← Zurück
Artikel
2004
Oldtimer
Spezialgebiet der Sammelleidenschaft: Zweiäugige Spiegelreflex-Kameras
Haben Sie Flexitis? Nein? Sie wissen nicht was es ist Ja nun, Flexitis ist eine wunderschöne Krankheit. Der Sammler von zweiäugigen Spiegelreflex-Kameras ist von dieser Krankheit befallen! Und trotzdem fühlt er sich kerngesund. Es fing alles an, als er eine „Beautyflex" ganz billig „ergattern" konnte. Er brachte sie nach Hause und stellte das Stück demonstrativ auf seinen Wohnzimmerschrank. Sie wissen, was ich meine: Der 4-Meter-50-Wand-zu-Wand-Super-Palisander-Wohnzimmerschrank. Messeneuheit, versteht sich. Und die Beautyflex auf dem Schrank lockerte das ganze auf. Kann man verstehen, nicht wahr? Aber damit war es nicht genug. Irgendwie sah die Beautyflex so verloren aus da oben. Der Sammler beschloss, eine Schwester für sein „Kind" zu kaufen. Und es dauerte nicht lange - eine Woche später fand er eine „Zenobia-Flex". Und wiederum so billig. So jedenfalls sagte er zu seiner Frau. Damit war der erste Schritt zu einem Spezialgebiet des Sammelns fotografischer Oldtimer getan - damit fing alles erst richtig an.
TECHNISCHES GUSTOSTÜCK: ZEISS IKON IKOFLEX III
Aber zurück nach Deutschland. Eine der schönsten „Twin-lens Reflexes" meiner Meinung nach, die jemals gefertigt wurde, ist die Ikoflex III von Zeiss Ikon (Spalte 2). Diese 1939 erschienene 6 x 6 Kamera zeichnete sich vor allem durch die (für damalige Verhältnisse) außerordentlich lichtstarke Optik (Tessar 1: 2,8) und die einfache Bedienungsweise aus. Technisch interessant ist, dass auch das Sucherobjektiv die Lichtstärke 1: 2,8 besaß. Die damals genannte „Lichtsammel"-Mattscheibe garantierte Helligkeit bis in die Ecken. Der Fotoamateur von 1939/40 hatte es mit der lkoflex III wirklich bequem alle Einstellungen konnten von oben her aufgenommen und überprüft werden. Die jeweilige Einstellung der Blende und des Verschlusses durch die seitlich am Aufnahmeobjektiv angebrachten Stellhebel konnten in zwei von oben her ablesbaren Fensterchen kontrolliert werden. Gut erhalten hat die lkoflex III einen Sammlerwert von ca. DM 250,-. Mit der Zeiss lkoflex II wurde dem Fotografen ein ähnlich komfortables Aufnahmegerät in die Hand gegeben, wie mit den legendären zweiäugigen Rolleis: Ob lkoflex oder Rollei - beide Kameras formten weltweit eine neue Dimension der Mittelformat-Fotografie (6 x 6).
EINES DER GESUCHTESTEN MODELLE - DIE GEMFLEX!
Aber die beiden „Flexen" da oben auf dem Wohnzimmerschrank - irgendetwas stimmte nicht. Beide zusammengerückt, mal links, mal rechts. Nein! Jede für sich? Nein, es sah alles so verloren aus. Da musste noch eine „Schwester" her! Wie gesagt, das ist der Anfang von Flexitis. Und Gott sei Dank kann kein Arzt diese Krankheit heilen! Und jetzt wissen Sie, lieber Leser, ob Sie auch von Flexitis befallen sind oder nicht. Spaß bei Seite. Fangen wir mit Tatsachen an. In der ersten Spalte sehen Sie eine der gesuchtesten „Zweiäugigen". Es ist die Gemflex. Hergestellt wurde sie von der Firma Showa Optical in Japan und im Jahre 1949 kam sie auf den Markt. Lassen Sie sich von der Abbildung nicht täuschen. Die Gemflex ist nur 4,3 x 8,4 x 4 cm groß! Und sie wiegt nur 130 Gramm! Bestückt war sie mit einem Gern 1: 3,5/25 mm Objektiv in Fix-Focus-Fassung. Die Verschlussgeschwindigkeiten reichten von 1/25-1/100 sek. + B. Diese Metallkamera machte 10 Aufnahmen in der Größe 14 x 14 mm auf 14-mm-Film. Die Gemflex ist schwer zu finden, und ich schätze ihren Wert auf DM 400 bis 600,-. Insgesamt handelt es sich bei der Gemflex um ein überaus selten anzutreffendes Sammler-Stück.
