Blitzintensität so einstellen, daß der Blitz beim vorliegenden Objektabstand ein Viertel der Gesamtlichtmenge beisteuert. Andererseits kann man von einer vorgegebenen Blitzleistung ausgehen und dann die Blende (und auch gleichzeitig die Verschlußzeit) so wählen, daß beim vorliegenden Objektabstand die effektive Blitzbelichtung wieder ein Viertel der Gesamtbelichtung (bzw. ein Drittel der Dauerlichtbelichtung) beträgt. In der Kamera Polaroid 640 kommt die erste Methode zum Einsatz, bei der 660 die zweite.
Im letzteren Fall erfolgt die Blendensteuerung für den Blitz, indem dieser zu einem genau festgesetzten Zeitpunkt während der Belichtung gezündet wird. Je früher der Blitz zündet, desto kleiner ist noch die vom Verschluß freigegebene Öffnung und desto kleiner ist daher der effektive Blendenwert für die Blitzbelichtung. Die Wahl des richtigen Zündzeitpunktes hängt daher von der Objektentfernung ab (diese Information ist schon von der Entfernungsmessung her gespeichert) und von der vorhandenen Dauerlichtintensität - die von der Siliziumzelle gemessen wird. Da diese Information in Digitalform umgewandelt wird, ist das Abzählen des Zündzeitpunktes verhältnismäßig einfach - ebenso die Einstellung der gesamten Belichtung unter Berücksichtigung des vom Blitz beigesteuerten Anteils.
Bei einer Dauerlichtintensität unter etwa 100 cd/m2 (entspricht bei Filmempfindlichkeit 29 DIN etwa Belichtungswert EV 12 1/3) läßt sich die Kamera nicht mehr auf ein Verhältnis 3:1 von Dauerlicht/Blitz einstellen. Das Dauerlicht/Blitzverhältnis verschiebt sich daher auf einen größeren Blitzlichtanteil, bis schließlich der Blitz allein für die Belichtung verantwortlich ist. Diese Betriebsart "Vollblitz" ist der normale Belichtungsmodus für Innenaufnahmen wie mit einem herkömmlichen Kamera montierten Blitzgerät. Dieser Umschaltpunkt ist ebenfalls eine Information, die die integrierten Schaltkreise der Kamera erfassen müssen, um nach Prozeßrechnerart die richtigen Arbeitsentscheidungen zu treffen. Die Eingangsdaten für diesen Prozeßrechner sind daher die Digitalgrößen der Echolotzeit (Entfernung), Beleuchtungsstärke, Verschlußablauf, erforderliche Verschlußzeit usw.; die daraus gebildeten Steuerbefehle befassen sich mit der Auslösung des Sonar-Impulses, der Speicherung, Blitzzündung, dem Anlauf des Motors zum Auswurf des belichteten Bildes - insgesamt mehreren Dutzend Ja/Nein-Fragen und -Antworten in der Computersprache des Kamera-Prozeßrechners. Eine derartig hochgezüchtete Steuerung mit dieser Genauigkeit ist nur mit heutigen integrierten Schaltungen möglich und wirtschaftlich.
Die Polaroid 640
Dieses einfachere Modell hat keine Sonar-Einstellautomatik, sondern eine asphärische Fixfocus-Meniskus-Linse mit Lichtstärke 1: 14, die bei dieser Blende alles von ca. 1,2 m bis unendlich scharf zeichnet. Da hier aber keine Entfernungsinformation zur Steuerung des Elektronenblitzzündpunktes vorliegt, ist der Elektronenblitz so geschaltet, daß er eine variable Blitzdauer ergibt. Diese wird mit einem vom Computerblitzen her bekannten Löschkreis gesteuert. Die Kamera kombiniert wiederum die Dauerlicht- und Blitzbelichtung im Verhältnis 75%:25% jedenfalls so lang, wie das bei der vorhandenen Dauerlichtintensität möglich ist. Der Belichtungsbereich für Dauerlicht geht von EV 10 2/3 bis EV 1 8 2/3 (natürlich jeweils bei Filmempfindlichkeit 29 DIN); der Grenzpunkt für die Umschaltung auf Vollblitz liegt bei EV 13. Der Verschluß hat wiederum einen Dreilamellen-Aufbau mit gleichzeitiger Blendensteuerung wie im Modell 660. Die Anordnung der Fotozelle ist aber ganz anders: die Silizium-Fotodiode sitzt hinter einer Spaltlinse, deren eine Hälfte nur Infrarotstrahlen und die andere nur Lichtstrahlen durchläßt. Eine mit einer der Verschlußlamellen verbundene Vorrichtung deckt entweder die eine oder die andere Linsenhälfte dieser Sensoreinrichtung ab.
