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2003

KAMERAS TEST

LANG ERWARTET -  ENDLICH DA: DIE LEICA M7

MODERNE ZEITEN

Mit der neuen Leica M7 hatten dank Zeitautomatik und elektronischer Steuerung mehr Komfort und leichtere Bedienung in der klassischen Leica-M-Baureihe Einzug. Das Grundkonzept bleibt dabei unverändert. Und das ist auch gut so.

Zwei Jahre vor dem 50- jährigen Jubiläum seiner erfolgreichen Messsucherkamera-Baureihe hat Leica jetzt die lang erwartete M7 auf den Markt gebracht. Nicht ganz so revolutionär wie 1954 die M3 oder 1971 die M5, kultiviert diese neue Leica eher die leise Evolution wie ihre mechanische Schwester M6 TTL, die auch weiterhin im Programm bleibt.
Insgesamt 300 der 1300 Bauteile sind neu, 200 davon sind elektronischer Machart. Hatte man bisher eher verhalten auf Elektronik gesetzt, so hält sie mit der M7 nun endgültig Einzug - aber immer getreu der Firmenphilosophie, sie vor allem einzusetzen, „um mechanische Ablaufe sinnvoll zu unterstützen".

Die Kamera-Seele

Für die Konstruktion der M7 wurde all das beibehalten, was die „Seele" einer Messsucherkamera ausmacht. Da ist vor allem der leise und robuste Gummituchverschluss aus eigener Fertigung, der das Fotografieren auch im Theater möglich macht und der Leica das Etikett „Reportagekamera" eingebracht hat. Dazu kommt die besonders breite Messbasis des Suchers, die vor allem bei kurzen Brennweiten der von Spiegelreflexkameras überlegen ist und zu hochexaktem Fokussieren auch bei schlechten Bedingungen beiträgt. Die drei verschiedenen Suchervergrößerungen mit den automatisch eingespiegelten Bildrahmen bleiben für den SLR-Fotografen etwas gewöhnungsbedürftig, besonders bei den Telebrennweiten. Die Möglichkeit der Bildfeldwahl vor dem Objektivwechsel relativiert dieses Manko jedoch. Und zu guter Letzt sind da die Objektive der M-Reihe, die besonders kompakt gebaut werden können, ein unschlagbares Argument für das scheinbar überholte Kameraprinzip.

Zeitlose Eleganz

Das Gehäuse, das seit der Leica M6 TTL bis auf eine zwei Millimeter erhöhte Deckplatte weitgehend dem der legendären Urahnin M3 entspricht, stand Jahrzehnte für den Archetyp einer Kleinbildkamera schlechthin. Eine Form, die ausschließlich der Funktion folgt und dabei zeitlose Eleganz ausstrahlt, ob nun in mattem Schwarz oder edlem Silber. „Das ist Industriedesign im eigentlichen Sinne", erklärt nüchtern Stefan Daniel, Bereichsleiter Produktmanagement bei Leica. Messing und Aluminium-Druckguss sorgen für höchste Stabilität und geringe Kosten der in Portugal vormontierten Kamera. Die Ergonomie mag manchem von SLR-Kameras herkommenden Nutzer etwas zu kurz gekommen sein, aber mit dem als Zubehör erhältlichen Motor-Ansatz bekommt man einen sehr handlichen Griff mitgeliefert, der für mehr Halt sorgt und obendrein das Aufziehen des Verschlusses übernimmt. Der Filmtransport wird bei Bedarf mit einer Geschwindigkeit von bis zu drei Bildern in der Sekunde erledigt.

