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Artikel
2004
Foto-Historica
Weltberühmt für Präzision und Qualität
Universelle Systemkameras von Plaubel
Ein für die deutsche Kameraindustrie seltenes Ereignis ist das 75-jährige Jubiläum der Firma Plaubel in Frankfurt/Main, denn viele Kamerafirmen lösten sich nach kurzer oder längerer Zeit wieder auf, weil sie nicht das geeignete Programm anbieten konnten. Dagegen hat es die Firma Plaubel immer wieder verstanden, sich aufgrund ihres Sortiments auf dem Markt zu behaupten. Am 1. November 1902 wurde die Firma Plaubel & Co. durch Hugo Schrader gegründet. Seine Ausbildung erhielt er seinerzeit bei der Firma Voigtländer in Braunschweig. Die Geschäftstätigkeit der Firma Plaubel umfasste zuerst den Handel und die Herstellung fotografischer Gegenstände, Objektive und Zubehör. Zu Weihnachten 1902 erschien der erste schon sehr umfangreiche Katalog, der bereits ein reichhaltiges Kamerasortiment sowie alles notwendige Zubehör anbot. In der eigenen Fabrikation wurden zunächst nur Objektive hergestellt: Das vierlinsige Doppel-Orthar 1: 6,8 in den Brennweiten von 6-75 cm sowie das Peconar 1: 8, in den Brennweiten 15-25 cm. 1904 konnte Hugo Schrader Verbesserungen in der Objektivfabrikation vornehmen; dadurch war es möglich, das Doppel-Orthar in den Lichtstärken 1: 6; 1: 5,4; 1: 4,5 zu liefern. Auf Verlangen seiner Kundschaft beschloss Hugo Schrader 1909, auch den Kamerabau aufzunehmen. Es sollte etwas „Besonderes" in Bezug auf Konstruktion und sorgfältige Ausführung darstellen. Dazu Hugo Schrader: „Unsere Aufgabe war es, eine wirkliche Feinmechaniker-Camera für den Kenner und Liebhaber deutscher Genauigkeitsarbeit zu schaffen, gut durchdacht im Aufbau, genau ausgeführt aus bestem Material. Wir nannten unsere 9 x 12 und 10 x 15 Apparate dieser Art „Präzisions-Peco."
Der Anfang lag in einer genialen Idee begründet
Als Ei des Columbus erwies sich die Idee Hugo Schraders, eine kleine Scherenkamera zu bauen, bei der die Antriebseinrichtung (mit Mikrometer-Antrieb beider Spreizen) im Vorderteil angeordnet war. Die Vorzüge dieser Kamera lagen bei: 1.) Erreichung völliger Stabilität und absolute Parallelführung des Vorderteils zur Plattenebene. 2.) Schnellste Bereitschaft, da das Einstellen der Entfernung und Verschlussgeschwindigkeit sowie Verschlussspannen bei geschlossenem Apparat stattfand. Diese Konstruktionsvorteile wurden zunächst der damals sehr beliebten Stereoskopie zugewandt und die erste nach dem neuen Prinzip fabrizierte Kamera war eine 4,5 x 10,7 cm Kleinststereokamera. Die rege Nachfrage nach der Stereo-Makina gab Veranlassung, die ausgezeichnete Bauweise auch für Einzelbilder des so außerordentlich beliebten Formats 4,5 x 6 cm weiter auszubauen. Anfang Juli 1911 brachte das Plaubelwerk eine Kamera, die in die Geschichte der Fotografie einging, heraus: Die Makina. Sie verfügte als einzigste Kleinkamera ihrer Zeit über Hoch- und Tiefverstellung des Objektives; diese Verbesserung konnte infolge eines Patentes getroffen werden, ohne die Abmessungen der Kamera unnötig zu vergrößern. Beide Modelle hatten sich als so ausgezeichnet erwiesen, dass sie weltweit bekannt wurden.
