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Alexander Borell Kommentar

Die Zenza Bronica SQ

Wer heute auf das Mittelformat generell umsteigen - oder aufsteigen - möchte, wird die Qual der Wahl kaum vermeiden können, denn das Angebot ist reichhaltig. Eine neue Kamera auf diesem Marktsektor muß schon etwas zu bieten haben, um ihr einen Erfolg voraussagen zu können. Wenn man die bisher noch einmalige Rollei SLX aus der Konkurrenz herausnimmt, bleibt - für 6 x 6 - allerdings nur die Frage: Hasselblad 500 C/M oder Zenza Bronica SQ. Ob man aus diesem Duett demnächst wieder ein Trio mit der Rollei SL 66 machen kann, ist zu hoffen. Was also bietet die Zenza Bronica SQ?

Fast so alt wie Greta Garbo ist Sie, und aus dem gleichen Lande stammt die Konzeption einer SLR-Kamera für das quadratische Format: ein Würfel mit Spiegel und Mattscheibe, vorn dran ein Objektiv, hinten ein Magazin. So gesehen ist die SQ eine Hasselbronica oder Zenzablad. Grundlegend Neues ist den Japanern nicht eingefallen; denn auch die Übertragung der Objektiv-Funktionen über elektrische Kontakte von der Kamera aus ist nicht geistiges Eigentum der Japaner, sondern entstammt volkseigenem Denken in der längst bekannten Praktica. Aber bekanntlich läuft das Geschäft auch dann oft prima, wenn Altes, Bewährtes -gut nachempfunden - wesentlich preiswerter auf den Markt kommt als das Original. Ober Preise werden wir später noch sprechen.
Wichtiger noch als der Preis ist für den Käufer die Qualität der Kamera und ihr Service. Ich habe sechs Wochen harter Praxis mit der SQ hinter mir und gewann den Eindruck ausgezeichneter technischer Qualität. Es gab keine Störungen, weder an der Kamera noch an den Magazinen. Ich fand die Arbeit mit dieser Kamera recht angenehm, wenngleich man hier und da deutlich daran erinnert wird, daß sie japanischem Denken entsprungen ist. Und darüber muß man einige Worte sagen, zum besseren Verständnis von Land und Leuten, und der Zenza Bronica. Im goldenen Zeitalter der Miniröcke sah ich in Tokios Straßen die supersten Minis, die es auf der Welt gab. Die - oft etwas barocken Mädchen trugen sie mit dem Blick starr geradeaus, Todesverachtung im Gesicht. Diese Mädchen studierten meistens, hatten alle Freiheiten einschließlich sturmfreier Buden; aber wenn sie am Wochenende hinaus aufs Land zur Familie fuhren, legten sie einen Kimono an und servierten ihrem fünfjährigen Bruder knieend den Tee. Japaner leben hochmodern, aber mit tausendjähriger Vergangenheit, und ebenso machen sie es mit ihrer Technik: extrem moderne Technik und Elektronik verbinden sich nahtlos mit technischem Mittelalter. Das fängt bei der Zenza Bronica schon mit dem Ding an, das wir "Magazinschieber" nennen, und das bei Bronica "Plattenkassette" heißt: man muß ihn zur Aufnahme natürlich herausziehen, und hat ihn dann in der Hand. Es gibt keine Möglichkeit, ihn irgendwo an der Kamera unverlierbar unterzubringen. Ich steckte ihn, mangels anderer Möglichkeiten, in die Hemdtasche, und jetzt liegt er in ca. 83 Meter Tiefe im Bodensee. Soweit es mir möglich war, konnte ich weltweit feststellen, daß alle schraubbaren Dinge dieser Welt international nach rechts herum zu oder hinein gehen, nach links auf oder heraus. Das Zenza-Objektivbajonett macht's umgekehrt: Einsetzen des Objektivs durch Drehung nach links, wobei Sie vorher den roten Punkt auf dem Objektiv mit dem gelben Punkt an der Kamera zur Deckung bringen müssen. Um nun bei den Dingen zu bleiben, die mir an der Zenza Bronica nicht gefallen: Während das Magazin nur mit eingeschobener "Plattenkassette" abgenommen werden kann, läßt sich der Filmeinsatz jederzeit und ohne Rücksicht auf Verluste abnehmen, auch wenn erst ein halber Film belichtet ist. Beachten Sie also jedesmal den Bildzähler!
Es gefällt mir absolut nicht, daß es in der Zenza Bronica SQ nach jedem Auslösen stockfinster im Sucher ist, weil der Spiegel erst wieder herunterklappt, wenn Sie mittels der Kurbel Verschlußaufzug und Filmtransport betätigt haben. Das ist für eine Kamera, in deren Boden eine 6-VoltBatterie steckt, tiefstes Mittelalter. Den Zenza-Leuten war es dabei wohl selber nicht ganz geheuer, weshalb sie ein kleines rotes Licht am oberen Mattscheibenrand installierten, das auf blitzt, wenn sich der Verschluß wieder schließt. Bei langen Zeiten muß man da sehr genau hinschauen und darf erst kurbeln, wenn's rot geleuchtet hat. Immerhin ist das besser als gar nichts. Und das wär's; alles andere an dieser "SQ" gefällt mir sehr gut, und das ist wesentlich mehr, als ärgerliche Kleinigkeiten, die Japaner ja grundsätzlich in fast jede Kamera einbauen.

