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Artikel
2003
KAMERAS PRAXISTEST
Leica MP
Stil-Frage
Aus der Leica M6 wird die Leica MP Was sich außer dem Namen noch ändert, zeigt ein Blick auf die Details. Und die liegen - wie so oft - im Verborgenen.
Echte Leica-Fans könnten bei der Leica MP ins Grübeln geraten. Den roten Punkt - das Lieblingssymbol aller Leica-Träger - sucht man auf ihr vergeblich. Fehlt sonst noch was Wesentliches? Ja, die Rückspulkurbel. Sie musste einem prähistorischen Rändelrad weichen, bei dem man Angst haben muss, auf Dauer Blasen an Daumen und Zeigefinger zu bekommen, während man darauf wartet, dass der Film endlich wieder im schützenden Dunkel der Patrone verschwunden ist. Dafür kann das „P" wie professionell nicht stehen. Umständlich wie eh und je ist auch der Filmwechsel durch den Kameraboden bei abgenommener Bodenplatte. Dieses Procedere ist durch die normative Kraft der Praxis professionell geworden - Leica-Profis machen es schließlich von Geburt (der Leica) an -, aber keineswegs praktischer. Zu den Vorzügen der Leica gehört, dass fast alle Systemkomponenten der Vorgängermodelle weiter verwendet werden können und alle Bedienvorgänge mit der Leicatypischen Präzision und Gediegenheit ablaufen.
Die MP wird wie alle Leica-Systemkameras in Handarbeit in Solms montiert und soll 3000 Euro kosten. Sie wird in vier Versionen erhältlich sein: schwarz lackiert mit der Suchervergrößerung 0,72 oder silbern verchromt mit 0,58-, 0,72- und 0,85facher Vergrößerung. Die Deckkappe ist aus dem vollen Messing gefräst und konnte durch den reduzierten Einsatz von Elektronik gegenüber der M6 TTL und der M7 um 2,5 mm auf das Höhenmaß der Ur-M6 reduziert werden. Betriebsbereit ist die MP knappe 15 Gramm schwerer als die M6. Die Entfernungs- und Belichtungsmessung wurde nochmals überarbeitet. Um Kontrast und Helligkeit zu steigern, sind unter anderem alle optischen Flächen des Suchers mit einer reflexmindernden Mehrschichtvergütung versehen. Die Sucherfenster selbst haben eine neue, kratzfeste Vergütung. Ein modifizierter Spiegel und eine Zusatzlinse sollen bei besonders kritischem Seitenlicht für ein kontrastreiches Messfeld und deutlich sichtbare Leuchtrahmen für die unterschiedlichen Brennweiten sorgen. Eingespiegelt werden wie bei der M6 beim Einsetzen des entsprechenden Objektivs die Bildfeldbegrenzungen für 28 und 90 mm (90-mm-Rahmen einzeln in MP 0,85), für 35 und 135 mm (35-mm-Rahmen einzeln in MP 0,58) oder für 50 und 75 mm. Neu ist eine zweistufige Batteriekontrolle. Bei nachlassender Leistung erscheint im Sucher das Symbol eine Weile, bevor keine Messung mehr möglich ist. Nichts merkt der MP-Fotograf im besten Fall von dem noch dünneren Material, aus dem die Blende hinter dem kleinen Sucherfenster besteht. Es soll die Empfindlichkeit gegenüber Veränderungen der Höhenjustage des Entfernungsmessers vermindern.
Geblieben ist der geräuscharme und erschütterungsfreie Gummituch-Schlitzverschluss, der mechanisch gesteuert ist und horizontal abläuft. Auch hier finden sich Verbesserungen, die sich in der Praxis nicht direkt auswirken, jedoch der Langzeitstabilität dienen sollen. Die Grundplatine der Verschlussbremse ist nun aus Berylliumbronze und die Sattelfeder für die Friktion der Bremse aus einem verschleißfesteren Material. Die zweite Feder für die Friktion ist elastischer dargestellt, was einer besseren Einstellung und einer gesteigerten Lebensdauer dient. Der Filmaufzug läuft durch optimierte Zahnradformen gleichmäßiger und weicher. Die Friktionsscheibe der Filmspule besteht aus einem neuen Material und sorgt für höhere Standfestigkeit sowie ruhigeren Filmtransport und -aufzug.
Die Belichtungsmesser-Elektronik ist neu überarbeitet worden: Ein Flash-Prozessor erlaubt einen digitalen Abgleich für die Programmierung in Produktion und Service bei aufgesetzter Deckkappe. Zusätzlich werden Potentiometer vermieden, die eine Nachjustierung erfordern könnten. Die verbesserte Linearität des Belichtungsmessers gewährleistet exaktere Belichtungen über den gesamten Arbeitsbereich. Ein Spannungsregler stellt die korrekte Versorgungsspannung auch bei gebrauchten Batterien sicher. Von der Effektivität dieser die Zuverlässigkeit steigernden Maßnahme ist Leica so überzeugt, dass man registrierten Eigentümern für ihre MP eine besondere Garantie von fünf Jahren gewährt. Außerdem werden nach einem möglichen Modellwechsel noch für mindestens 30 Jahre alle Serviceleistungen und Ersatzteile im Leica-Kundendienst garantiert.
Äußerliche Veränderungen runden die Verwandlung der M6 zur MP ab. So wurde die Belederung überarbeitet, ohne dass sie dabei allerdings merkbar griffiger geworden wäre. Die schwarze Version ist jetzt lackiert, was der MP zusammen mit dem alten Leica-Schriftzug einen nostalgischen Touch gibt. Da bei der MP die Hartgummi-Backen weggefallen sind, die über den Trageriemenösen der M6 als Kratzschutz dienten, wird sich hier sicher bald die von vielen geschätzte Patina von durchschimmerndem Messing einstellen. Als passende Ergänzung zum schwarz lackierten Kamera-Body sind die Objektive Summicron-M 2/35 mm und Summilux-M 1,4/50 mm auch in einer schwarz lackierten Ausführung zu haben. Schließlich ist im Zusammenhang mit der Erneuerung bei der MP von dem jetzt wieder als Zubehör erhältlichen, mechanischen Schnellaufzug Leicavit-M für raschen Filmtransport zu berichten. Wer damit fotografiert, macht einen unerhört professionellen Eindruck - ist aber nicht wesentlich schneller als mit dem normalen Transporthebel. Wer will, kann sich davon auch an seiner M6 oder M7 überzeugen, denn der neue Leicavit ist rückwärtskompatibel.
Fazit
Horst Gottfried
Das Fazit? Es fällt zwiespältig aus. Unromantische Praktiker sind zweifellos mit einer Leica M7 bestens und mit einer gebrauchten und vermutlich günstiger erhältlichen M6 TTL besser bedient. Foto-Fans, die alles kaufen, was einen roten Punkt hat, brauchen dagegen trotz dessen Fehlens nicht zu zögern. Sie können auch bei der MP unbesorgt zugreifen. Hier finden sie eine Kamera, die alles hat, was sie an ihrer Leica so lieben, und das in einer Detailperfektion, die ansonsten ausgestorben zu sein scheint.
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