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Artikel
Erfahrungsbericht
Minox Kleinstbildsystem
Die Kamera für (un)heimliche Bilder
Die Minox ist ein Klassiker. Aber ein lebendiger. Das Minigehäuse von zeitlosem Design. Voll moderner Technik. Der Bericht sagt, was sie kann.
Seit dem Aufkommen des Pocketformates ist es um die klassische Kleinstbildkamera Minox zumindest in Amateurkreisen etwas ruhiger geworden. Die Diskussionen um das Für und Wider dieses extremen Aufnahmeformates haben sich versachlicht und beschränken sich in zunehmendem Maße auf die Probleme der Dokumentationsfotografie. Das ist eine natürliche Folge der Verbreitung des doch bedeutend größeren Pocketformates, mit dem man relativ preiswert und mit akzeplabler Qualität Farbaufsichtsbilder auch aus dem Großlabor erhalten kann. Durch diese Entwicklung werden die klassischen Minoxfreunde aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht selten zu Außenseitern gestempelt. Die Liebhaber der 8 x 11 Minox sehen sich aber nicht ganz zu Unrecht immer mehr in die Rolle einer Elite, die einiges von den Zusammenhängen der fotografischen Prozesse verstehen müssen, wenn die Qualität ihrer Bilder mit der von größeren Ausgangsformaten mithalten soll. Solche Qualitätsansprüche kann man mit dem klassischen Minoxformat auf zwei Wegen erreichen: entweder man läßt die Bilder in Speziallabors anfertigen oder man wird Minox-Spezialist von der Aufnahme- über die Entwicklungs- bis zur Vergrößerungstechnik und kann dann für minimale laufende Kosten Schwarzweißbilder in einer Qualität herstellen, deren Ausgangsformat man nicht für möglich halten würde. Es lohnt sich, sich mit diesem gewachsenem Minoxsystem wieder einmal auseinanderzusetzen. Kamera und Verarbeitungssystem gehören zu den ganz wenigen fototechnischen Errungenschaften, die von Anfang an so genial konzipiert waren, daß sie im Prinzip nicht mehr verbessert werden konnten: Dazu gehört der schon vor Jahrzehnten erfundene und inzwischen millionenfach kopierte Filmtransportmechanismus mit seiner bei jedem Transportstand entnehmbaren und auswechselbaren Kassette (ohne Rückspulung) und die formatunabhängige kurze Brennweite. Diese läßt Schärfentiefe- und Beugungsprobleme durch den möglichen Fortfall einer Abblendung gleichzeitig aus der Welt schaffen. Die Zusammenfassung dieser Eigenschaften ermöglicht außerdem eine besonders elegante Bewältigung des Nahaufnahmeproblems ohne optische oder mechanische Zusatzteile und ohne die sonst so gefürchteten Kompromisse in der Abbildungsleistung in diesem Bereich. Das ist ein Leistungspaket, das seinesgleichen sucht und das auch von Pocketkameras der Spitzenklasse in dieser Konsequenz schon aus technischen Gründen nicht realisiert werden kann.
Es liegt auf der Hand, daß man Aufnahmen, die von einem so hochentwickelten System auf den Film gebracht wurden, nicht mit einem beliebigen Vergrößerer - auch wenn es sich um ein Kleinbildgerät der Spitzenklasse handelt - weiterverarbeiten sollte. Die Logik des Minox-Systems ist in ihrer ganzen Konzeption so zwingend, daß man nicht auf halbem Weg auf konventionelle Verarbeitungsweisen umsteigen kann, ohne beträchtliche Verluste in der Abbildungsqualität in Kauf zu nehmen.