Das Gehäuse

Wie schon erwähnt, hießen die Ahnen der Zenza Bronica SQ Hasselblad. So wird auch diese Kamera mit Objektiven bestückt, in die ein Zentralverschluß eingebaut ist. Zum Blitzen in jeder Situation ist das ein unbestreitbarer Vorteil. Andererseits muß man sich mit Lichtstärken 1:2,8 begnügen, und im Preis wirkt sich das auch aus: Sie kaufen ja mit jedem Objektiv einen Verschluß. Immerhin, worauf bereits zwei Generationen von Hasselblad-Fotografen schwören, mag auch für die "SQ" noch lange gut sein. Sie haben an den Zenzanon-Objektiven eine Abblendtaste zur Kontrolle der Schärfentiefe, was sehr praktisch ist, und Sie haben zum Verstellen der Blende zwei kleine Riffel-Segmente, was sehr unpraktisch ist. Vermutlich war hier wieder einmal der Designer der Dienst- und Rangälteste. Eine Spiegel-Vorauslösung gibt es nicht, aber der Spiegel schlägt recht gut gedämpft, der Klang ist sauber und verrät damit auch sauberes Innenleben. Der Auslöser, originell rechts vorne am Gehäuse, arbeitet angenehm weich und ist verriegelbar. Filmtransport und Verschlußspannen erfolgt mit einer einzigen Kurbelumdrehung bis zum Anschlag. Ein neu eingelegter Film wird ebenfalls blind bis zum Anschlag transportiert, um das Bild 1 in die Kamera zu befördern. Man kann schnell und sicher mit der SQ fotografieren, es würde noch schneller gehen, wenn man links auslösen und rechts kurbeln könnte.

Die Mattscheiben

Die Einstellscheiben - es gibt deren fünf für alle fotografischen Aufgaben - sind einfach und schnell zu wechseln, das Sucherbild ist verzeichnungsfrei, sauber und hell. Die SQ wird mit Lichtschachtsucher geliefert, und dann müssen Sie sich einen Handbelichtungsmesser kaufen, der etwas weniger kostet, als der CdS-Meßsucher-Aufsatz, der Lichtmessung durch das Objektiv und elektronische Steuerung des Verschlusses für die SQ bringt. Das Mattscheibenbild bleibt auch mit diesem Sucher seitenverkehrt, was - gemessen an heutigen Sucheraufsätzen - keine Glanzleistung darstellt. Hier hat womöglich der kaufmännische Samurai ein gewichtiges Wort mitgesprochen. Trotzdem kann man mit diesem Aufsatz ganz gut arbeiten, die Messungen stimmen, wie bei allen üblichen "Integral"-Messungen, wenn keine besonderen Kontrastprobleme vorliegen. Was nicht ist, kann aber noch werden; die SQ ist ja relativ neu auf dem Markt, und jeder Hersteller braucht Zeit, um ein System zu komplettieren. Ich bin fest davon überzeugt, daß sich die SQ durchsetzen wird, und damit wird es auch entsprechend moderne Zusatzgeräte geben.

