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Artikel
2004
James E. Cornwall: Oldtimer
Sie formten die Fotografie weltweit:
Die Kameras des Dr. August Nagel
In meinem Oldtimer-Bericht vom Juni d. J. schrieb ich von dem Kauf
KAMERAS FÜR ROLLFILM UND AUFNAHMEPLATTEN
Hervorzuheben aus dem ersten Katalog wären zwei Rollfilm- und zwei Plattenkameras. Zuerst die Nagel Nr. 65, die als kleinste 6 x 9-Rollfilmkamera der Welt angepriesen wurde. Sie war ausgestattet mit einem Nagel-Anastigmat 1: 6,8/105 mm und besaß einen 3-Geschwindigkeiten-Verschluss. Dieses Modell wurde zwischen 1928 und 1931 hergestellt; ab 1930 hieß es „Librette Nr. 65". Sammlerwert: ca. DM 50,-. Die zweite Rollfilmkamera war eine Nagel Nr. 74, in der Konstruktion und Größe baugleich mit der Nr. 65, jedoch mit einem 1: 4,5/105 mm Anastigmat und einem 7-Geschwindigkeiten-Verschluss sowie Radialhebel für die Scharfeinstellung. Dieses Modell gab es auch als Luxusausführung mit brauner Saffian-Belederung (Nagel Nr. 74/1). Von diesen Modellen wurden im Laufe der 3-jährigen Produktionszeit nur ein paar tausend Exemplare gefertigt. Das Modell mit Ringcompur und Nagel-Anastigmat 4,5/105 mm kostete RM 89,-. Sammlerwert Mod. 74: DM 75,- Sammlerwert Mod. 74/1: DM 100,-. Beide Kameras zählen zu den beliebten Sammlerobjekten, die jede Oldtimer-Sammlung fototechnisch bereichern.
ZWEI POPULÄRE MODELLE FÜR DEN ANFÄNGER
Bei den Plattenkameras aus dem ersten Nagel-Katalog handelt es sich um „die geeigneteste Camera für den jungen Anfänger", die Nagel Nr. 10, eine preiswerte 6,5 x 9 Kamera mit einem Nagel 1: 6,8/105 mm Anastigmat und einfachem Auszug. Dieses Modell blieb im Kameraprogramm bis 1934; ab 1930 hieß die Kamera „Anca Nr. 10" (August Nagel Camera). Im Gegensatz zu der üblichen Herstellmethode, wurden die Kamerateile aus der Nagel-Fabrik aus Aluminium gegossen, statt aus Blech gedrückt. Sammlerwert: ca. DM 50,-. Die zweite Plattenkamera des Kataloges war die Nagel Nr. 18. Ebenfalls eine 6,5 x 9-Kamera, allerdings mit einem Nagel 1: 4,5/105 mm Anastigmat in Compur. Die Nr. 18 verfügte zusätzlich über doppelte Auszugsmöglichkeit. Sämtliche Kameras aus dem ersten Nagel-Katalog waren nicht nur mit echtem Leder bezogen, sondern auch die Balgen waren aus diesem Material, was nicht unbedingt - bei der damaligen Wirtschaftskrise - eine Selbstverständlichkeit war. Sammlerwert: DM 70,- bis 120,-. Auch dieser Sammlerwert demonstriert, dass echte Oldtimer von fototechnischer Bedeutung dennoch relativ preiswert zu kaufen sind.
DIE VOLLENDA FÜR 6 x 9-ROLLFILM FORMAT
Im Sommer 1929 erschien die Vollenda, eine 6 x 9-Rollfilm-Springkamera, im Handel. Die Reaktion auf dieses Modell liest sich in der Fachpresse wie folgt: „Verblüffend ist, dass es gelang, die äußeren Dimensionen der Kamera gegenüber ähnlichen Modellen wesentlich kleiner zu halten, obwohl die lichtstarke Optik sehr viel Platz in Anspruch nimmt." Nicht nur die Objektiv- und Verschlussauswahl der Vollenda wurde gerühmt, sondern allgemeine Ausstattung wie ihr Brillant- und Rahmensucher und ihre Schnell-Fokuseinrichtung. „Alles in allem ist die Kamera - wie ihr Name sagt - vollendet." Sammlerwert: DM 75,-. Zu Beginn des Jahres 1930 offerierte die Firma Nagel wieder eine Vollenda, jedoch mit neuem 5 x 7,5-Format. Mit dieser Kamera schuf Dr. Nagel den ersten 5 x 7,5-Apparat mit Schnellfokussierung, d. h. mit einem Handgriff konnte der Apparat geöffnet werden und war dabei gleichzeitig auf unendlich eingestellt. Die neue Vollenda wurde von Sportlern der damaligen Zeit nicht nur wegen ihrer Kompaktheit bevorzugt gekauft, sondern auch wegen ihres Compurverschlusses, der Aufnahmen bis zu 1/300 sek. ermöglichte. Sammlerwert: DM 75,- bis 100,-.
