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Artikel

2004

TESTLINIE

ALEXANDER BORELL ÜBER.

Petri Computor II

Kleine Kameras gibt es heute - wieder - fast wie Sand am Meer. Und es gibt „die Kleinen" für geringere, höhere und für ganz hohe Ansprüche. Wie immer es sei und wie immer man es mit den Ansprüchen halten will, „die Kleine" ist immer dabei, was man von den größeren Kalibern nicht unbedingt sagen kann. Und noch etwas muss hier betont werden: Handliche Kompakt-Kameras sind wesentlicher, tragender Teil der Produktion der Foto-Industrie. In Color finden Sie daher nicht nur Tests über die Kamera-Prominenz, sondern ebenso über Modelle, die von sehr vielen Fotofreunden gekauft werden. Über Modelle, die sehr viel Freude an der Fotografie bereiten, wie beispielsweise die Petri Computor II. Red.

Auf den ersten Blick gibt es diese kleinen Dinger wie Sand am Meer: Fotoapparate mit Sucher, mit Halb- oder Ganzautomatik, teilweise auch mit Entfernungsmesser. Kaum ein namhafter Kameraproduzent, der in seinem Programm nicht auch eine solche kleine, einfache Kamera hätte. Sie sind, wie die bekannten Veilchen, die im Verborgenen blühen, das heißt, sie bevölkern die Schaufenster der Fotogeschäfte, und niemand nimmt sie so recht ernst. Ich habe mir schon oft überlegt: wer kauft eigentlich so was? Unbedarfte Knipser? Sicherlich nicht, denn die wissen beim zweiten Film schon nicht mehr, wo hinein er gehört. Erst recht können sie mit einer „Guide Number" nichts anfangen. Auch nicht mit einer Leitzahl, und „DIN" oder „ASA" halten für tibetanische Fürsten.
Wer dann kauft so etwas? Renommierer? Auf gar keinen Fall, denn mit einer solchen Kleinkamera kann man nicht angeben. Dazu gehört ein Klotz mit 1,2.
Oder kaufen es engagierte Amateure als Zweitkamera? Ich habe noch bei keinem Engagierten je eine solche Kamera gesehen. Die Käufer sind also in der großen Mittelschicht zu suchen: Leute, die gern und sogar mit einigen Ansprüchen gute Aufnahmen machen wollen, jedoch keine Lust haben, sich mehr als nötig technisch und gewichtsmäßig zu belasten. Es ist das große Heer aller derjenigen, die zwar auch Color lesen, sich aber mehr für „schöne" Bilder interessieren, als für perfekte Verfremdung. Und die mich anrufen, um zu erfahren, ob man in Sizilien ein Filter braucht. Es sind ihrer gar viele .. .
Und wir müssen ihnen dankbar sein, denn ihre Umsätze ermöglichen es der Industrie, auch für uns was zu produzieren. Und nun muss ich hier ein Bekenntnis ablegen: ich selber habe auch immer eine solche Kamera bei mir, im Auto, in irgend einer Aktentasche, und manchmal, wenn mir die ganze gewichtige Fotografie zum Halse heraushängt, verreise ich sogar mit nur und ausschließlich einer solchen Kamera.
Und als ich neulich einigen Bekannten rund hundert Dias vom Gardasee vorgeführt hatte, sagte einer, der mich sonst kennt: „Natürlich - mit deinen Super-Kameras ist so was ja nichts besonderes."
Diese Dias aber waren ein Teil meiner Testaufnahmen mit der Petri Computor II. Diese kleine Kamera ist ein Automat mit elektronischem Verschluss. Ein Vollblutautomat, der sich nicht manipulieren lässt. Sie glauben nicht, wie sehr das zur Erholung beiträgt, wenn man mal keine Möglichkeit zum Manipulieren, sprich Denken hat! Und hier zeigt sich schon der vermutlich größte Vorteil dieser kleinen Petri: Ihr Verschluss reicht von 2 Sekunden bis zu 1/1000! Viele andere hören schon bei der 1/250 sek. auf, und das ist für uns Engagierte einfach zu langsam.