Neu: die Zeitautomatik

Die wesentliche Neuerung der aktuellen M-Evolutionsstufe fällt schon beim Blick auf die sparsam bestückte, aus dem Vollen gefräste Messing-Deckkappe ins Auge. Da prangt in roten Lettern an der Stelle, wo man bei der M6 noch OFF lesen konnte, die bisher bei M-Leicas unbekannte Bezeichnung Auto: unmissverständlicher Hinweis auf die jetzt eingebaute Zeitautomatik. „Diesen einfachen Weg zum guten Bild haben unsere Stammkunden seit langem gefordert", sagt Stefan Daniel zu dem überfälligen Meilenstein der M-Geschichte. Die Vorteile dieser Automatik liegen auf der Hand. Mit dem behutsamen Spiel am Blendenring kann der M-Fotograt jetzt automatisch richtig belichten, ohne das Zeitenrad bewegen zu müssen. Dabei steuert laut Leica die Automatik die passende Zeit zur Blende Stufenlos ein, auch wenn die Sucheranzeige nur halbe Schritte einblendet. Das führe in der Praxis zu genaueren Ergebnissen bei der Belichtung, obwohl die bewahrte Belichtungsmessung über den 12 mm großen Messkreis auf dem ersten Verschlussvorhang beibehalten wurde. Sie erfasst rund 13 Prozent des vollen Negativformates und ist mit der Bezeichnung „selektiv" passend umschrieben. Eine Leica wäre aber keine Leica, weich sie nicht auch ohne das auf sechs Volt erstarkte Bordnetz zu bedienen wäre- Tatsächlich können hei der Leica M7 die häufigsten Verschlusszeiten von 1/60 und 1/125 Sekunde auch ohne Batteriestrom genutzt werden; sie werden dann mechanisch gebildet. Um die Zeitautomatik konstruktiv zu realisieren, wurde die gesamte mechanische Verschlussauslösung gegen zwei Elektromagnete ausgetauscht. Zusätzlich bekam die große Rollo-Walze statt des herkömmlichen Gleitlagers ein Kugellager spendiert. Zu hören ist dieser Aufwand vor allem bei den längeren Zeiten, die bei der M6 noch von einem leisen mechanischen Surren der Kupplungen und Kurven begleitet sind: nichts als der dezente Klack des Verschlussablaufs. Will man den Bildausschnitt ändern, die an einer bestimmten Stelle ermittelte Belichtung aber beibehalten, nutzt man den Messwertspeicher. Ein kleiner Punkt im Display bestätigt den Vorgang, sobald der erste Druckpunkt des Auslösers erreicht ist.
Auch die Belichtungskorrektur, die mit dem ISO-Einstellrad kombiniert ist, ist eine Weiterentwicklung der M7. Zwar konnte der Kenner auch bisher schon in der gleichen Drittel-Abstufung die Lichtwerte über die ISO-Einstellung korrigieren - dies aber dann auch prompt vergessen... Das verhindert jetzt ein blinkender Punkt im Sucher, der an die vorgenommene Korrektur erinnert. Außerdem kann man die ISO-Einstellung getrost auf DX stehen lassen. Ein sinnvolles neues Elektronik-Feature, da das sonst obligatorische Sichtfenster für die Filmpatrone immer noch fehlt. Ein Deja-vu-Erlebnis mag dem eingefleischten M-Kenner die Einblendung der Verschlusszeit in den Sucher bescheren, denn schon die innovative, aber glücklose M5 von 
1971 zeigte diese auf rein mechanischem Wege an. Heute kommt dagegen eine moderne „Micro-Display-Technik" mit intensiv roten LEDs zur Anwendung. Insgesamt 33 Anzeigenelemente finden auf einer Maske von 0,7 x 2,3 Millimeter Größe Platz und werden durch die 15-fache Vergrößerung im Sichtfeld erkennbar. Die Anzeigen sollen sich außerdem der Umgebungshelligkeit anpassen, was in der Praxis eher unauffällig geschieht.

