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Artikel
2004
Zauber der langen Belichtungszeit -
eingefangen mit der Selectronic S Sensor
Vor rund zehn Jahren noch Gegenstand lebhafter Diskussion, heute Selbstverständlichkeit: der Verwischungseffekt in der Farbfotografie
Gelernt haben es die Fotografen von Malern des Impressionismus, die Flüchtigkeit eines Augenblicks und die Bewegung so einzufangen, dass sie nicht „eingefroren" wirken. Unter bewusstem Verzicht auf Räumlichkeit und exakt scharfe Konturen der Wiedergabe bezieht diese Art der Bildschilderung ihre Wirkung aus Form und Farbe - vereint zu sprühender Lebendigkeit. Die Technik ist einfach. Lange Belichtungszeit und das Bewegen der Kamera während der Aufnahme bewirken ein Zusammenfließen der einzelnen Bildelemente zu jenem impressionistischen Farbenzauber, von dem hier die Rede sein soll. Wer. hat es nicht schon ausprobiert? Präziser ausgedrückt: Vier Faktoren bestimmen im wesentlichen dabei das Ergebnis:
1. die Eigengeschwindigkeit des bewegten Objekts, 2. seine Entfernung von der Kamera,
3. die Richtung, in welcher die Bewegung erfolgt,
4. die Verschlussgeschwindigkeit, der Kamera.
Ausmaß und Umfang der Verwischung lassen sich steuern. Je langsamer die Verschlussgeschwindigkeit im Verhältnis zur scheinbaren Geschwindigkeit (Winkelgeschwindigkeit) des Objekts ist, desto stärker wird die Verwischung - und umgekehrt.
Ist es wirklich sinnvoll, so kalkulierend ans Werk zu gehen? Ergibt nicht intuitives Arbeiten
gleichfalls Bilder, die der Vorstellungskraft des Fotografen entsprechen? Die Bilder dieser Seiten mögen beweisen, wie wenig erforderlich, ja sogar sinnvoll ein allzu kontrolliertes Vorgehen ist.
Aufnahmen wurden mit einer Kamera gemacht, deren hervorstechendes konstruktives Merkmal der Bedienungskomfort ist. Ihr Name Agfa Selectronic S Sensor. Ausgestattet mit einem elektronisch gesteuerten Verschluss (er belichtet mit bis zu 14 Sek. autom.) werden im Sucher
lediglich Zeiten von 1/500 bis 1/30 Sek. angezeigt. Darunter rutscht der Zeiger auf ein Stativ-Symbol. Zwar signalisieren zwei Kontroll-Leuchten am Gehäuse das Öffnen und Schließen des Verschlusses, doch ist eine exakte Bestimmung der Belichtungszeit - im Sinne einer systematisch betriebenen Verwisch-Technik - natürlich nicht möglich.
Klaus Tiedge, der die hier gezeigten Aufnahmen mit der Selectronic machte, sagt zu diesem Problem: „Es gehört zunächst gewiss eine Portion Unbekümmertheit dazu, im hellen, klaren Sucherbild das unübersehbare Signal, das auf die Stativ-Verwendung hinweist, einfach zu ignorieren. Die ersten Versuche wurden denn auch mit Belichtungszeiten gemacht, die knapp unter 1/a5Sek. gelegen haben müssen. Das Spielen mit dem Blendenring ergibt dabei guten Aufschluss. Die Serie des Mädchens mit Pony entstand z. B. auf diese Weise. Doch bald wird man schon mutiger. Selbst Aufnahmen unter extremen Bedingungen im Ultra-Langzeitbereich (über 10 Sek.) werden dann riskiert - ob nun Jazzkeller-Atmosphäre oder das Verkehrsgewühl auf nächtlichen Straßen.
Die Verführung zum freien Experimentieren geht von der Kamera selbst aus. Das automatische „Klack-Lack" des Verschlusses, das den Fotografen von jedem Problem der Messung der erforderlichen Belichtungszeit freimacht, ergibt ein Gefühl absoluter Sicherheit. Weitere positive Faktoren sind in der handgerechten Form des Kamerakörpers und - ganz besonders- in der Sensor-Auslösung zu sehen. Es ist ein Fotografiergefühl ganz eigener Art, das sich beim Arbeiten mit der Selectronic breit macht: Unbeschwerte Schaffensfreude wäre wohl der treffendste Ausdruck dafür."
Kommen wir zurück zu den Aufnahmen. Wie weit man die Verwischung treiben kann, das beweisen die Aufnahmen aus dem Jazzkeller. Die Schärfe der Konturen fällt hier fast vollständig weg, so dass die Farben zur nahezu monochromen Wiedergabe verschmelzen. Der Betrachter wird dennoch von der Leuchtkraft eingefangen. Das geringe Licht wirkt so konzentriert und zeigt die Faszination der Musik. Die Bilder der Pony-Serie wirken da ganz anders. Hier wird Fröhlichkeit und Leichtigkeit durch den Verwischungseffekt unterstrichen. Das kleine Mädchen und ein Spielgefährte scheinen über dem Boden zu schweben. Zwei grundverschiedene Darstellungsweisen, die mit der Verwischung möglich sind, sollten hier aufgezeigt werden - fotografiert mit einer Problemlos-Kamera.
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