Modell 1920 - Die Makina für Aufnahmeformat 6,5 x 9
Die Weiterentwicklung der Makina wurde durch den 1. Weltkrieg unterbrochen, konnte aber 1919 mit um so größerem Erfolg wieder aufgenommen werden, so dass schon Anfang 1920 die Makina mit dem neuen Format 6,5 x 9 cm in den Handel gebracht werden konnte. Als zusätzlichen Anreiz bot sie das lichtstarke Anticomar 1: 3, eine damals für Handkameras unerhörte Lichtstärke! Die ältere Generation der Fotografen, die sich in ihrer Jugend durchweg der großformatigen Kameras bediente, erlebte noch das geradezu revolutionierende Aufsehen, das die Makina als „ Kleinbildkamera 6 x 9" auslöste. 1912 entwickelte die Firma Deckel den Compur-Verschluss, den man auch bald danach in den Makinas einbaute. Aber auch an Kleinigkeiten wurde bei Plaubel gedacht. So erhielt der Durchsichtssucher der Makinas ab Anfang der 20er Jahre eine blaue Diopterlinse. Zu dieser Zeit konnte der Käufer der 4,5 x 6 oder 6,5 x 9 Makina zwischen drei Objektiven wählen: Dem Doppel-Orthar 1: 6, dem Anticomar 1: 4,2 und dem bereits erwähnten Anticomar 1: 3. Mit dem neuen, dreilinsigen Anticomar 1: 2,9 wurde die Makina ab 1924 erstmalig ausgerüstet. Kurz darauf steigerte Plaubel die Lichtstärke des Anticomars auf 1: 2,8; diese Optik fand in der Makina 4,5 x 6 Verwendung; ferner kam noch ein Rahmensucher hinzu.
Die Stereo-Makina für Anhänger von Stereo-Fotos
Plaubels Bestreben, die Makinas immer weiter zu vervollkommnen, griff auch auf die Stereoskopie über. Zur Freude der Stereoamateure führte die Firma Plaubel im Jahre 1926 die Stereo-Makina 6 x 13 cm ein. Mit dem Modell Stereo-Makina für das Format 4,5 x 10,7 cm trat Plaubel Ende 1927 an die Öffentlichkeit. Als besonders günstig bei der Stereo-Makina erwies sich die absolute Parallelführung der Scherenspreizen, denn sie garantierte gleichmäßig scharfe Negative. Bezüglich der optischen Ausstattung der Stereo-Makinas schreibt die Firma Plaubel in ihrem Gesamtkatalog von 1927: „Wir hoffen, dem Wunsche nach außerordentlich leistungsfähigen, aber trotzdem eng zusammenlegbaren Stereo-Kameras zu entsprechen, zumal es uns gelungen ist, besonders lichtstarke Optik einzubauen, nämlich 2 identische Supra-Anticomare 1: 3,9 (4,5 x 10,7) bzw. 2 Anticomare 1: 2,9 (6 x 13). Für 4,5 x 10,7 erlaubt leider die größte Öffnung des verfügbaren Compur-Verschlusses eine Steigerung der Lichtstärke über 1: 3,9 nicht, dagegen konnten wir die ganze Plattenlänge in der Weise nutzbar machen, dass wir ein Bild 4,5 x 4,5, das andere 4,5 x 6 anordneten." Sammlerwert: Makina 6,5 x 9: DM 180,- bis 280,- Stereo-Makina (45 x 107) DM 250,- bis 300,-
Kleine, Leichte Kameras für die Westentasche