Das beginnt schon bei der Entwicklung des Filmes. Dafür gibt es ein besonders elegantes und handliches Tageslicht-Entwicklungsgerät, das den Film spiralenförmig durch Drehbewegungen an einem außen liegenden Knopf in das Innere zieht. Für die Verarbeitung gibt es Spezialentwickler von Minox und Tetenal, weiche die besonderen Bedürfnisse dieser Technik berücksichtigen. Die Kleinstbildfilme müssen für die Halbtonverarbeitung sowohl extrem feinkörnig als auch scharf entwickelt werden. Dafür gibt es Spezialrezepte. Sie sind in den erwähnten Entwicklern weitgehend verwirklicht. Das zur Verfügung stehende Sortiment an Halbtonfilmen reicht von Agfapan professional 25 mit 15 DIN bis zum Agfapan 400 professional mit 27 DIN. Diese Filme lassen sich in den erwähnten Entwicklern problemlos verarbeiten, doch sollte man möglichst bei der niedrigstempfindlichen Variante bleiben. Ein Geheimtip für die Zwecke der Dokumentation ist der Agfaortho professional. Das ist ein Spezialfilm für Druckvorlagen. Wenn man von der Problematik der Umsetzung von Farb- in Grauwerttöne absieht, und besonders hohe Ansprüche an Kornfreiheit und Schärfeleistung stellt, kann man diesen Film auch in der bildmäßigen Fotografie verwenden, der dann in Neofin doku entwickelt werden muß. Die Empfindlichkeit liegt dann bei etwa 13 DIN. Die mit dieser Technik erzielbare Schärfe und Kornfreiheit ist überwältigend. Doch nun zum Vergrößern. Auch hier kann nur das Wichtigste zusammengefaßt werden. Der Minox Vergrößerer hat eine Bildbühne, in der der Film durch kugelschalenförmige Andruckplatten in gewölbter Form gehalten wird, um die Korrektion des Vergrößerungsobjektives auf ein Höchstmaß zu bringen. Auch dieses Objektiv läßt sich nicht abblenden. Das kann auf den ersten Blick nachteilig erscheinen, wenn man vom Arbeiten mit anderen Formaten gewöhnt ist, kleine Einstellfehler durch Abblendung zu minimieren. Hier hätte das keinen Sinn: eine solche Fehlerminimierung müßte durch das Größerwerden anderer Abbildungsfehler bezahlt werden. Bei diesem Miniformat wäre es vor allem die verstärkte Beugung der Lichtstrahlen an den Blendenrändern, die sich merklich mindernd auf die Bildqualität auswirken würde. Minox-Fans helfen sich mit guten Lupen. Diese kleine Unbequemlichkeit nimmt man bei den sonstigen Vorteilen dieses Systems gerne in Kauf. Die Lichtquelle dieses Vergrößerers ist ebenfalls von besonderer Art. Bei extremen Vergrößerungen, die hier der Normalfall sind, kommt es vor allem auf eine hohe Detailwiedergabe an. Diese kann man nur im strengen Kondensor-Punktlicht erzielen. Eine solche Lösung wird hier mit äußerster Konsequenz mit Hilfe einer Lampe praktiziert, die äußerlich einer Kfz.-Scheinwerferlampe sehr ähnlich ist. Damit ist eine weitgehend punktförmige Lichtquelle gegeben. Dadurch werden freilich auch das Korn und feinste Unsauberkeiten in der Einstellebene unbarmherzig aufgedeckt. Das muß man in Kauf nehmen. Die schon erwähnte Spezialentwicklung von niedrigempfindlichen Filmen, insbesondere auch des Dokumentenfilmes in Neofin doku, lösen das Kornproblem weitgehend. Es geht im Extremfall im Rauschen anderer optischer Abberrationen unter. Das Ausflecken freilich bleibt eine Minox-spezifische Crux. Aber auch dafür gibt es heute sehr bequeme Mittel. Da das Vergrößerungsgerät wie schon erwähnt - keine Blende hat, muß man die Belichtungen mit der Zeiteinstellung regeln. Das kann bei der starken Lichtquelle zu Problemen führen. Daher hat das Gerät ein eingebautes Dämpfungsfilter. Wer die Ausführungen bis hierher verfolgt hat, wird seine Vermutungen vielleicht bestätigt finden: eine Spezialkamera für Präzisionsfetischisten oder Snobs. Dem könnte man allerdings und unter Vorbehalt nur dann zustimmen, wenn man nicht alle Konsequenzen dieses so genialen Systems kennt.