Die Belichtungsmessung

Ebenfalls nicht umwerfend ist der Meßbereich mit diesem Sucheraufsatz: er reicht nur von Lichtwert 4 bis 16, was etwa der Glanzleistung einer Pocketkamera der Mittelklasse entspricht. Was sich Hersteller und Konstrukteure im fernen Osten wohl dabei gedacht haben mögen? Bei Durchschnittswetter reicht das trotzdem aus; man sollte dieser "SQ" darob nicht gram sein, es kommt über kurz oder lang sicherlich auch noch ein anständiges Prisma mit größerem Meßbereich dazu; warten Sie darauf und messen Sie bis dahin mit einem guten Handbelichtungsmesser, den Sie als Fotograf ohnedies brauchen.
Wirklich fortschrittlich ist die Möglichkeit, die Filmempfindlichkeit direkt am Magazin einstellen zu können, so daß man bei einem Magazinwechsel keine Fehler machen kann. Das Magazin selber ist gesichert, d. h., Sie können es nicht abnehmen, wenn der Schieber nicht eingeschoben ist. Tun Sie das also, wenn Sie ihn noch finden. Wenn nicht brauchen Sie das Magazin gar nicht abzunehmen, falls Sie nur den Film wechseln wollen: Sie drücken die beiden Halterungen auf der Magazinoberseite zusammen und nehmen den Filmeinsatz allein heraus, was ebenso rasch und unkompliziert möglich ist wie das Einspulen des Films selber. Das ist von Zenza Bronica ausgezeichnet gelöst.
Es stehen zwei Magazine zur Verfügung: für 120er und 220 Film.
Die Seiko-Verschlüsse arbeiten im Bereich von 8 bis 1/500 Sekunde, was einen hervorragenden Wert darstellt. Die 1/500 Sekunde ist überdies mechanisch gesteuert, ohne Batterie macht der Verschluß bei allen Einstellungen die 1/500 Sekunde; Gott gebe Ihnen im Notfall das nötige Licht dazu. Ich bin nach wie vor der Meinung, man sollte bei solchen Kameras eine Reservebatterie bei sich haben. Immerhin ist die SQ auch mit einem Batterie-Prüfschalter ausgerüstet: wenn genug Saft vorhanden ist, leuchtet am oberen Mattscheibenrand die gleiche Diode rot auf, die auch das Ende der Belichtung meldet. Ober die optische und mechanische Qualität der Zenzanon-Objektive braucht nicht extra gesprochen zu werden. Sie sind längst bekannt und hervorragend gut. Mein Standardobjektiv Zenzanon 2,8/80 mm hat vorne ein Außenbajonett; ich schließe daraus, daß es für Filter und Streulichtblende gedacht ist, die mir aber nicht zur Verfügung standen. Was mir an diesem Objektiv aber noch aufgefallen ist: es hat auf seiner Unterseite einen Schieber, der mit einer Schraube arretiert ist. Dreht man die Schraube - mit einem Zehnerl - ganz heraus und verstellt den Schieber von "A" nach "T", dann können Sie eine Langzeitaufnahme machen; eine sehr drollige Lösung dieser Aufgabe. Ich habe schon den Vorwurf gehört, man wisse nach einem Kommentar von mir gelegentlich nicht ganz genau, was ich eigentlich von der besprochenen Kamera hielte: sei es nun eine gute oder schlechte Kamera? Nun, die Zenza Bronica SQ ist eine ausgezeichnete Kamera, trotz der paar Ungereimtheiten, an die man sich aber bald gewöhnt hat und ihr dann nicht mehr übel nimmt.
Geht man davon aus, daß es z. Z. auf dem Markt nur eine Konkurrenz gibt, nämlich die Hasselblad 500 C/M, von der Hasselblad 2000 F kann man ja in diesem Zusammenhang nicht sprechen, sie ist eine Klasse für sich und dementsprechend teuer! - wird die Zenza nur noch sympathischer: sie kostet runde DM 600,- weniger. Diese Relation bleibt auch etwa bei den Objektiven bestehen, so daß hier der Vorteil eindeutig bei Japan liegt. Die Vorgängermodelle sind ja leider durch einige Firmen gewandert, auch war die Modellpolitik der Japaner nicht sehr weitsichtig, was die Einführung dieses Modells SQ aber nicht mehr belasten sollte. Die Firma Linhof - jetzt mit Zenza Bronica verheiratet - bietet hinreichend Gewähr dafür, daß der Service erstklassig sein wird. Einige Telefongespräche in dieser Hinsicht haben mir das schon bestätigt. Trotzdem auch dazu noch eine Bemerkung: Die Japaner sind bekannt dafür, daß ihnen die Meinung oder die Psychologie ihrer europäischen Kunden völlig wurscht ist. So war es z. B. nicht zuletzt ein unmöglicher Name, der prachtvolle Kamera hierzulande um den Erfolg brachte: welcher deutsche Fotograf mag sich schon eine "Miranda" kaufen, die eher an die "Dame ohne Unterleib" auf dem Rummelplatz erinnert, als an eine ernstgemeinte Kamera. Auch dieses "Zenza Bronica" klingt in meinen und anderer Leute Ohren nicht gut. Schließlich gibt es ja auch keine "Eva Nikon` oder eine "Franziska Canon". Man sollte diesen Vornamen weglassen und diese prächtige Kamera schlicht "Bronica SQ" nennen. Man ist nämlich bei uns durchaus bereit, mit einer "Bronica" zu fotografieren, aber man kommt sich albern vor, wenn es eine "Zenza Bronica" ist.
Man sollte dies fernöstlich zur Kenntnis nehmen und so Linhof den Verkauf erleichtern.

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