Sobald man auf den Auslöseknopf drückt, fängt die Fotozelle das sichtbare Licht zu integrieren an. Dabei wird auch die Integriergeschwindigkeit erfaßt, die bei höheren Leuchtdichten (entsprechend Belichtungswert EV 13 oder höher) verhältnismäßig hoch liegt. Die Kamera funktioniert in diesem Fall in der Betriebsart "Aufhellblitz". Die von der Elektronik verarbeitete Lichtintegrierung zündet den Blitz gegen Ende der Belichtungszeit und löscht ihn auch rechtzeitig, um das Verhältnis 75%:25% für Dauerlicht/ Blitz zu erreichen. Bei geringeren Leuchtdichten (unterhalb EV 13) läuft die Integrierung langsamer und schaltet die Kamera auf Vollblitzbetrieb um, wobei sich der Verschluß voll öffnet. Gleichzeitig wird die lichtdurchlässige Linsenhälfte vor der Fotodiode abgedeckt und die infrarotdurchlässige aufgedeckt. Jetzt zündet der Blitz: die Fotozelle mißt den vom Objekt zurückgeworfenen Infrarotanteil des Blitzes. Der Meßstromkreis löscht dann den Blitz, sobald der Film eine genügende Lichtmenge für eine richtige Belichtung erhalten hat. Im Grenzgebiet erfolgt wiederum ein allmählicher Übergang von Aufhell- zu Vollblitz. Nach den Angaben von Polaroid soll die Messung des Infrarotanteils des zurückgestrahlten Blitzlichtes ein verläßlicheres Maß der erforderlichen Blitzdauer ergeben (Motive mit ungewöhnlich starker Infrarotreffektivität, aber geringer sichtbarer Helligkeit, könnten allerdings dieses Meßsystem irreführen. Andererseits kommen derartige Motive eher im Freien als bei Innenaufnahmen vor.), Das Blitzgerät hat in beiden Kameras bei Vollblitzbetrieb eine Leitzahl 46 (29 DIN) und daher eine maximale Reichweite von ca. 4,2 m bei Modell 660 oder etwas über 3 m mit der Kamera 640. Sei entfernteren Motiven im Freien steuert der Aufhellblitz natürlich sehr wenig oder nichts zum Bild bei; für die Kamerabedienung ist setzte bei der Konzipierung der Kamera voraus, daß Sofortbild-Fotografen überwiegend Personenbilder und andere nähere Motive aufnehmen, wo der automatisch eingemischte Aufhellblitz das Ergebnis meistens verbessert und praktisch nie verschlechtert. Bei absichtlichen Seitenlicht- oder Gegenlichtaufnahmen kann man aber auch ohne Blitz belichten, und so die natürliche Lichtstimmung des Motivs unterstreichen.
Der Polaroid-Film 600
Das ist der empfindlichste Sofortbild-Farbfilm, der je angefertigt wurde und er ist auch dem empfindlichsten Farbnegativfilm auf dem Markt überlegen. (Es gibt nur einen herkömmlichen Kleinbild-Diafilm der gleichen Empfindlichkeit.) Im Aufbau entspricht er praktisch dem Time Zero Supercolor SX-70, wird in ähnlichen Filmpacks für 10 Aufnahmen 8,8 x 10,8 cm (tatsächliches Bildformat 79 x 80 mm) geliefert, ist aber nur in den Kameramodellen 660 und 640 verwendbar. (Kleine vorstehende Nasen am Filmpack selbst verhindern das Einsetzen in die anderen Polaroid-Kameras: die gleichen Nasen schieben an den Kameras 660 und 640 eine Sperre beiseite, die das Einsetzen des normalen Filmpacks SX-70 verhindern.) Es kommen auch die gleichen Farbstoffe mit ähnlicher Echtheit zum Einsatz wie im Time Zero Supercolor Film. Die Entwicklung dauert mit ca. 90 s etwas länger als beim Time Zero; in der Praxis wird aber in beiden Fällen das Bild noch nach der offiziellen Entwicklungszeit ganz gering dunkler. Der Film 600 hat zwei zusätzliche Zwischenschichten unterhalb den rot- und blauempfindlichen Filmschichten (sie liegen damit zwischen diesen Schichten und jenen des Gelb- Farb- bzw. Blaugrünfarbenentwicklers). Die Lichtstreuung wird durch eine neue sogenannte Klärschicht im Bild herabgesetzt. Das Bildkorn ist etwas gröber, was aber in einem unvergrößerten Bild dieser Art praktisch bedeutungslos ist. Wichtig ist die etwas weichere Gradation, die in Verbindung mit dem gezielten Aufhellblitz ebenfalls besser mit kontrastreichen Motiven auskommt. Der Filmpack enthält ferner eine Flachbatterie Polapulse P 100, die gegenüber der Flachbatterie des Filmpacks SX-70 eine größere Kapazität aufweist. Denn diese Batterie muß ja nicht nur die Kameraelektrik und -elektronik, sondern auch den Blitz speisen. Der letztere verbraucht etwas mehr als 50% des pro Aufnahme erforderlichen Batteriestroms. Nach Polaroid übersteigt die Batteriekapazität die durchschnittliche Strombeanspruchung für 10 Aufnahmen mit einem Sicherheitsfaktor von ca. 2,8fach. Das wurde aufgrund einer Statistik bestimmt; die Gefahr eines Batterieversagens liegt damit erheblich unter einem %.
