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Alexander Borell Kommentar
Plaubel Makina 67
Die Anti-Trend-Kamera
Einmalig an dieser 6 x 7 ist so ziemlich alles. Gegen den Trend. Makina 67 - 1250 Gramm super-saubere Technik. Handgefertigt, bitte schön. Ohne Über-Perfektion.
Als ich vor Jahren zum ersten Mal das Gerücht hörte, jemand plane, eine Kamera im Format 6 x 7 auf den Markt zu bringen, als Klappkamera und ohne die Möglichkeit, Objektive zu wechseln, dachte ich, es müßten Marsmenschen sein, die so am Foto- bzw. Kameramarkt vorbeiplanen. Als ich nun die Plaubel Makina 67 auspackte und zum ersten Mal in der Hand hielt, muß über mein Gesicht das gleiche, verklärte Leuchten gegangen sein, wie ich es inzwischen bei allen beobachtet habe, die dieses einmalige Stück Kamera in die Hand nehmen.
Einmalig ist an dieser Makina 67 so ziemlich alles, und alles läuft gegen den allgemeinen Trend der - oft sinnlosen! - Miniaturisierung. Sie halten 1250 Gramm handgeschmiedete, aus dem Vollen gefräste und supersaubere Technik in der
Hand, die man eigentlich schon um ihrer selbst willen haben möchte, ohne damit fotografiert zu haben. Bei den etwas älteren Fotografen, - für Schuljungen und BAFÖG-Studenten ist sie ohnehin nicht konzipiert - werden Erinnerungen wach: haben wir nicht früher einmal mit unseren schweren 9 x 12 Kameras die 1/5 Sekunde aus der Hand riskiert und nie verwackelt?
Zurück in die Gegenwart der Makina 67: Man drückt auf einen roten, einen sehr dunkelroten Knopf - einzige farbliche Konzession zum Frack! und schon springt die Frontplatte mit dem Objektiv heraus. Es duftet ganz fein nach dem hochwertigen Leder des Balgens. Mit fast sakraler Andacht hebt man die zweieinhalb Pfund Kamera ans Auge und stellt fest, daß man als Brillenträger den Leuchtrahmen in dem extrem klaren Sucher nicht voll überblicken kann. Aber wen interessiert das schon, wenn er soviel Format, 6 x 7 cm, zur Verfügung hat? Außerdem soll es, wie mir Plaubel versicherte, auch Korrekturlinsen für's Okular geben.
In der Sucherfeld-Mitte entdeckt man einen kleinen, hellen Fleck mit Doppelbild. Bringt man diese Bilder zur Deckung, was mittels Daumen und Zeigefinger der rechten Hand an dem Stellrad geschieht, ist die Entfernung auf optimale Schärfe eingestellt, von 1 Meter bis -. Im Nahbereich ist also nicht viel los, bei Sucherkameras ist dies ohnehin ein Problem, aber wen interessieren schon Nahaufnahmen, wenn man bei 80 mm Brennweite und 6 x 7 cm Format herausvergrößern kann, was man größer haben will? Die verwendbare Schärfentiefe kann man am Einstellring ablesen. Mit zwei Ringen am Objektiv stellt man die Blende (ohne Rastung!) und die Verschlußzeit (von 1 Sekunde bis zur 1/500) ein.
Und dann denkt man wieder an die gute alte Zeit, in der man noch nach einem Blick zum Himmel Blende 5,6 und 1/125 Sekunde geschätzt hat: Gibt's denn hier wirklich keine Belichtungsmessung?
Natürlich gibt es die. Ein winziger Knopf, verschämt in der Kamerarückseite versteckt, muß eingedrückt werden. Dann erscheinen rechts im Sucher Leuchtzeichen: Ein rotes Plus, ein rotes Minus und dazwischen ein rundes grünes Feld. Das bedeutet dann die richtige Belichtung, natürlich durchs Objektiv gemessen. Hierbei ist das Meßfeld mit dem der Entfernungsmessung identisch. So ergibt sich ein extrem kleiner Meßwinkel, der bei einem dunkeläugigen Modell einen anderen Wert anzeigt, als bei einem blauäugigen. Das macht einen Fotografen zunächst verrückt, denn die roten und grünen Signale sprechen obendrein noch auf 1/3-Blendenstufen an. und folglich flackert es im Sucher unaufhörlich. Bald aber hat man sich daran gewöhnt, nach den ersten Probeaufnahmen ist man sogar stolz da rauf: es gibt keine andere Kamera auf der Welt, mit der man so präzise messen kann.
Nach einigen weiteren Versuchen merkt man auch, daß sich der Leuchtrahmen im Sucher mit der Entfernungseinstellung bewegt: er korrigiert die Parallaxe automatisch. Vergeblich sucht man einen Blitzkontakt im Sucherschuh. Aber wer schiebt auf diese Edelkamera schon ein kleines Blitzcomputerchen in den Schuh? Das wäre so stillos, als wollte man eine Artischocke mit Messer und Gabel essen.
Ein Synchrokontakt für ein ordentliches Blitzgerät mit Schiene, das die fotografische Ausrüstung um ein weiteres Kilo bereichert, ist natürlich vorhanden. Und nun sind wir wieder überlegen: Da die Makina 67 einen Zentralverschluß hat, kann man mit allen Zeiten blitzen, sogar mit der 1/500 Sekunde. (Ja, ganz richtig, der Aufhellblitz bei Sonne!) So etwa zwei bis drei Tage sind Sie mit dem Studium und dem Vergnügen an dieser Kamera voll beschäftigt; Sie spüren zunächst noch kein Bedürfnis, einen Film einzulegen. Wenn Sie's aber doch endlich tun, macht Ihnen das wieder ganz neuen Spaß. Sie öffnen die Rückwand, schieben zwei kleine rote Schieber, und schon springen die Spulenhalterungen aus dem Gehäuse heraus. Das alles ist so sauber, so unerhört präzise gebaut, daß sie den Film erst mindestens dreimal einlegen, ehe Sie ihn mit dem Schnellschalthebel bis zur ersten Aufnahme transportieren. Das geht, wie bei einer KB-Kamera, mit einem einzigen, sehr weichen Hebelschwung.
