← Zurück

Artikel

2004

Oldtimer

Zum Thema Einäugige: Entwicklung der Spiegelreflextechnik

Alle vom Urlaub zurück - gesund und munter? Na dann kann es ja wieder losgehen mit unserem liebsten Hobby: Kameras sammeln. Auf Wunsch vieler Leser bringe ich jetzt eine Folge über einäugige Spiegelreflexkameras. Die Spiegelreflexkameras kamen ursprünglich nur in Kastenform auf den Markt. Da diese Ausführungsform, wenn auch sehr stabil, so doch etwas umfangreich war, so schuf man später die zusammenklappbaren Apparate, die in geschlossenem Zustand weniger Raum einnahmen. Die Kastenkameras kamen in zwei Ausführungen auf den Markt. Die eine Art besaß einen veränderlichen Auszug, die andere nicht. Erstere hatte den Vorteil, dass man mit dem normalen Objektiv auch sehr nah befindliche, kleine Gegenstände in natürlicher Größe abbilden konnte, aber auch, dass man das Normalobjektiv gegen ein anderes mit langer Brennweite ersetzen konnte. Da zwischen dem Objektiv und dem Film oder den Platten ein bestimmter Mindestraum vorhanden sein musste, um darin die Spiegelvorrichtung unterzubringen, so konnten sehr kurzbrennweitige Objektive in Reflexkameras der 20er und 30er Jahre nicht eingebaut werden. Der Mechanismus einer Reflexkamera bereitete dem Konstrukteur erhebliche Schwierigkeiten, die sich noch wesentlich erhöhten, wenn es galt, die Kamera auch zusammenklappbar zu gestalten. „Für das schmale Einkommen" - mit diesem Werbeslogan wurde 1933 eine neuartige Spiegelreflexkamera dem deutschen Fotoamateur angeboten. Es war die„ Reflex-Box', eine Kastenkamera für 8 Aufnahmen auf dem handelsüblichen 6 x 9 Rollfilm. Der Hersteller der Reflex-Box war die Dresdner Firma Kamerawerkstätten und für nur RM 25,50 konnte man die einfachste Ausführung der Reflex-Box erwerben.

DIE REFLEX-BOX- EINE KASTENKAMERA FÜR 8 BILDER

„Wenn Sie hundert Mark oder mehr für eine Kamera ausgeben wollten, Sie könnten keine bessere Möglichkeit für die Kontrolle Ihrer Aufnahmen haben. Die Reflex-Box kostet mit einem ausgezeichneten 6,3 Anastigmaten RM 25,50. Keiner wird ihr das ansehen, aber jeder wird bei Ihren Bildern sagen: Müssen Sie aber einen guten Apparat haben! Die Reflex-Box ist die Spiegelreflex des anspruchsvollen Amateurs, und dennoch sind zu ihrer Anschaffung nur RM 25,50 nötig!" Aber wer nicht mit einer 6,3-Optik auskommen wollte, konnte die Reflex-Box auch mit einer 4,5-Optik - dem Steinheil-Actinar -kaufen. Im Jahre 1935 erhielt die Reflex-Box als Ergänzung eine Einlage für das Format 4,5 x 6 cm. Hier die technischen Daten: Durch Herunterdrücken des großen Hebels an der rechten Seite des Kameragehäuses wird der Spiegel in die Sucherstellung gebracht; dabei wird gleichzeitig der Ganz-Metallschlitzverschluss gespannt. Die Geschwindigkeiten sind durch Herunterdrücken und Verschieben des rechten Knopfes regulierbar (1/25, 1/50, 1/100). Sammlerwert: DM 150,-bis DM 200,-.

IHAGEE-SERIEN-REFLEX

In den 20er und 30er Jahren produzierte die Firma Ihagee, Dresden, die „Serien-Reflex". Ab RM 170,- konnte man die Serien-Reflex mit einem Ihagee-Anastigmaten 1:4,5/ 12 cm erwerben. Zuerst gab es die Serien-Reflex in den Formaten 6,5 x 9 cm und 9 x 12 cm. Im Jahre 1929 wurde dann die Kamera im Format 9 x 9 cm geliefert - „den Wünschen vieler Amateure entsprechend", wie es in der Werbung hieß. Die Ihagee-Serien-Reflex war von der Konstruktion her ein lederbezogenes Holzgehäuse. Ein Schlitzverschluss ermöglichte Zeiten von 1/1.5 bis 1/1000 sek. Außerdem normalen Mattscheibensucher verfügte sie über einen Rahmensucher, der am Lichtschacht befestigt war. Die Möglichkeit, hoch- oder querformatige Aufnahmen zu machen, war gegeben durch ein drehbares Mattscheibenrückteil. Alle drei Modelle sind, was die Konstruktion und Technik anbelangt, gleich - sie differierten lediglich in der Optik. Das abgebildete Modell ist für das Plattenformat 6,5 x 9 cm und bestückt mit dem Zeiss Tessar 4,5/12 cm-Objektiv. Sammlerwert: DM 200,- bis DM 250,-.