Die Frage der Verträglichkeit
Auf der Hand liegt die Frage, warum läßt sich der Film 600 nicht in der SX-70 verwenden? Ganz einfach: die jetzigen Kameramodelle SX-70 (auch die Modelle 1000, One Step usw.) sind nur für Aufnahmen mit Filmempfindlichkeit 160 ASA eingerichtet. Beide Filmarten wären nur in neuen Kameras mit umschaltbarer Filmempfindlichkeit verwendbar. Die Konstruktion selbst derartiger Kameras wäre bestimmt problemlos; Probleme würden aber im Vertrieb entstehen, wenn Besitzer älterer Kameras den falschen Film für ihr Gerät kaufen.
Aus ähnlichen Gründen der Empfindlichkeitsanpassung sind die SX-70-Modelle nicht in den Kameras der Serie 600 verwendbar. Auch lassen sich die letzteren Modelle nicht für den geringer empfindlichen Film konstruieren, denn damit wären auch ein leistungsstärkerer Blitz und lichtstärkere Objektive erforderlich, was sich nicht mit den gegenwärtigen Konstruktionskompromissen und dem jetzigen Preis vereinbaren läßt (von der Forderung nach einer noch größeren Batteriekapazität im Filmpack ganz zu schweigen). Die Merkmale und Preisstruktur des Systems 600 waren also nur mit einer Filmempfindlichkeit von 29 DIN bzw. 640 ASA möglich.
Damit ist also die mögliche Vielseitigkeit des Films 600 nicht gerade ideal ausgenützt. Polaroid hat mit dem Film dagegen Anwendungen in der wissenschaftlichen und industriellen Fotografie und anderen Gebieten vor - es gibt z. B. schon eine Endoskop-Kamera für den neuen Film. Auch dürfte die Zeit für eine Profikamera der neuen Serie 600 reif sein (nicht zu verwechseln mit den gegenwärtigen Fachkameras 600 und 600 SE für Trennbildfilme), mit lichtstarkem Objektiv und voller Einstellmöglichkeit für Blende und Verschlußzeit was es für den SX-70 Film noch nie gab.
Schließlich wirkten sich bisher die technischen Verbesserungen der abfallfreien Polaroid-Erzeugnisse auch günstig für die Trennbildmaterialien aus. Das wird bestimmt auch so weitergehen. Man könnte also in der nicht zu fernen Zukunft mit einem hochempfindlichen Trennbildmaterial Polacolor für den Fachfotografen rechnen.
Als ein neues Sofortbildsystem schon auf der Gesellschafterversammlung von Polaroid im April erwähnt wurde, spekulierte man auf das Erscheinen eines Sofortbild-Farbdiafilms und eines Kleinbild-Sofortbild-Systems. Beide Projekte existieren. Ein Kleinbild-Diafilm für normale Kameras 35 mm wurde schon mehr oder weniger privat vorgeführt, wobei der Film nach der Belichtung der ganzen Filmlänge durch ein Tischentwicklungsgerät durchgedreht wird. Es sind aber noch einige Probleme der Bildqualität zu lösen. Ein SofortbildFarbdiafilm im Format 4 x 5 Zoll (10 x 12,5 cm) für den Fachfotografen ist schon früher fällig - er könnte innerhalb Jahresfrist erscheinen.
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