Ende 1931 stellte Plaubel eine bemerkenswerte kleine Klappspreizenkamera vor: Die Makinette. Diese Neukonstruktion stammte von Goetz Schrader, dem Sohn Hugo Schraders. Die Makinette, eine 3 x 4 cm Kamera, war im wahrsten Sinne des Wortes eine Westentaschenkamera. Mit den Maßen 31 x 96 x 57 mm und einem Gewicht von 370 g war sie die kleinste und leichteste aller deutschen Kameras ihrer Zeit. Diese Präzisionskamera für 16 Aufnahmen gab es in zwei verschiedenen Ausführungen: Mit einem Anticomar 1: 2,7/50 mm und mit einem Supracomar 1: 2/45 mm. Beide Versionen verfügten über einen Compur-Verschluss mit Zeiten zwischen 1-1/300 sek. Ebenso war bei beiden Modellen ein Selbstauslöser vorhanden. Interessant an der Makinette war nicht nur ihre Kompaktheit, sondern die bis ins Letzte durchdachte Konstruktion. Als Beispiel dafür lassen sich die drei nebeneinander liegenden Skalen, auf der rechten Seite der Kamera, anführen. Man konnte dadurch auf einen Blick die Entfernung, die Blende und die Tiefenschärfe nicht nur gut ablesen, sondern auch bequem bedienen. Die äußere Erscheinung der Makinette macht noch heute einen guten Eindruck, aufgrund der schwarzen Emaillierung, der Nickelteile und des Bezuges, der sogar aus indischem Bocksaffian bestand. Die Makinette war kein Massenprodukt vom laufenden Band, sondern das Ergebnis erfahrenster feinmechanischer Handarbeit (typisch für die Firma Plaubel). Wer eine Makinette in seine Sammlung einreihen möchte, wird es ziemlich schwer haben, ein Exemplar zu finden. Sollten Sie jedoch das Glück haben, diese Kamera zu erwerben, werden Sie Ihre helle Freude haben. Sammlerwert: Makinette: DM 600,- bis 800,-
Kamera mit Entfernungsmesser: Plaubel Makina II
„Der Reporter empfiehlt sie! Die wundervolle Plaubel Makina II". So wurde das neueste Erzeugnis der Firma 1933 angeboten. Das Wichtigste an dieser Neuschöpfung war ein Koinzidenz-Entfernungsmesser, der mit dem Scherenspreizen-System der Makina gekuppelt war." Die Wirkung beruht darauf, dass in einem gelbgrünen viereckigen Bild ein weiteres rundes Bild erscheint und dass durch die Verstellung eines der beiden Spiegel des Instruments mit Hilfe der Scherenspreizenverstellung der Kamera die beiden Bilder zur Deckung gebracht werden. Sobald diese Deckung erzielt ist, ist auch die Kamera scharf eingestellt." Doch auch die Möglichkeit der Mattscheibeneinstellung ging nicht verloren. Optisch ergänzt wurde die Kamera mit ihrem Anticomar 1: 2,9/10 cm durch das Tele-Makinar 1: 6,3 mit einer Brennweite von 21 cm und das Rapid-Weitwinkel-Orthar 1: 6,8 mit einer Brennweite von 7,3 cm. Ferner erschien als Zubehör ein Verlängerungsansatz zur Makina II, der auf ein besonderes Hilfsstativ montiert wurde. In Verbindung mit Vorsatzlinsen zum Anticomar oder dem Tele-Makinar waren Fernaufnahmen bis zu 7facher Vergrößerung möglich. Der Verlängerungsansatz entsprach einem 3fachen Bodenauszug. Die Amateur- und Berufsfotografen konnten zwischen einer schwarzen und einer Chromausführung wählen. Das verchromte Modell verfügte zusätzlich über einen Fernrohrsucher mit Parallax-Ausgleich. Gleichzeitig mit dem Erscheinen der Makina II bot die Firma Besitzern älterer Makinas die Möglichkeit an, einen Entfernungsmesser nachträglich in die Kameras einbauen zu lassen. Der Sammlerwert der Makina 11 beträgt: DM 150,- bis 200,-.