Ich zähle die klassische (8 x 11) Minox zu den ganz wenigen grundlegenden Neuschöpfungen der Fototechnik, die nicht nur Marksteine gesetzt, sondern schon Fotogeschichte gemacht haben. Sie gehört zu den ganz wenigen Konstruktionen, die im Prinzip nicht mehr verbesserbar sind. Dazu gehört beispielsweise auch das Prinzip der Balgenkamera, bei dem man Objektive und Rückteile der verschiedensten Art und bei unterschiedlichen geometrischen Stellungen lichtdicht miteinander verbinden kann, ohne Rücksicht auf das Volumen des Kameragehäuses nehmen zu müssen. Ferner zählt dazu die erste Kleinbildkamera Leica, später mit ihren spezifischen Merkmalen des gekoppelten Entfernungsmessers und der Wechselobjektive, auch die zweiäugige Spiegelreflexkamera Rolleiflex mit den Vorteilen der blitzschnellen Motiverfassung und schließlich das heute allen bekannte Prinzip der einäugigen Spiegelreflexkamera in ihren unzähligen Varianten. Sie alle haben sich ständig weiterentwickelt - im Grundsätzlichen aber nichts mehr ändern können. Sie alle sind in Formen verschiedenster Kameramodelle am Leben geblieben, da sie von einem umfassenderen, d. h. alle spezifischen Vorteile übergreifenden System nicht aufgefangen werden konnten.
Doch nun wieder zurück zur Minox Kamera. Die ersten Modelle entstanden schon vor dem Krieg in Riga. Sie sind heute begehrte Sammlerobjekte geworden. Sie waren von Anfang an die bevorzugtesten Spionage- und Geheimdienstkameras auf der ganzen Welt. Das hat sich bis heute nicht geändert. Mit diesem Aspekt aber wollen wir hier nichts zu tun haben. Es ist jedoch naheliegend, daß auch die spezifischen Vorteile, die diese Kamera bietet, auch in zivilen, keinerlei Geheimhaltungsvorschriften unterworfenen Bereichen nützlich sein müssen. Das ist einer konsequenten Überlegung wert.
Unsere technische Zivilisation hat uns vor Aufgaben gestellt, die man rationell und ökonomisch bei gewissen Rahmenbedingungen nur unter Nutzung der Vorteile dieses Minox-Systems in den Griff bekommt. Ich denke an die systematische Dokumentation von Informationen jeder Art und das zwangsläufig damit verbundene retrieval, d. h. das systematisch-ökonomische Wiederfinden der gespeicherten Information. Das ist heute ein allgegenwärtiges Problem geworden. Alle reden von der Informationslawine und den Problemen dieser uns erdrückenden Informationsfülle. Das Lösen dieser Aufgabe ist lebenswichtig geworden - für das Individuum und Kollektive aller Art: für Industrie, Staat und Wirtschaft. So wird der Ruf nach alles wissenden Computern verständlich, mit denen wir in absehbarer Zukunft über den Fernsehschirm kommunizieren sollen. Solche, mit speziellen Wissensgebieten gespeicherte Großcomputer gibt es längst in Staat und Wirtschaft, wir haben ein ganzes Spektrum von Informationssystemen, die von Spezialisten über Terminals im Dialogverkehr genutzt werden können. Auch Journalisten, Politiker und Wirtschaftler bedienen sich dieses Mittels - mit oft umstrittenem Erfolg. Der Normalverbraucher aber kann mit solchen Systemen allenfalls in seinem Spezialfach im Beruf etwas anfangen. Im privaten Bereich werden solche Systeme versagen müssen, wenn man sich nicht auf Lieschen-Müller-Dialoge beschränken will oder nur allgemeine Informationen wie Wetterdienst, Fahrpläne, Theaterprogrammme u. ä. anbietet, aber wieweit das themenspezifisch möglich sein wird, ist eine andere Frage. Der Grund ist einfach: die beste gespeicherte Information kann nur so gut sein, inwieweit man sie gezielt selektieren kann. Das kann man immer nur als Fachmann auf einem Gebiet und dazu gehört auch eine definierte Fachsprache. Aber was für ein Fachmann ist man als Hausherr, Familienvater, Gartenfreund, Fotoamateur? Dokumentationssysteme, die in weitgehend individuellen Fragen weiterhelfen sollen, muß man selber, d. h. auf seine eigenen Erfahrungen und Interessen bezogen, aufbauen. Eine systematische Erweiterung des eigenen Erfahrungsbereiches läßt sich mit technischen Mitteln nur in Korrelation mit dem schon im Gehirn gespeicherten Wissen durchführen.