FÜR VERSCHIEDENE FILMFORMATE: DIE ROLLEI MAGIC
In Spalte 3 finden wie die Rollei-Magic. Mit der Rollei-Magic hat die Firma Franke & Heidecke die erste vollautomatische Spiegelreflexkamera im Format 6 x 6 geschaffen. Im Grunde genommen war die Rollei-Magic eine Mehrformatkamera; 12 Aufnahmen 6 x 6 oder mit Maskensatz 16 für 16 Aufnahmen 4 x 5,5 oder 4 x 4 cm. Die optische Aufrüstung bestand aus einem Schneider-Xenar 1,5/75 mm und einem Heidosmat als Sucherobjektiv. Der Verschluss war ein Prontormat-S mit stufenloser Programmsteuerung. Die Belichtung regelte sich somit automatisch (Belichtungsregler mit Kontrollzeiger und Einstellknopf für Filmempfindlichkeit). Die Rollei-Magic war zwischen 1960 und 1962 auf dem Markt und heute sollte sie nicht in einer 6 x 6-Sammlung fehlen, da sie als ein Meilenstein im Kamerabau angesehen werden kann. Sammlerwert ca. DM 150 bis 180,-. Jetzt folgt in Spalte 4 eine „Durchschnitts-Rollei". Sie nannte sich Rolleiflex-Automat und war zwischen 1949 und 1951 im Handel. Hier die wesentlichen Verbesserungen gegenüber ihren Vorgängern: Vergrößerte Sucherlupe, Einklappen der Vorderwand des Lichtschachts zum Rahmensucher. Sammlerwert ca. DM 100,-.
ALTIFLEX DER EHO-KAMERAFABRIK IN DRESDEN
Sehen Sie doch einmal in Ihrer Sammlung nach, ob Sie eine „Alpenflex" oder eine „Cosmoflex" haben. Haben Sie nicht? Dann vielleicht eine „Ofunaflex" oder eine „Wagoflex". Auch nicht? Wie sieht's denn mit einer „Altiflex" aus? Sie haben eine? Ja gut, aber welches Modell? Vielleicht interessiert Sie dann auch der Werdegang dieser 2-äugigen 6 x 6-Spiegelreflex-Kamera.
Die Altiflex (Hersteller: EHO Kamerafabrik, Dresden) wurde zum ersten Mal auf der Leipziger Frühjahrsmesse im Jahre 1937 vorgestellt. Sie kam dort gut an, was nicht zuletzt auf ihren günstigen Preis zurückzuführen war. Die ersten drei Versionen der Altiflex differierten in den Verschlusskombinationen: 1.) Victar 4,5 im Automatverschluss. 2.) Victar 4,5 im Prontor II. 3.) Victar 4,5 im Compur. Im Jahre 1938 erschienen 3 neue Variationen der Altiflex: 1.) Bestückt mit einem Rodenstock Trinar Objektiv, Lichtstärke 1: 4,5 entweder im Prontor II (s. Foto) oder Compur Verschluss. 2.) Mit Trinar 1: 3,4 wieder wahlweise mit Prontor II o. Compur. 3.) Mit Steinheil Cassar 1: 2,9 im Prontor Verschluss. Ebenfalls im Jahre 1938 wurde die Altiflex mit einem aufsteckbaren optischen Belichtungsmesser (Lumy) geliefert. Dazu kamen die Modelle mit Victar 1: 2,9 und Trinar 1: 2,9 jeweils im Compur Verschluss mit Vorlauf. Das Jahr 1939 brachte dann das Modell Altiflex II. Zur Jahreswende 1939/40 wurde die Fa. EHO in Amca-Camera-Werk, Berthold Altmann umbenannt. Nach dem Kriege hieß die Herstellerfirma nun Altissa-Werk; es fertigte noch kurz die Altiflex Sammlerwert DM 60,- bis DM 100,-.
EXOTISCHES SAMMLERSTÜCK: ONTOFLEX FÜR 6 x 9
Machen wir das Spiel doch ruhig weiter! Sehen Sie einmal nach, ob Sie eine „Elegaflex" oder „Nikkenflex" haben. Noch nie etwas davon gehört? Wie ist es mit einer „Welmyflex" oder einer „Pigeonflex"? Auch nicht? Aber sicher haben Sie entweder eine „Laureflex" oder eine „Malcaflex" in Ihrer Sammlung! Wieder nicht? Wenn Sie jetzt auch noch sagen, dass Sie keine „Ontoflex" besitzen, gebe ich es auf. Nun, die Ontoflex ist auch gar nicht so einfach zu finden. Und wenn Sie eine haben sollten, dann wissen Sie wie „anders" sie ist, gegenüber einer gewöhnlichen Zweiäugigen. Obwohl kaum größer als eine „Twin-Lens", machte die Ontoflex sogar 6 x 9 cm-Bilder auf 620er Rollfilm. Und das war der „Clou": Ein Kontakt-Foto 6 x 9 zusammen mit den Vorteilen einer Spiegelreflexkamera. Auffallend an der Ontoflex war ihr schwenkbares Rückteil (für Hoch- und Querformat). Die Mattscheibe zum Scharfeinstellen wurde mit entsprechenden Markierungen für beide Formate versehen. Hergestellt wurde die Ontoflex um 1939 von der Pariser Firma Cornu. In den meisten „Standardwerken" für Kamerasammler ist die Ontoflex mit einem Zeiss Tessar 1: 3,5/90 mm abgebildet. Auf jeden Fall gab es zusätzlich eine Version mit einem Roussel „Kynor" 1: 3,5/90 mm Objektiv im Compur-Verschluss (1-1/250 sek.). Das Sucherobjektiv dabei war ein Berthiot Ontor 1: 3,5. Sammlerwert: ca. DM 500,-. Eines sei hier betont: Rollfilm-Kameras, die auch mit rechteckigem Format (also 6 x 9) abbilden, zählen - im Vergleich zu vielen 6 x 6-Kameras - zu den außergewöhnlich seltenen, daher attraktiven Oldtimern.