DIE VOLLENDA 6,5 x 11 UND DIE PANORAMA-FORMAT
Eine Vollenda mit dem Format 6,5 x 11 wurde 1930 und 1931 hergestellt. Die 11 cm Bildbreite boten bei Panorama-Aufnahmen eine aparte Bildwirkung. Für den Sammler von Rollfilmkameras ist dieses Modell hochinteressant. Hochinteressant wegen der produzierten Stückzahlen. Es wurden nämlich nur ca. 1.000 Stück fabriziert. Und man kann davon ausgehen, dass eine Menge davon nicht mehr existieren. Sammlerwert: DM 100,- bis 150,-. Ein weiteres Sammlerstück mit dem „Panorama-Format" 6,5 x 11 finden wir heute auch in der Nagel Librette Nr. 79. Sie wurde ebenfalls wie die vorgenannte Vollenda in den Jahren 1930 und 1931 produziert. Auch von ihr wurden nur etwa 1.000 Stück hergestellt. Für einen Sammler ist besonders die Luxusausführung der Librette 79 interessant. Luxusausführung insofern, da die Kamera in brauner Belederung geliefert wurde. Sammlerwert: DM 100,- bis 150,- .Auch diese beiden Modelle zeigen anhand der produzierten Stückzahlen, wie gering eigentlich - im Vergleich zu heute - die Fertigungszahlen pro Jahr eines bestimmten Kameramodelles in den 30er Jahren waren. Das Interesse der Sammler kann einerseits motiviert werden durch Kameras, die in ihrer Gesamtheit epochal waren - oder beispielsweise durch Modelle, die in nur geringer Stückzahl gefertigt wurden. Beide Gesichtspunkte - geringe Stückzahl und technische Rarität - treffen auf diese beiden Kameras des Typs Vollenda zu.
DIE NAGEL-PUPILLESCHLAGER DES JAHRES
Der „Schlager" des Jahres 1930 aus dem Nagel-Werk war zweifellos die Pupille. Dies lag in dem Grundprinzip des Herstellers begründet, dem Interessenten erst dann seine Erzeugnisse anzubieten, wenn sie bis in die letzte Einzelheit durchkonstruiert waren - also auch den kritischen Ansprüchen standhielten. „Diese Kamera lässt auf den ersten Blick erkennen, dass sie von einem erfahrenen
RANCA ROLLFILMKAMERA UND NAGEL-FORNIDA
Eine neue 3 x 4-Rollfilmkamera stellte die Fa. Nagel im Jahre 1931 vor. Es war die Ranca Nr. 46, und sie sah aus wie eine kleine Schwester der Pupille. Die Ranca wurde in zwei Versionen angeboten: Einmal mit Frontlinseneinstellung und Rahmensucher, zum anderen mit Schneckengangeinstellung und optischem Durchsichtsucher (Modell Nr. 46/1). Bekannt wurde die Ranca als „das photographierende Skizzenbuch". Von beiden Modellen wurden ca. 2.200 Stück gebaut. Sammlerwert: DM 100,- bis 150,-. Wer Plattenkameras sammelt, sollte auf die Nagel Fornida 30 achten. Sie wurde nur 1930 und 1931 an den Fotohandel geliefert und ihre Gesamtproduktionszahl belief sich auf nur ca. 1.000 Stück. Die Fornida 30 war eine 9x 12-Kamera mit doppeltem Bodenauszug (Auszugslänge 28 cm). Es gab 8 verschiedene Verschluss und Objektivkombinationen zur Auswahl. Vom Nagel-Anastigmat 6,3/135 mm im Ibsor-Verschluss bis zum hochwertigen Schneider-Xenar 4,5/135 mm im Ringcompur. Sammlerwert: DM 100,- bis 150,-. Gerade die Ranca-Rollfilmkamera gibt hier Anlass, auf das damals weit verbreitete Aufnahmeformat von 3 k 4 cm hinzuweisen: Während heute der Anwender mehr oder weniges sich zwischen Kleinbild- oder Mittelformat zu entscheiden hat, gab e vor dem 2. Weltkrieg zahlreiche „Zwischenformate" von Kleinbild bi; 6 x 9 Rollfilmformat. In diesem Sinne ist unsere heutige Fotografie leider um einiges ärmer geworden.
DER VERKAUF DES NAGELWERKES AN DIE KODAK AG
Das Ende des Jahres 1931 brachte für die Firma Dr. August Nagel eine entscheidende Wende. Die maßgeblichste Rolle dabei spielte die Firma Kodak. Der gute Ruf der Firma Nagel sowie die kaufmännischen und konstruktiven Fähigkeiten ihres Besitzers waren der Anlass für Kodak, mit Dr. August Nagel Kaufverhandlungen aufzunehmen. Im Dezember 1931 sicherte sich das größte Unternehmen der Welt auf dem Gebiet der Fotografie die Mitarbeit Dr. Nagels für die Zukunft. Das Dr. Nagel-Werk ging durch Verkauf in den Besitz der Kodak AG. über und Dr. Nagel wurde zum ordentlichen Vorstandsmitglied ernannt, behielt jedoch zusätzlich die Leitung des Werkes inne. 1937 trat Dr. Nagels Sohn, Helmut Nagel, als Ingenieur in das Unternehmen ein. Nach dem Tode des Vaters, im Jahre 1943, übernahm Helmut Nagel die Leitung des Werkes. Nach 1945 brachte Helmut Nagel den Wiederaufbau der Fertigungsstätten und die Wiederaufnahme der Kameraproduktion in Gang. Darüber hinaus galt sein Interesse der Weiter- und Neuentwicklung im Kamera- und Gerätebau. 1953 wurde Helmut Nagel zum Vorsitzenden des Vorstandes der Kodak AG. ernannt. In diesen Tagen (am 30. August) kann Helmut Nagel (s. Abb.) sein 40-jähriges Arbeitsjubiläum bei der Firma Kodak feiern. Er zählt zu den ausgeprägtesten Unternehmerpersönlichkeiten der deutschen fotografischen Industrie und ist zusätzlich Leiter eines eigenen Museums.
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