Dann also ist es soweit, Sie besinnen sich, daß man mit einer Kamera eigentlich fotografieren sollte. Aber da machen Sie die nächste erstaunliche Beobachtung: Sie gehen umher und suchen. Sie suchen ein Motiv, das dieser Kamera würdig sein könnte, und sie finden keines! Nichts, was sie umgibt, ist so einmalig und so bedeutend, daß es wert ist, auf 6 x 7 cm Film mit dieser Superkamera festgehalten zu werden. Beinahe krank vor Sehnsucht und Ungeduld drücken Sie dann schließlich doch hier und da auf den Auslöser, wobei Sie auf Motive halten, die entweder besonderen Kontrast, oder besonders viele kleine Details aufweisen. Man will doch wissen, was die Makina 67 kann.
Und sie kann's wirklich! Das beweist schon der erste Film, daß die Entfernungs- und Belichtungsmessung auf den Punkt genau stimmen. Und das Nikkor 2,8/80 zeichnet - es zeichnet vorbildlich in Schärfe und Kontrast, wobei es obendrein praktisch frei von Reflexen und Oberstrahlungen ist. Sie nehmen sich vor, nie mehr eine Kleinbildkamera anzufassen. Die tun ja doch nur so, als ob sie scharfe Aufnahmen liefern könnten! Und so ist man eine Weile so glücklich mit der Kamera, wie an einem Abend mit kaputtem Fernseher, wenn man ein gutes Buch gelesen hat und sich plötzlich wieder auf die echten Werte des Lebens besinnt. Das aber kann eigentlich nur nachempfinden, wer viel fernsieht, und die Makina 67 weiß eigentlich nur der zu würdigen, der vier Kameras -alles Kleinbild natürlich! - im Schrank stehen hat und vierzehn Objektive dazu. Die Makina erlöst uns von dem ganzen technischen Über-Perfektionismus und führt uns zur einfachen Fotografie zurück, zur überlegten, sorgfältig ausgewählten und gestochen scharfen Aufnahme.
Wenn Sie nun Ihren ganzen Fotokrempel, wie oben geschildert, zum Fotohändler tragen und in Zahlung geben, kann es sein, daß Sie dafür gerade diese Makina 67 bekommen. Sie kostet über 2.000.- DM.
Auch hier zeigt sie sich als Anti-Trend-Kamera: während sich die anderen Hersteller abstrampeln, um noch ein paar Mark billiger werden zu können, kostet diese Maschine (Apparat klingt viel zu klapprig!) ohne Fünffach-Automatik, ohne Wechselobjektive und ohne Winder ihr sattes Geld.
Und gerade das garantiert ihr den Erfolg.
Sie ist für Leute gemacht, die jede Uniformierung ablehnen, die nicht schon durch den Erwerb einer Kamera dokumentieren wollen, daß sie Masse sind, für die und um die in Massen geworben wird. Sie ist die Kamera für alle Industrie- und Werbegeschädigten, die einfach keine Automatik wollen, keine Objektive mehr wechseln wollen, keinen Koffer voll Möglichkeiten mehr mit sich herumschleppen wollen, und die endlich wieder scharfe Bilder möchten. Und die mit gelassener Ruhe lieber zehnmal nicht auf den Auslöser drücken wollen, weil eine umgehängte Winderkamera dazu verpflichtet, sondern die ihr Motiv wieder sehen lernen wollen, um es zu fotografieren, wie es ist: mit den feinsten Details. Man erwirbt mit der Makina 67 nichts, was irgendwo in zwanzigtausend Stück täglich vom Band gewischt wird, sondern ein Stück Individualismus. Keine Snob-Kamera: da käme es ja nur auf's Äußerliche an, sondern echte Fotografie.
Das hat man sich wohl auch bei Plaubel gedacht, als man der Kamera zugleich eine Tasche mitgab, die ebenso ungewöhnlich ist: vorne mit Einschub für die Makina 67, hinten eine komplette Herrentasche mit Fächern für Kram, sowie Scheckbuch und Scheckkarte. Beides hat ja, wer diese Kamera erwirbt.
Leider hat man dem echten Leder dieser Tasche ein so dezentes Aussehen verliehen, daß man es für Kunstleder halten könnte. Vielleicht liegt auch hier der Wert im Understatement. Auf der kargen Bedienungsanleitung steht: "printed in Japan". Daß die ganze Kamera in Japan gemacht wird, ist heute wohl kaum anders möglich. Würde sie hier produziert, müßte sie DM 6.000.kosten. Aber wenn ich Plaubel wäre, würde ich zu dieser Kamera ein Bedienungshandbuch auf Büttenpapier drucken lassen, in Schweinsleder gebunden und mit herrlichen Aufnahmen versehen, im besten Farbdruck der Welt. Die fünfzig Mark mehr wären bald wieder hereingeholt. Denn dieser beigefügte japanische Wisch ist nicht einmal eines Feuerzeuges würdig, und wenn man ihn einem Interessenten zeigt und erklärt, man habe sich diese Kamera gekauft, hält er die Makina 67 für eine Warenhauskreation aus der Spielwarenabteilung. Und genau das sollte Plaubel nicht wollen.
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