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Artikel
2003
KAMERAS TEST
Auf die Zukunft fokussiert
Rolleiflex 6008 AF
Ein Kameraklassiker im 6 x 6-Format hat sich weiterentwickelt: Die Rolleiflex 6008 AF sieht dem Vorgängermodell 6008 integral zum Verwechseln ähnlich, besitzt aber eine Schärfeautomatik. Ist die Kamera damit automatisch auf die Zukunft fokussiert?
Als Kameraklassiker im modernen Outfit präsentiert sich die Rolleiflex 6008 AE. Klassisch ist das Konzept: eine 6x6-Kamera mit Lichtschachtsucher und Rollfilmmagazin. Modern wirken die geriffelten Oberflächen an der Gehäusefront und am Lichtschachtdeckel, ebenso die Farbtupfer in Grün und Rot, die durchaus praktische Bedeutung haben: Grün sind die beiden Auslöser, rot die Entriegelungstasten für den Magazindeckel und das Objektivbajonett. Die Konstrukteure der Rollei haben allerdings nicht nur optische Akzente gesetzt: Den integrierten Motor für den Filmtransport und eine TTL-Messung, die unabhängig vom verwendeten Sucher funktioniert, kennt man bereits vom (weiterhin erhältlichen) Schwestermodell 6008 integral. Hinzugekommen ist der Autofokus als logische Weiterentwicklung eines Kamerakonzepts, das vor 14 Jahren mit der Rolleiflex 6008 Professional Gestalt angenommen hat.
Extras und Eigenheiten
Diese Gestalt hat durchaus Ecken und Kanten, was die 6008 aber nicht etwa unhandlich macht. Optimieren lässt sich die Ergonomie durch einen genialen Handgriff, der seitlich in das Kameragehäuse gesteckt wird und in seinem Neigungswinkel verstellbar ist. Wenigstens als Rechtshänder braucht man dann nur noch eine Hand, um die Kamera sicher zu halten. Und wenn der Griff richtig eingestellt ist, schwebt der Daumen direkt über dem Zweitauslöser am Verschlusszeitenrad. Die andere Hand bleibt frei für das Zoomen oder manuelle Fokussieren. Ebenfalls Rollei-typisch ist das Wechselmagazin 6000 mit integriertem Laminarrollo: Dieses verhindert eine ungewollte Belichtung des Rollfilms beim Abnehmen des Magazins und macht den sonst üblichen Schieber (der so gern das Weite sucht) überflüssig. Das Laminarrollo wird durch einen Schiebeschalter am Magazin aktiviert; erst dann lässt sich das Magazin abnehmen. Ebenso praktisch ist der völlig symmetrisch aufgebaute Rollfilmeinsatz: Weil er kein Oben oder Unten hat, lässt er sich in zwei Positionen in das Magazingehäuse einsetzen, und das Umsetzen der Leerspule vor dem Einlegen eines Films erübrigt sich. Legt man sich mehrere vorgeladene Rollfilmeinsätze bereit, wird der Filmwechsel erheblich beschleunigt - ein klarer Vorteil beispielsweise bei Mode-Shootings. Eine Vor- und Aufspulautomatik erleichtert das Film-Handling zusätzlich.
Neben derart erfreulichen Extras wird man auch mit gewöhnungsbedürftigen Eigenheiten konfrontiert. Dazu gehört, dass Rollei auf ein LC-Display verzichtet und alle Funktionen über Hebel, Einstellräder und Tasten eingestellt werden. Die einzige Anzeige besteht aus der schmalen Display-Leiste am Rande des Sucherfelds, wo man beim Fotografieren Belichtungswerte und Kamerafunktionen ablesen kann. In dieser Hinsicht gibt es am Informationsgehalt der Anzeige auch nichts zu mäkeln. Wer jedoch bestimmte Grundeinstellungen verändern will und sich dafür in den „Menü"-Modus einschaltet, sieht am Sucherrand kryptische Zeichen, die sich nur nach dem Studium des Handbuchs erschließen. Dazu gehören beispielsweise die AF-Messart oder das benutzte Bracketing-Programm. Zum Auswählen der gewünschten Funktion drückt man eine Taste, bestätigt wird durch nachhaltiges Drücken des Auslösers. An dieses Procedere wird man sich wie an fast alles im Leben gewöhnen - zeitgemäß ist etwas anderes. Viel versprechender erscheint da schon die als Zubehör angekündigte Rollei MasterWare, eine Steuerungs- und Konfigurations-Software für Windows und Mac OS.
