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Artikel

2003

KAMERAS PHOTOGRAPHICA

Mini-Kameras aus Japan

Die Hits

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen in Japan zahlreiche Minikameras auf den Markt - je nach Perspektive einfach aufgebaut oder faszinierend simpel.

Sie hießen Charmy, Colly, Crown, Lucky, Miracle oder Crystar und sahen sich alle irgendwie ähnlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Japan Unmengen einfacher Minikameras hergestellt, die unter Sammlern „Hit-Kameras" genannt werden - nach einem der meistverkauften Modelle der Firma Tougodo. In den frühen sechziger Jahren kaufte ich mir eine ähnliche Miniaturkamera, auf einer Blisterkarte mit Bereitschaftstasche und fünf Filmen. Sie sah aus wie ein Spielzeug, maß nur 5,4 x 3,2 x 3 cm und kostete 8,90 Mark; das war mir der Spaß wert. Die ersten Aufnahmen enttäuschten: Der Verschluss hinter der Linse war so schlampig gemacht, dass er nicht nur beim Niederdrücken des Auslösers den Film belichtete, sondern beim Loslassen noch einmal Licht durchließ. Der Fehler ließ sich weitgehend beheben; ein Blech im Verschlussmechanismus musste etwas zurechtgebogen werden, dann funktionierte es. Die Bilder wurden grobkörnig und am Rand unscharf, aber man konnte das Motiv erkennen, und der Spaßfaktor war groß. Diese Kamera ist längst verschollen. Doch nach dem letzten Flohmarktbesuch lebte der Spaß bei mir wieder auf.

Die Crystar

Die Crystar ist vom selben Kaliber. Sie ist genauso schlecht verarbeitet, auch hier zickt der Verschluss: Wenn man schnell auf den Auslöser drückt, gibt es eine recht kurze Belichtungszeit, drückt man langsam, gibt es eine ungewollte Langzeitbelichtung, aber nie so, wie es der Fotograf möchte. Man könnte es richten: man kann die vordere Platte, die die Linse trägt, mit dem Fingernagel abhebeln und eine andere Feder einsetzen. Aber dann ist die Kamera ja nicht mehr original. Erstaunlich ist, wie wenig bewegliche Teile der Verschluss braucht: zwei Bleche und zwei Federn. Auch der Rest der Kamera besticht durch Einfachheit. Die Blechteile des Gehäuses passen nur widerwillig zusammen, die Filmandruckplatte ist nur symbolisch federnd befestigt. Das Objektiv mit nur einer Linse kann das Motiv nicht in einer Ebene abbilden; darum ist die Filmbühne gewölbt. Der Sucher besteht aus einem glaslosen Durchblick und die „Belederung" ist aus Papier. Der 16 mm breite Film für zehn Bilder im Negativformat 14 x 14 mm war ähnlich konfektioniert wie ein Rollfilm. Er brauchte keine Kassette, sondern war mit einem Schutzpapier hinterlegt, das auf der Rückseite mit Bildnummern bedruckt war. So musste man beim Weiterdrehen des Films durch das rote Fenster in der Rückwand die Anzeige beobachten und jeweils bei der nächsten Zahl aufhören zu drehen. Den älteren Lesern wird manches davon bekannt sein von den typischen Boxkameras und anderen Billigapparaten der dreißiger bis sechziger Jahre. Doch die Hit-Kameras brachten diese Technik im entzückenden Design, ausgewachsenen Fotoapparaten nachempfunden. Sogar die Bereitschaftstasche entspricht den großen Vorbildern.

Die Mycro III A

Die Mycro III A ist dagegen schon luxuriös zu nennen. Das Objektiv glänzt mit der Lichtstärke 4,5 - ein Wert, der heute nicht einmal von manchen Zoomkompakten erreicht wird. Die Frontplatte ist sauber verarbeitet, die Gravuren zeigen Präzision. Der Objektivverschluss ist deutlich aufwendiger gebaut als bei der Crystar: er besteht aus zwei Lamellen, die sich scherenartig öffnen und schließen, ganz so wie bei „richtigen" Kameras. Er bietet die Zeiten '/100, '/50, '/2-5 und B. Allerdings dürften diese Werte höchstens annähernd zu erreichen sein, denn wenn man den Einstellhebel bewegt, wird dadurch nur eine Federspannung verändert; gute mechanische Verschlüsse hingegen werden ähnlich wie ein Uhrwerk durch eine Unruhe gesteuert. Die Mycro III A verfügt über eine stufenlose Irisblende, an der sich die Werte 4,5 bis 11 einstellen lassen. Freilich wurde auch hier nicht gerade Präzisionsarbeit geleistet. Das Gehäuse der Mycro III A ähnelt stark dem der Crystar. Auch hier findet sich die gewölbte Filmbühne, was darauf schließen lässt, dass das Objektiv nur mangelhaft korrigiert ist.

Nach etwas Feinarbeit könnte man mit diesen Kameras durchaus fotografieren - sofern man die Filme bekommt. Doch die waren schon ein paar Jahre später nicht mehr erhältlich. Was bleibt, ist also die reine Sammlerfreude. Miniaturkameras sind bei Sammlern beliebt und dementsprechend teuer. Doch bei den Hit-Kameras ist der Spaß noch relativ günstig; sie werden ab etwa 25 Euro gehandelt. Vor kurzem sah ich ein Exemplar für 70 Euro auf einer ungeöffneten Blisterkarte, mit Bereitschaftstasche und Filmen, ganz so wie damals... Für besser ausgestattete Modelle wie die Mycro III A in gebrauchtem Zustand muss man mit etwa 50 Euro rechnen.

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