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Artikel

2004

Fritz Meisnitzer

Contax RTS

Eine fast perfekte Kamera

„Die Contax RTS kann man mit Dutzenden von schmückenden Superlativen krönen - superb, ultimativ, futuristisch, phantastisch …“.

So steht es in dem vom Hersteller herausgegebenen, großartig gemachten (englischen) Hand-Ringbuch zur neuen Contax RTS. Und genau so zeichnen Broschüren und Anzeigen diese Kamera - vielleicht die aufwendigste Vorauswerbung, die je für ein Stück Fotowerkzeug gemacht worden ist. Aber das begann ja schon auf der photokina letzten Jahres: 

Man präsentierte uns die Kamera, ein Gemeinschaftswerk von Yashica und Carl Zeiss, eingebettet in ein System, das praktisch keinen Wunsch mehr offen ließ. Man präsentierte sie uns als die künftige Welt-Spitzenkamera auf dem Sektor der Kleinbild-Spiegelreflex. Man gab sie uns in die Hand. Und siehe da - alles, was an einer Kamera konstruktiv schwierig zu lösen ist, verriet vom ersten Berühren, vom ersten Fühlen an den Hauch des. Genialen, sicht- und fühlbare Züge der Perfektion. Und genau das war wahrscheinlich der große Fehler: Man erwartet zuviel.

Ich habe jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, seit einer Woche eine Contax RTS mit Real Time Winder und Carl Zeiss Planar 1,4/50 mm zur Verfügung. Außerdem ist noch ein Contax Intervall Timer dabei, mit dem ich zwar gespielt habe, den ich aber noch nicht motivgerecht einsetzen konnte - beim Spielen funktionierte er tadellos. Genauso tadellos, wie alles andere auch: Ob mit oder ohne angesetztem Real Time Winder - die Contax RTS liegt hervorragend in der Hand. Sie ist - bestückt mit dem Normalobjektiv - ausgewogen, wie ein gutes Stück Werkzeug nur ausgewogen sein kann. Um den Real Time Winder, den kleinen Motor anzusetzen, der immerhin bei Verschlusszeiten zwischen 1/60 und 1/2000 bis zu 2 Bildern pro Sekunde schafft, braucht man keinerlei Montagearbeiten vorzunehmen - man schraubt ihn am Stativgewinde der Kamera an, er kuppelt automatisch und funktioniert. Das Sucherbild ist hervorragend hell, mit Brille ausreichend überschaubar. Die Auslösung ist so weich und dadurch so sicher wie bei keiner KB-Spiegelreflex, mit der ich bisher gearbeitet habe. Übrigens, auch bei angesetztem, jedoch abgeschaltetem Real Time Winder kann man ganz normal auslösen und von Hand transportieren - durchaus sinnvoll in Situationen, in denen man das leise Jaulen des Motors nicht brauchen kann.

Der Verschluss - eine im Prinzip konventionelle Tuch-Konstruktion - funktioniert sehr leise, bringt samt Spiegel keine fühlbaren Erschütterungen hervor.

Und darum: Hätte mir jemand diese Kamera ohne den Anspruch in die Hand gegeben, etwas besonders Perfektes gebaut zu haben - ich glaube, ich hätte mit Freude geschrieben, dass sie nahezu perfekt ist. So schreibe ich es mit einem gewissen Bedauern. Denn alles, was an dieser Kamera so perfekt ist, und was einem die Freude am Arbeiten deutlich genug verderben kann, das sind Dinge, die die Konstrukteure bei Yashica bestimmt spielend hätten lösen können - Dinge, für die es zum Teil recht simple Lösungsvorbilder gibt. Zwei fehlende Sicherungen waren es vor allem, die mich echt böse gemacht haben: Der butterweiche Auslöser, der auf die geringste Berührung anspricht, ist nicht zu arretieren. Leerbelichtungen sind die Zwangsfolge. Und eine unachtsame Bewegung genügt, um von Automatik auf 1/2000 sek. zu schalten. Gewiss, letzteres zeigt der Sucher mit seiner Zeitenskala rechts neben der Mattscheibe - falls man sie ablesen kann. Denn die so groß gepriesene LED-Anzeige erweist sich in kritischen, d. h. dunklen Aufnahmesituationen sehr schnell als imperfekte Halbheit. Halbheiten sind - für Blitzaufhellung - die Synchronisation bis zu 1/60 sek. und - für Mehrfachbelichtungen - die geradezu antike Trickserei, mit der der Verschluss neu zu spannen ist. Und was die Real Time anbelangt, die „Echtzeit", so muss wohl auch die Contax RTS den Belichtungsmesswert speichern, bevor der Verschluss ablaufen darf. Mich stören diese letztgenannten Punkte zwar nicht - aber sie haben Gewicht, wenn von Perfektion die Rede ist. Trotzdem sollten sie nicht allzu sehr überschatten, was diese Kamera an Hervorragendem bietet - unter anderem die Einsatzmöglichkeit für Zeiss Objektive, von denen auf jeden Fall das Planar hervorragend ist.

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