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Artikel

2003

KAMERA PHOTOGRAPHICA

DIE CONTAX I

MESSSUCHERKAMERA BAUJAHR 1935

1932 bekam die Leica Konkurrenz - durch die Contax von Zeiss Ikon. Das hier gezeigte Modell wurde drei Jahre später gebaut. Es hält einige Überraschungen bereit.

Hinter dem Kameranamen Contax verbirgt sich eine wechselvolle Geschichte: 1932 erschien die erste Contax, das modernisierte Nachfolgemodell kam vier Jahre später heraus. Als nach dem Krieg die Dresdener Fabrik in die Hände der Sowjets fiel, wurde mit Hilfe der Originalwerkzeuge eine kleine Contax-Auflage unter dem Namen „Kiev" hergestellt, an deren Innenteilen sich aber noch die Contax-Gravur befand, bis die Produktion in die Ukraine verlegt wurde. In Dresden entstand dann 1949 die hervorragende Contax S, die erste Spiegelreflexkamera mit Dachkant-Prismensucher, aber die Contax-Namensrechte gingen an Zeiss Ikon in Westdeutschland, wo die Messsucher-Contax zwar noch einmal verbessert, aber nur bis 1961 gebaut wurde. Erst 1975 erschien der Name Contax wieder. In Zusammenarbeit mit Zeiss baute Yashica in Japan die neuzeitliche Contax-SLR-Kamera, gefolgt von Kompaktmodellen und den Autofokus-System-Sucherkameras Contax Gl und G2.
Es war ein mutiger Schritt von Zeiss Ikon gewesen, Anfang der dreißiger Jahre eine solche Kamera herzustellen, denn die Kleinbildfotografen waren noch eine Minderheit, und die Contax kostete ein kleines Vermögen. 300 Reichsmark wurden 1933 für das Modell mit dem Zeiss Tessar 2,8/50 mm verlangt.
Dafür bot die Contax hochkarätige Technik und Präzision sowie ein eigenes, ungewohntes Design. Das Gehäuse hat die Form eines Quaders, ohne plump zu wirken. Das Rad an der Vorderseite neben dem Objektiv dient für den Filmtransport und den Verschlussaufzug. Die Koppelung dieser beiden Funktionen verhindert versehentliche Doppelbelichtungen - damals keineswegs Standard. Außerdem wird an dem Rad die Verschlusszeit eingestellt, wozu es etwas herausgezogen werden muss und dann einrastet. Zuvor muss aber mit dem dahinter liegenden Ring der Zeitenbereich gewählt werden. Der Schlitzverschluss ist das interessanteste Detail. Er besteht aus Metallrollos, die aus einzelnen ineinander greifenden Schienen zusammengesetzt sind. Die Verschlusszeiten von 1/1000 bis 1/25 Sekunde beim Urmodell bzw. bis zur halben Sekunde bei der hier abgebildeten Kamera waren ein gutes Verkaufsargument. Ebenfalls ungewöhnlich ist die Entfernungseinstellung. Sie wird mit dem Zahnrad an der Oberseite
der Kamera vorgenommen. Das geht mit dem rechten Zeigefinger ganz gut, wenn man nicht gerade aus Versehen mit den anderen Fingern das Messfenster zudeckt. Und wenn sich nach intensiver Benutzung eine Hornhaut am Zeigefinger gebildet hat, dann tut es auch nicht mehr weh... Diese „Fernbedienung" ist aber mehr als eine Spielerei, denn das Zahnrad bewegt direkt das daneben liegende Prisma des Entfernungsmessers. Das Wechselobjektiv ist versenkbar und wird mittels Bajonettanschluss an der Kamera befestigt. Die Einstellschnecke mit der Entfernungsskala befindet sich nicht am Objektiv, sondern am Gehäuse. Das kompliziert die Sache allerdings, da die Skala nur für das Normalobjektiv gilt. Für andere Brennweiten ist ein außen liegender Bajonettanschluss vorhanden; sie brauchen ihre eigene Schnecke und Skala.
Was aussieht wie ein Blitzschuh, ist vor allem für das Anbringen von Zusatzsuchern für Wechselobjektive gedacht. Ein Blitzkabelanschluss ist nicht vorhanden, denn es war noch die Zeit des Blitzpulvers mit „Zimmerfeuerwerk". Entfernungsmesser und Sucher haben getrennte Einblickokulare, da der Entfernungsmesser einen kleinen Motivausschnitt in natürlicher Größe zeigt, der Sucher hingegen das Motiv stark verkleinert. Diese Verkleinerung hat technische Gründe; sie verhindert in gewissem Maß, dass bei versehentlichem Schrägeinblick im Sucher etwas anderes zu sehen ist als später auf dem Film. Bei der Contax ist das Sucherbild allerdings sehr klein geraten und mit Brille nicht zu überblicken. Das kann die Freude am Fotografieren schon trüben. Eine Suchermaske in Form eines Metallschiebers ist für ein 85-mm-Teleobjektiv vorgesehen. Dann wird die Ansicht allerdings winzig. Dass sie ein hochkarätiges Präzisionsgerät ist, zeigte die Contax in ihren Details. Wer damals Kleinbildfotografie noch als Spielerei ansah, der konnte sich von der Contax eines Besseren belehren lassen. Allerdings war die Idee zu einer solchen Kamera nicht ganz neu.
Sieben Jahre früher war schon die Leica mit diesem Konzept erschienen, seit 1930 auch mit Wechselobjektiven. Es scheint so, als ob die Contax-Leute die Zeit genutzt hatten, um die Leica in der Summe der Raffinessen zu übertreffen. Der Metalllamellen-Schlitzverschluss mag robuster sein als der Tuchverschluss der Leica (allerdings auch lauter), und der Entfernungsmesser mit der großen Basis verspricht hohe Messgenauigkeit. Die Rückwand ist abnehmbar und erleichtert im Vergleich zur Leica das Filmeinlegen und das Entnehmen teilbelichteter Filme erheblich. Die damalige Leica war etwas kleiner und wirkt durch das abgerundete Gehäuse wesentlich kompakter. Sie ist übersichtlicher und logischer in der Bedienung, aber letztlich ebenso leistungsfähig wie die Contax und nebenbei auch noch reparaturfreundlicher. Trotzdem bietet sie etwas, diese Contax. Gut erhaltene Exemplare werden ab etwa 300 Euro gehandelt, und selbst verbrauchte Stücke erzielen noch beachtliche Preise.

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1. Das schon damals bewährte Zeiss Tessar war das am meisten verkaufte Normalobjektiv.
2. Ein kleiner Bügel am Stativgewinde sorgt für sicheren Stand auf ebener Unterlage - und erfüllt selbst im Vitrinendasein der Sammler-Contax noch seinen Zweck!
3. Beim Objektivwechsel bleibt der Schraubtrieb für die Entfernungseinstellung an der Kamera; das Außenbajonett dient für Objektive anderer Brennweiten.
4. Bildzählwerk, Auslöser und das Zahnrad für die Entfernungseinstellung.
5. Sucher und Entfernungsmesser haben getrennte Einblicke; das Innere wirkt übersichtlich und aufgeräumt.
6. Liebevoll gestaltetes Detail.
7. Die Verriegelung von Bodenplatte und Rückwand geschieht ähnlich wie bei der Leica.
8. Interessant und ungewöhnlich: Die Kombination von Filmtransport und Verschlusseinstellung. Um die Verschlusszeit zu ändern, muss man den unteren Ring anheben und drehen.

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