Professionelle Ausstattung
Im direkten Zugriff des Anwenders befindet sich alles, was die Kamera an Aufnahmefunktionen zur Verfügung stellt. Und das ist nicht wenig: Neben der manuellen Nachführmessung bietet die Kamera Zeit-, Blenden- und Programmautomatik (letztere ohne Shift-Funktion). Eine Messwertspeicherung, Belichtungskorrektur und Belichtungsreihen-Automatik (Bracketing) komplettieren die Ausstattung. Die Bracketing-Funktion variiert je nach Belichtungsprogramm und Konfiguration der Kamera zwischen Zeit-, Blenden- und Blitz-Bracketing. In Standardeinstellung besteht die Belichtungsreihe aus drei Aufnahmen, die in 2/3 Lichtwerten abgestuft sind. Das zweite Bracketing-Programm arbeitet mit einer Abstufung von 1/3 Lichtwerten. Die verfügbaren Belichtungszeiten, 1/500 s bei den PQ-Objektiven und 1/1000 s bei den PQS-Modellen, sind in Drittelstufen einstellbar. Aktiviert wird die Kamera über einen Drehschalter rechts am Gehäuse, der drei Positionen kennt: S für Einzelbildaufnahmen, C für Serien mit etwa zwei Bildern pro Sekunde und S± für Belichtungsreihen. An der gleichen Gehäuseseite findet man das Verschlusszeiten-Rad, den (Zweit-)Auslöser, Messspeicherund Abblendtaste sowie einen dreistufig rastenden Drehschalter für den AF-Modus. An der linken Seite des Gehäuses finden sich eine Taste für die Spiegelvorauslösung, ein rastender Drehregler für Belichtungs- und Blitzkorrekturen sowie der Schalter für Einzel- bzw. Mehrfachbelichtungen. Für den Blitzschuh ist ein maßgeschneiderter SCA-Adapter (3562) erhältlich, der unter anderem den Metz 54 MZ-3 zum Systemblitzgerät macht. Das Blitzlicht synchronisiert mit allen Verschlusszeiten der Zentralverschluss-Objektive; Korrekturen der Blitzbelichtung sollen ebenso möglich sein wie die automatische Blitzzuschaltung bei wenig Licht. Für diesen Beitrag standen SCA-Adapter und Systemblitzgerät jedoch noch nicht zur Verfügung.
Belichtungsmessung
Zur Belichtungsmessung besitzt die Kamera sieben Silizium-Fotodioden, die hinter dem teildurchlässigen Spiegel in fünf Gruppen angeordnet sind. Bei der mittenbetonten Mehrzonenmessung kommen alle Sensoren zum Einsatz. Die im Sucher unten angeordneten Bildpartien (z B. eine Landschaft) werden gegenüber den oben liegenden (Himmel) bei dieser Messmethode stärker gewichtet. Für die Spotmessung wird nur der im Sucherzentrum thronende Sensor aktiviert. Der Messbereich umfasst etwa ein Prozent der Bildfläche und entspricht auf der Standard-Einstellscheibe dem Schnittbild-Indikator-Feld. Wenn sich die gemessene Partie nicht ohnehin in der Suchermitte befindet, speichern Sie den Messwert mit der Memo-Taste, bevor der Bildausschnitt endgültig festgelegt wird. Ergänzend bietet die Kamera eine Multispot-Messung. In diesem Modus können Sie bis zu fünf Motivdetails anmessen und daraus einen Mittelwert berechnen lassen.