Nach meinen Erfahrungen bevorzugt die Petri-Automatik kurze Verschlusszeiten. Das heißt, die Blende ist stets relativ weit auf, damit die Zeiten so kurz wie möglich ausfallen. Das ist für uns besser, als die Lösung einiger anderer Modelle, die mehr Gewicht auf Schärfentiefe legen und daher eine möglichst kleine Blende bevorzugen und ihr die Verschlusszeit zuordnen. Mit dieser Petri kann man noch bei einigermaßen gutem Licht Sportaufnahmen machen. Sie hat auch einen gekuppelten Entfernungsmesser. Hätte ich das nicht von außen gesehen und in der Bedienungsanleitung gelesen, würde ich es beim Blick durch den Sucher kaum bemerkt haben. Er ist mehr ein Hilfsmittel, die Entfernung einigermaßen genau einzustellen, und beim zweiten Film sieht man das sogar im Sucher: aber bei 40 mm Brennweite genügt ein solches System. Bei der Leica M 5 kostet das Suchersystem vermutlich mehr als doppelt soviel, wie hier die ganze Kamera, für die man etwa DM 360,(Circa-Preis mit Tasche) bezahlen muss.
Dafür hat sie mit der M 5 von Leitz einen anderen Unfug gemeinsam: Das Messwerk steht dann unter Strom, wenn man den Film nach der Belichtung weitergeschaltet hat. Man muss sich umgewöhnen, erst vor einer Aufnahme weiterzuschalten, sonst verbrauchen Kamera und Messwerk ständig Strom. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit: Man kann nämlich, im Gegensatz zu mancher Nobelkamera, den Auslöser blockieren, und damit ist auch der Strom ausgeschaltet! (Also doch nicht um-
gewöhnen, wenn wir den Auslöser blockieren.)
Ehe Sie mit dieser Kamera fotografieren, müssen Sie die beiden Batterien einlegen, (die man wieder nicht überall bekommt, weil sie dick sind und 1,4 Volt haben!), und die Empfindlichkeit Ihres Films einstellen. Das geht mit einem Ring so einfach, dass man sogar damit unterwegs manipulieren kann - wenn man will. Auf dramatische Unter- oder Gegenlicht-Überbelichtung. Zum Blitzen stellen Sie die Leitzahl des Blitzgerätes ein, und dann können Sie blitzen, ohne sich um etwas anderes als die Entfernung kümmern zu müssen: die richtige Blende kommt automatisch.
Und noch etwas: Sie können Ihr Blitzgerät eingeschaltet auf der Kamera im heißen Sucherschuh lassen, der Blitz wird nur ab Lichtwert 6,5 ausgelöst. In der Praxis bedeutet das: Bei zweifelhaftem Licht trotz Automatik keine Unsicherheit. Denn entweder macht die Kamera mehr als eine 1/30 sek. oder sie blitzt. Sie glauben gar nicht, wie erholsam und erfolgreich (!) so etwas ist, wenn man mit Freunden nachts am See schon beim siebenten Liter Landwein angelangt ist, und - trotzdem noch ein paar Aufnahmen haben will. Nicht um damit Hamilton oder Lord Snowdon Konkurrenz zu machen. Aber ich hätte mit keiner meiner anderen Kameras - zu so was nimmt man sie ja meistens schon gar nicht mit! - ein so köstliches Bild von Anita bekommen, wie sie in voller Kleidung vom Tisch weg in den See marschiert. Ich möchte einigen von Ihnen, die zwar engagierte Fotografen sind, jedoch keine allzu „ernsthaften", diese kleine Petri Computor II als Geheimtip empfehlen. Und damit sie sich mit ihrem sechslinsigen 1,7 Objektiv auch für die geheiligten Sitten dieser Zeitschrift empfiehlt, sollten Sie sich die Testaufnahmen anschauen.

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