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Artikel

2003

Kameras - Photographica

Bezahlbare Träume aus den 50ern und 60ern

Voigtländer für alle

Die Amateurkameras von Voigtländer, einem der ältesten Hersteller fotografischer Apparate, haben die Fotografie der 50er und 60er Jahre entscheidend mitgeprägt.

Die hab ich doch auch noch irgendwo!" - „Das war mein erster Fotoapparat!" Solche oder ähnliche Reaktionen hört man bisweilen von älteren Hobbyfotografen beim Anblick einer Voigtländer. Zugegeben, spektakulär sind diese Kameras nicht. Aber ihre hohe Qualität rechtfertigt einen guten Platz in der Photographica-Geschichte. Auch aus heutiger Sicht ist die Abbildungsqualität uneingeschränkt konkurrenzfähig, und dass der Fotograf über alle Einstellungen selbst entscheidet, kann ungeahnte Impulse geben.

Star der 50er - die Vito B

Anfang der 50er Jahre erschien die Vito B. Sie verfügt über einen Verschluss mit Zeiten von 1/200 bis 1/25 Sekunde sowie B und Vorlaufwerk (Selbstauslöser). Aber es handelt sich nicht um eine Sparausführung. Denn das Objektiv mit dem Namen Color-Skopar und der Lichtstärke 1: 3,5 ist ein hochwertiger Vierlinser und qualitativ mit dem Zeiss Tessar und dem Elmar der Leica vergleichbar. Das kompakte Gehäuse macht einen gediegenen Eindruck. Nichts wirkt hier billig, das Chassis besteht aus Zink-Druckguss, bis auf die Belederung finden sich keine Kunststoffe an der Kamera. Die schmale, kompakte Bauform wurde möglich durch den Verzicht auf eine besondere Zahnradachse für den Filmtransport; ein großes Zahnrad zur sicheren Regelung der Transportschritte befindet sich über dem Filmfenster. Der Filmtransport geschieht durch einen Schnellschalthebel - besonders fortschrittlich für die Zeit! Sehr bedienerfreundlich ist auch die Filmrückspulung gelöst: Wenn man den Hebel unterhalb des Rückspulrades bewegt, schnellt das Rad heraus, so dass der Film in die Patrone zurückgedreht werden kann. Später gab es Kameras der Vito-B-Reihe auch mit Leuchtrahmensucher, mit Belichtungsmesser und billigerem dreilinsigem Objektiv.

1: 2,8-Objektiv - die Vitomatic

Die Vitomatic, ab 1960, beruht auf dem gleichen Chassis wie die Vito B. Abgebildet ist hier das Modell 11 a, erschienen 1962. Sie gehört zweifellos zu den Luxusmodellen im Amateurbereich. Sie hat ebenfalls das vierlinsige Skopar-Objektiv, hier mit der höheren Lichtstärke 1: 2,8, einen Zeitenbereich von 1/50o bis 1 s und Vorlaufwerk, einen Mischbild-Entfernungsmesser und einen Belichtungsmesser. Dieser ist mit Zeit und Blende gekuppelt. Normalerweise wird man zuerst die Belichtungszeit einstellen und dann am Blendenring drehen, bis die Zeiger zur Deckung gebracht sind, und die Belichtung stimmt. Man kann danach aber durch Drehen am Zeitenring noch eine andere Zeit-Blenden-Kombination wählen, ohne dass die Lichtmenge beeinflusst wird. Die Handhabung ist viel einfacher und logischer, als es die Beschreibung ahnen lässt, und die mechanische Konstruktion ist genial. Besonders raffiniert: Die Zeiger befinden sich oben am Gehäuse, sind aber durch eine ausgeklügelte Strahlenumlenkung zugleich im Sucher sichtbar. Der Sucher hat einen Leuchtrahmen nach dem Albada-Prinzip: Die vordere Sucherlinse ist halbdurchlässig verspiegelt und zeigt dadurch den Leuchtrahmen, der sich auf einer der hinteren Linsen befindet. Der Sinn: Ganz gleich, ob man gerade oder schräg hineinblickt, man sieht immer exakt denselben Ausschnitt. Das Besondere bei der Vitomatic: Der Sucher zeigt das Motiv in natürlicher Größe, so dass man das andere Auge offen lassen kann! Die Vitomatic gab es auch mit dem hochlichtstarken Objektiv „Ultron" (1: 2/50 mm).

Hochwertige Balgenkamera - die Vito II a

Mein Favorit ist die Balgenkamera der Vito-II-Reihe, die ab 1950 gebaut wurde; das abgebildete Exemplar ist eine Vito II a von 1952 mit dem scharfzeichnenden Skopar 1: 3,5. Sie hat zwar weder einen eingebauten Belichtungs- noch Entfernungsmesser oder einen Leuchtrahmensucher, aber sie hat Belichtungszeiten bis zur ganzen Sekunde, ist wunderbar verarbeitet und zusammengeklappt sehr kompakt. Diese Modellreihe wurde bis zur Vito 111 mit dem Ultron-Objektiv fortgeführt. Als preisgünstigere Modellreihe gab es ab 1960 die Vitoret. Auch sie weist ein Metallchassis auf, gegenüber den hier gezeigten Kameras wirkt sie recht klobig. Sie wurde fast ausschließlich mit dem dreilinsigen Lanthar-Objektiv und einfacherem Verschluss geliefert, war aber wahlweise auch mit einem ungekuppelten Belichtungsmesser und sogar mit Entfernungsmesser zu haben. Weitere beliebte Voigtländer-Kleinbildkameras waren die schnelle Vitessa mit kombiniertem Auslöser und Filmtransport sowie die Prominent für professionelle Ansprüche mit auswechselbaren Objektiven.

Günstige Preise

Wer eine Vito oder Vitomatic erstehen will, sollte beachten, dass Verschlussaufzug und Auslöser nur funktionieren, wenn ein Film eingelegt ist. Das ist kein Nachteil, könnte aber ohne Film den Eindruck erwecken, als sei etwas defekt. Diese Voigtländer-Kameras sind noch keine Raritäten. Erstaunlich ist, dass viele in gutem Zustand die Zeit überstanden haben und noch heute in Gebrauch sind. Die einfachen Modelle sind etwa ab 25 Euro zu haben, die interessanteren für 50 bis 100 Euro. Kameras mit dem hochlichtstarkem Objektiv „Ultron" sind natürlich besonders begehrenswert und teuer.

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