Das Gehirn höherer Lebewesen und besonders des Menschen zeichnet sich durch eine unnachahmliche Assoziations- und Lernfähigkeit und das Vergessenkönnen in Abhängigkeit von der Wichtigkeit einer Information aus. Das kann von keiner Maschine reproduziert werden. Die speicherbare Datenmenge hingegen ist bei Maschinen ungleich größer. Dieser exemplarische Unterschied der Fähigkeiten von Gehirn und Maschine muß in eine vernünftige und ökonomische Relation gebracht werden, wenn man Fakten, Erfahrungen und Wissen nutzbringend dokumentieren will. Dabei kommt es immer auf den relativ leichten Zugriff dieser Information an. Das ist auch eine Kostenfrage. Was den Speicherplatz betrifft, ist der niedrigempfindliche Halogensilberfilm besonders im Zusammenhang mit Format und Technik der Minox einsame Spitze: Es gibt außer den speziellen Mikrofilmen keinen anderen Informationsspeicher - insbesondere nicht auf der Basis von Magnetträgern - der auf vergleichbar geringem Raum so viel Information unterbringen kann.
Die Umwandlung in eine visuelle Wahrnehmbarkeit einer solchen Information läßt sich auf zwei Wegen durchführen: Bei bildmäßiger Information vornehmlich über das Vergrößerungsgerät und bei der eigentlichen Datenspeicherung über das Mikrofilm-Lesegerät, von dem es eine besondere Variante für den Minoxfilm gibt (M 811). Das muß aber keine Alternative sein. Im Lesegerät kann man auch Halbtonbilder hervorragend differenziert wiedergeben in SW und Farbe. Sei Farbbildern sollte man allerdings die bei der Betrachtung von SW-Vorlagen physiologisch günstigere grüne Mattscheibe durch eine neutralgraue ersetzen. So ein Lesegerät ist außerdem ein sehr nützliches Medium zur technischen und ästhetischen Kontrolle von Diaserien. Informationen in größeren Mengen speichern, heißt diese sinnvoll ordnen. Das ist das Schlüsselproblem jeder Dokumentation. Minox-Negative oder Diapositive kann man in Spezialtaschen, den sogenannten Dokumentations-Filmhüllen aufbewahren. Sie eignen sich für das Einspannen in das Lesegerät M 81 1. Das ist das Nonplusultra des Komforts, weil man damit in Sekundenschnelle die Information eines Minox-Bildes aus einer Auswahl von etwa 70 Aufnahmen 29 x vergrößert strahlend hell auf der Mattscheibe findet.
Zur Aufnahmetechnik
Sie ist spielend leicht. Für die Minox-Kamera gibt es äußerst praktische, zusammengelegt sehr kompakte Reprostative, mit denen man alle Vorlagen bis zum DIN A 4 Format fotografieren kann. Das geht einfacher und schneller als es sich beschreiben läßt. Man verlängert dieses Vierbeinstativ auf den nächsten Abbildungsmaßstab, stellt die Entfernung an der Kamera ein und betätigt den Drahtauslöser. Das Ganze soll möglichst in der Nähe eines Fensters liegen, wo der Lichtabfall nicht zur Geltung kommt oder man verwendet ausreichend gleichmäßig strahlende Kunstlichtquellen. Probleme mit Blende, Belichtungszeit und Fokussierung gibt es keine. Handelt es sich um Schriftstücke, verwendet man den schon erwähnten Agfaortho 25, der mit etwa 13 DIN belichtet wird und in einem Papierentwickler verarbeitet werden kann. So entstehen haarscharfe Schwarzweißbilder mit höchstem Kontrast, die hervorragend wiederlesbar sind. Handelt es sich um Halbtonvorlagen, nimmt man den Agfapan 25 und entwickelt im Minox Spezialentwickler. Wenn die Tonwerte keine besondere Rolle spielen, kann man auch den Agfa ortho in Neofin doku entwickeln und belichtet auf etwa 15 DIN. Natürlich kann man auch Dias machen. Die z. Zt. zur Verfügung stehenden Filme haben 19 DIN, man muß sie bei möglichst neutralem Tageslicht belichten. Sie eignen sich sowohl zur Projektion im Minox-Projektor HP 24 als auch zur Vergrößerung im Lesegerät L 81 1. Diese Technik ist so einfach, daß es überflüssig ist, sie ausführlicher zu beschreiben.
Der zweite Teil dieses Beitrags erscheint in Heft 4/80. Er befaßt sich mit der Dokumentation, dem Ordnungssystem der Dokumente.
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