Im Kombination mit einer Studioblitzanlage macht sich der Spotsensor ebenfalls nützlich, indem er eine TTL-Vorblitzmessung ermöglicht. Diese Messung gehört zu insgesamt sieben Sonderfunktionen, von denen jeweils eine auf den Sonderfunktionsschalter gelegt werden kann. Ist die Vorblitzmessung aktiviert, durchläuft die Kamera nach dem Auslösen einen Verschlusszyklus mit eingestellter Arbeitsblende, ohne dass der Film belichtet und weitertransportiert wird. Mittels Lichtwaage lässt sich die Blitzbelichtung abgleichen, wozu möglicherweise mehrere Testläufe nötig sind. Ein externer Blitzbelichtungsmesser mit digitaler Blendenanzeige bietet zwar mehr Komfort - dennoch erfreulich, dass diese Funktion existiert.
AF-Antrieb im Objektiv
Der Autofokus-Motor wurde in die neuen Objektive integriert, von denen bis zur photokina drei Modelle verfügbar sein sollen: ein Normalobjektiv (AF Xenotar 2,8/80 mm), ein Tele (AF Tele-Xenar 2,8/180 mm) und ein Zoom (AF Variogon 4,6/60-140 mm), alle von Schneider-Kreuznach. Die Objektive der Rolleiflex 6008 Integral bis zurück zum Modell SLX von 1976 sind verwendbar - zwar nicht im AF-Betrieb, aber mit Fokus-Indikation: Zwei gegenüber liegende Pfeile signalisieren beim manuellen Fokussieren, wenn die Schärfe optimal eingestellt ist.
Der AF-Sensor der Rollei 6008 AF besteht aus drei Feldern in H-förmiger Anordnung. Beim Fokussieren kommen entweder alle drei Felder zum Einsatz oder (wenn man dies im Auswahlmenü so einstellt) nur das in der Mitte gelegene. Der Autofokus arbeitet wahlweise im Einbild-Modus (Single Shot) oder mit Schärfenachführung (Continous), lässt sich aber auch komplett abschalten. Im Testbetrieb passierte dies auch ungewollt, weil das dafür zuständige Einstellrad in der Nähe des Hauptauslösers sitzt und immer wieder versehentlich mit dem Daumen verstellt wurde. An dieser Stelle wäre eine Verriegelung angebracht. Beim automatischen Fokussieren kann man hören und spüren, dass ordentlich Masse bewegt wird. Zwar stehen Tempo-Messungen noch aus, doch das Gefühl sagt, dass die Schärfeautomatik für eine Mittelformatkamera ziemlich schnell arbeitet. Beim Fokussieren auf diverse Testmotive zeigte das AF-System aber auch noch Schwächen: Im Single-Shot-Modus verfehlte der AF-Motor nicht selten sein Ziel und stellte das Objektiv verlegenheitshalber auf Unendlich. Plausible Gründe für diese Sprunghaftigkeit ließen sich im Laufe des Praxistests nicht ermitteln. Der Hersteller, darauf angesprochen, vermutete eine noch nicht optimale Anpassung der Kamera an das verwendete 180-mm-Objektiv aus der Vorserienproduktion.
Viele Stromquellen
Zeit und Blende werden von der Kamera elektronisch gesteuert; für den Antrieb sind zwei in die Objektive integrierte Linearmotoren zuständig. Berücksichtigt man, dass auch Autofokus und Filmtransport einen Motor benötigen, lässt dies auf einen relativ hohen Strombedarf schließen. Und dies ist laut Hersteller auch der Grund, warum der verwendete Akku vom Typ NiCd ist: Nur dieser Akkutyp sei zur Zeit in der Lage, jene„ kurzzeitige Hochstromfähigkeit" zu entwickeln, die bei der Kamera nun mal eben nötig ist. Dennoch sollen pro Akkuladung über 200 Aufnahmen möglich sein. Das Ladegerät lässt sich bei Bedarf auch über den Zigarettenanzünder aus der Autobatterie speisen, als Zubehör sind alternative Stromquellen mit 12 bis 18 Volt lieferbar.
Fazit
> > Karl Stechl
Nicht viele Kameramodelle beweisen ein so hohes Maß an Kontinuität wie die Rollei 6008. Mit dem Autofokus ist man auf dem Weg in die Zukunft wieder ein Stück vorangekommen. Zukunftsorientiert ist auch die bauartbedingte Möglichkeit, ein Digitalrückteil anzusetzen. Der Autofokus arbeitet schnell, benötigt aber offenbar noch etwas Feintuning, um allzeit auf der sicheren Seite zu sein.
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