Mit Bildzähl-Automatik die Roll-OP II
Man kann rückwirkend sagen, dass um 1934 in Deutschland das Format 3 x 4 stark an Interesse verlor, andererseits gewannen die 4 x 4 und 4,5 x 6 cm Formate, die noch in das Gebiet der „Kleinbildkameras" fielen, stetig an Bedeutung. In Anbetracht dessen stellte die Firma Plaubel auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1935 ihre neue 4,5 x 6 Rollfilmspringkamera vor. Sie erhielt den Namen Roll-Op II. Die Roll-Op II war eine weitere Neuheit der Plaubel-Entwicklungsabteilung, die seit 1930 unter der Leitung von Goetz Schrader stand. Ein Merkmal, das die Roll-Op II von ähnlichen Kameras unterschied, war das automatische Filmzählwerk. Sie wurde mit dem Werbeslogan angepriesen: „Auch im Dunkeln lässt sich der Film mühelos und sicher weiterdrehen." Die optische Ausstattung der Roll-Op II (erste Ausführung) bestand aus einem Anticomar 1: 2,8/75 mm und als Verschluss diente ein Compur-OS mit Geschwindigkeiten von 1-1/250 sek. und Selbstauslöser. Als einziger Unterschied gegenüber der ersten Ausführung hatte die zweite Version einen Compur-Rapid-Verschluss mit Zeiten bis zur beachtlich schnellen 1/400 sek. Ein weiterer Vorteil gegenüber den Konkurrenzmodellen war der eingebaute, gekuppelte Entfernungsmesser (Plaubel Telemeter), der nach dem Koinzidenzprinzip arbeitete. Um ein leichteres Filmeinlegen zu ermöglichen, waren die Filmspulenhalter ausklappbar und was die meisten Rollfilmkameras nicht bieten konnten, waren 2 Ösen an der Roll-Op II: „Die Kamera kann an einem Riemen vor der Brust getragen werden." Im Jahre 1937 kam die Roll-Op im Format 6 x 6 hinzu; beide Modelle wurden bis 1940 gebaut. Sammlerwert: Roll-Op 4,5 x 6 ca DM 150,- bis 200,-; Roll-Op 6 x 6 ca. DM 150,-.
Makina II S - MIT Objektivschnellwechselfassung
Das Plaubel-Werk verringerte 1935 seine Produktionstypen auf die Modelle Makina II in 6,5 x 9 und die inzwischen neu erschienene Roll-Op II. 1936 begann die Ära des Makina-Systems. Mit dem Erscheinen des Modells Makina IIS, einer Weiterentwicklung der Makina II, waren die Objektive in einer Schnellwechselfassung untergebracht, wobei erstmalig in der Welt alle Wechselobjektive vor den Lamellen des Compur-Verschlusses angeordnet wurden. Diese Anordnung, damals stark angezweifelt, ist heute zu einem Begriff speziell im Bau von Kleinbildkameras geworden. Den Berufsfotografen, bei denen es auf Schnelligkeit ankam, war diese Einrichtung höchst willkommen. Zur selben Zeit erschien das lichtstarke Tele-Makinar 1: 4,8/19 cm, das zusammen mit dem Tele-Makinar 1: 6,3/19 cm das Objektivprogramm abrundete. Beide langbrennweitigen Objektive waren mit dem Entfernungsmesser halbautomatisch gekuppelt. Mit der Produktion der verchromten Makina IIS wurde das 25-jährige Makina-Jubiläum gekrönt. Die bekannten Modelle der Makina II und IIS wurden konstruktiv nicht mehr verändert, jedoch schuf man 1938 als Zusatzgerät für diese bewährte Präzisionskamera einen ansetzbaren Schlitzverschluss, der Geschwindigkeiten bis zu 1/1000 sek. zuließ. Ferner wurde eine Kassette für das 24 x 36 mm Format geschaffen. Wenn man heute zurückblickt, klingt es fast unglaublich, schon damals eine Kamera mit Entfernungsmesser, auswechselbaren Objektiven und der Möglichkeit der Formatwahl von 24 x 36 mm bis 6,5 x 9 cm gehabt zu haben. Nach dem Krieg (1949) erschien, angeknüpft an die IIS das Modell III, die erste vollsynchrone Kamera aus deutscher Produktion.
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