ZWEIÄUGIGE MIT SCHLITZVERSCHLUSS BIS 1/500: FOTH-FLEX
Rückblickend kann man sagen, dass während der 30er Jahre die Blütezeit des Kamerabaus in Deutschland herrschte. Viele Firmen, die sonst auf ganz anderen Gebieten tätig waren, erkannten die Chance, dass hier etwas zu verdienen war. Auch Firmen, die nur optische Artikel herstellten, versuchten, auf dem Kameramarkt Fuß zu fassen. Eine davon war die Fa. C. F. Foth, Berlin. Diese Firma stellte in Jahre 1933 zum ersten Mal eine zweiäugige 6 x 6-Spiegelreflexkamera der Öffentlichkeit vor:
Es war die Foth-Flex. In der äußeren Form unterschied sie sich nicht viel von den bereits 1933 auf dem Markt befindlichen Modellen gleichen Typs. Neu allerdings war der Verschluss. Die Foth-Flex besaß keinen Compur-, sondern einen Schlitzverschluss (1/25-1/500 sek.) mit eingebautem Selbstauslöser. Die Sucher- und Aufnahmeobjektive waren Foth-Anastigmate mit der Lichtstärke 1: 3,5. Es muss angenommen werden, dass die Kamera zu dem Preis von RM 135,- nicht „ankam", denn bereits ein halbes Jahr später kostete sie nur noch RM 80,-! Ein verbessertes Modell (Foth-Flex II) erschien 1935 im Handel. Im wesentlichen wurden hier nur die Verschlusszeiten bis zu 2 vollen Sekunden erweitert. Sammlerwert: Mod. 1: ca. DM 350,-. Sammlerwert: Mod. II: ca. DM 300,-. Im Rahmen der Entwicklungsgeschichte der zweiäugigen Spiegelreflex-Technik für das Mittelformat verkörpern aber beide Foth-Flex-Kameras interessante Etappen der Foto-Historie: Hier kam - im Gegensatz zu den vielen, anderen Zentralverschluss-Modellen - der Schlitzverschluss zur Anwendung!
EINE DER POPULÄRSTEN - DIE VOIGTLÄNDER BRILLANT
Wenn man über zweiäugige Reflexkameras spricht, dann sollte man auch die Voigtländer „Brillant" erwähnen. Immerhin hat sie zwischen 1932 und 1940 viel dazu beigetragen, dass die Amateurfotografie weitestgehend populär wurde.
„Sie ist so billig, dass man sie sich auch bei stark eingeschränktem Etat ohne Bedenken leisten kann, und dabei sieht sie nicht nur blendend aus, sondern sie ist auch so geschickt konstruiert und so solid gebaut, dass man seine helle Freude daran haben kann". Einiges an der Brillant wurde von der bekannten „Bessa" übernommen, wie z.B. das „Voigtar" Objektiv. „Von der bewährten Bessa ist nicht nur die Optik, sondern auch eine ganz besonders praktische Einrichtung übernommen: die „Dreipunkteinstellung": Porträt - Gruppe - Landschaft." Die erste Brillant konnte man in 4 verschiedenen Ausführungen erwerben. Hier die Objektiv- und Verschluss-Kombinationen: 1.) Voigtar 1: 9/75/ Voigtl. Verschluss. 2.) Voigtar 1: 7,7/75 Voigtl. Verschluss. 3.) Voigtar 1: 6,3/75/Embezet-Verschluss. 4.) Skopar 1: 4,5/75/Compurverschluss. Abgebildet sehen Sie die 4. Version; sie kostete seinerzeit RM 70,-. Bis zum Kriege gab es noch 2 weitere Grundmodelle in insgesamt 10 Ausführungen. Mehr davon in einer späteren Folge. Sammlerwert: ca. DM 40,- bis DM 120,-. Voigtländer-Brillant-Kameras waren einst weit verbreitet und gehören demnach heute zu den einfach zu findenden Sammler-Modellen. Abb.: Pentax Gallery, Tokio. Urs Tillmanns, Schweiz. Franke & Heidecke, Braunschweig. Carl Zeiss, Oberkochen.
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}