Schnelles Blitzen

Nichts geändert hat sich an der technisch bedingten, sehr langen Blitzsynchronisationszeit von 1/50 Sekunde, wenn auch das Blitzen nicht gerade eine Domäne der Messsucherkamera ist.
Hier hat Leica zweifach gegengesteuert. Zum einen wurde die Kamera, die mit ihrem extrem erschütterungsfreien Verschluss ohnehin für die Available-Light-Fotografie prädestiniert ist (sie besitzt weder Schwingspiegel noch Springblende), noch geeigneter für lange Verschlusszeiten. Der Arbeitsbereich der Zeitautomatik hört nicht mehr bei einer Sekunde auf, sondern steuert die volle Bandbreite bis zu 32 Sekunden (manuell bis vier Sekunden). Bei langen Verschlusszeiten und in der B-Einstellung zählt ein digitaler Countdown im Sucher auf- oder abwärts.
Auf dem Blitzsektor hat man sich wiederum von der Elektronik und dem Geschäftspartner Metz auf die Sprünge helfen lassen. Zwar konnte man die Standard-Synchronzeit nicht verkürzen, aber jetzt ist mit dem Metz Mecablitz 54 MZ-3 (mit SCA-3502-Adapter) eine High-Speed-Synchronisation nutzbar. Dabei werden bei Zeiten, die kürzer als 1/250 Sekunde sind, während des Verschlussablaufs 60 kleine Einzelblitze gezündet, was ein leistungsstarkes Blitzgerät wie den 54 MZ-3 nötig macht. Natürlich muss der Blitz in diesem Modus manuell bedient werden, was ziemlich umständlich ist, da jeweils die Arbeitsblende auf das Gerät übertragen werden muss. Erstmals ist es mit diesem Metz-Blitz auch möglich, auf den zweiten Verschlussvorhang zu synchronisieren. Ob diese Ausstattung jedoch dazu verleiten soll, sich den Lichthammer mit maximaler Leitzahl 54 (bei Reflektoreinstellung für 105 mm Brennweite) zuzulegen, sei dahingestellt, zumal er etwas ungeschlacht daherkommt und seine Bedienung eher komplex ist. Die besseren Alternativen sind sicher das Leica-Gerät SF 20 mit TTL-Betrieb oder der günstigere Metz Mecablitz 34 CS-2, der nicht für die TTL-Blitzsteuerung ausgelegt ist, aber mit einem Last schon klassischen Design aufwartet.

Mehr Bedien-Komfort

Neben den technischen Veränderungen unter dem Deckel fallen ein paar kleinere Verbesserungen ins Auge. Erstmals hat eine M-Kamera einen Ein-/Ausschalter direkt am Auslöser, was die Reaktionszeit des Fotograten entscheidend verringert. Einfach das Einstellrad auf Automatik stehen lassen, einschalten, und los geht's. Denn was nützt die kürzeste Auslöseverzögerung der Kamerawelt (12 Millisekunden), wenn der Fotograf zu zeitraubendem Fingerspiel genötigt wird? Außerdem ist der Auslöser jetzt zuverlässig blockiert, die Kamera kann also nicht mehr zufällig in der Fototasche „aktiv werden". Damit jedoch nicht genug: Ein kleiner blinkender Punkt im Display warnt gegebenenfalls den Fotograten davor, mit dem Fotografieren zu beginnen, obwohl er noch keinen Film eingelegt hat. Zu der eingeschworenen Gemeinde, die Firmensprecher Gero Furchheim schon mal „Fundamentalisten" nennt, soll die edle Automatische neue Käuferschichten rekrutieren: so genannte „Bobos" (bourgeois-bohemiens), die sich den Luxus der mindestens 3000 Euro teuren Kamera leisten können, aber andererseits auf moderne Technik nicht verzichten wollen.
Dass die Kamera auf technischem Gebiet nicht mit der japanischen SLR-Übermacht mithalten kann, dessen ist man sich auch in Solms bewusst. Und eine M-Leica hat viele moderne Features auch nicht nötig. Sie wird einfach mit anderen, nämlich klassischen Maßstäben gemessen. Lediglich die fehlenden Makroobjektive und die lange Blitzsynchronzeit könnte man ernstlich bemängeln. Diese Kamera entzieht sich dem konventionellen High-Tech-Testfeld auf eigentümliche Weise. Vielleicht bringt Günter Osterloh, Leica-Mitarbeiter und Buch-Autor, ihren diskreten Charme am treffendsten mit dem folgenden Satz auf den Punkt: „Die Messsucherkamera drängt den Fotografen, sich quasi aus dem Zentrum heraus zu artikulieren." Oder wie Fotograf Ralph Gibson es formuliert: „Diese Kamera kann alles, was ich sie tun lasse. Das Schwierigste daran ist, sie einfach wieder wegzustellen."

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