ENSIGN-FOLDING-REFLEX IN KOMPAKTBAUWEISE

Als die Ensign-Folding-Reflex-Kamera im Format 9 x 12 cm noch vor 1910 auf den Markt kam, stellte sie sich als harte Konkurrenz zur Kastenkamera und die Werbung sagte: „Die bisher gebräuchlichen Spiegelreflexkameras in Kastenform haben viele Freunde gehabt und waren sicherlich von hohem Wert für den Gebrauch im Heim oder für den glücklichen Besitzer eines Automobils. Für andere Zwecke, z. B. für Fuß-Touren, Reisen usw. war die Kastenform-Reflex zu umfangreich und schwer. Die Ensign-Klapp-Reflex hat diese Nachteile überwunden, misst sie doch zusammengelegt kaum 10 cm und das Gewicht ist nur 1800 Gramm." Hier die technischen Details der Ensign: Schlitzverschluss von 1/10 bis 1/1000 sek., Objektivbrett seitlich verstellbar, Objektiv mit Schneckengangeinstellung. Der Verschlussfunktioniert folgendermaßen: Man zieht den Verschluss durch eine halbe Umdrehung des Schlüssels (linke Kamaraseite) auf. Die Verschlussgeschwindigkeit wird kontrolliert durch Niederdrücken und Drehen der unter dem Schlüssel lagernden, mit Zahlen gravierten Scheibe. Sammlerwert: ca. DM 300,-.

MIT SCHNELLER TAUSENDSTEL: IHAGEE-PATENT-KLAPPREFLEX

Kaum größer als eine gewöhnliche quadratische Klappkamera ihrer Zeit, stellte die Ihagee-Patent-Klappreflex die kleinste (14 x 5 x14 cm) und leichteste (ca. 1 kg) Klapp-Reflexkamera dar. Und die Fachpresse wusste dies zu würdigen: „Trotz ihrer kompendiösen Form ist die Ihagee-Klappreflexkamera sehr stabil konstruiert. Die Bedenken derjenigen Amateure, die bisher Reflexkameras wegen ihrer schweren unhandlichen Form mieden, sind damit zerstreut. Die kleine famose Kamera, die vorläufig im Format 6,5 x 9 cm hergestellt wird, wird in wenigen Wochen auch im Format 9 x 12 zu haben sein. Die Furcht vor der großen und schweren Spiegelkamera ist also unbegründet. Wer mit der Ihagee-Klapp-Reflex arbeitet, hat nicht mehr zu tragen, als andere Lichtbildner, die eine einfache Klappkamera mit sich führen. Er hat vor diesen aber den Vorteil voraus, jedes einzelne Bild vorher auf der Mattscheibe scharf einstellen zu können und läuft nie Gefahr, unscharfe oder verwackelte Bilder mit nach Hause zu bringen, auf denen den Personen die Köpfe oder die Beine fehlen." Der Schlitzverschluss der PatentKlapp-Reflex erlaubte Zeiten zwischen'/15 und'/1000 sek. Ab 1926 war die Kamera nicht nur in den Formaten 6,5 x 9 und 9 x 12 cm, sondern auch im Format 10 x 15 cm zu haben. „Die sehende Kamera" - wie sie seinerzeit genannt wurde, ist heute relativ schwer zu finden, nicht nur in privaten Sammlungen, sondern auch auf Auktionen. Ihr Sammlerwert liegt daher bei ca. DM 500.-.

IHAGEE-EXAKTA-EINE KAMERA, DIE GESCHICHTE MACHTE ...

„Die Kamera in Trapezform" wurde sie genannt - die Exakta mit dem Rollfilmformat 4 x 6,5 cm. Für die damalige Zeit wurde das Prinzip der Kleinbild-Spiegelreflex-Schlitzverschluss-Kamera nahezu ideal gelöst (im Gegensatz zu den üblichen 6,5 x 9- und 9 x 12 cm-Formaten). Was waren es für Eigenschaften, die diese Kamera von Anfang an so populär machten? Es waren 5 an der Zahl. 1. Das große Negativformat bei aller Kleinheit der Kamera. 2. Die völlige Übereinstimmung des Sucherbildes mit dem aufgenommenen Bild. 3. Die Doppelbelichtungssperre. 4. Scharfe Fotos durch die Spiegelreflexeinrichtung. 5. Präzision bis zur letzten Schraube und Formschönheit der Kamera. Um die verschiedenen 4 x 6,5-Exaktas voneinander unterscheiden zu können, müssen wir ins Detail gehen. Modell A besitzt einen Schlitzverschluss mit verdecktem Aufzug für Zeiten von 1/25 bis 1/1000 sek. Das Modell B besitzt außerdem die Verschlusszeiten 1/10, 1/2, 1, 2 bis 12 sek. und ist ferner mit einem Selbstauslöser von 1/1000 bis 6 sek. ausgerüstet. Beide Modelle haben Wechselobjektive mit Schneckengangeinstellung und Arretierung auf Unendlich. Ferner den Lichtschacht mit Einstell-Lupe. Alle Standard-Objektive verfügen entweder über eine Brennweite von 7, 7,5 oder 8 cm. Folgende Wechselobjektive standen in den ersten Jahren zur Verfügung: Ihagee-Anastigmat 4,5/10,5 cm; Tele-Tessar 6,3/12 cm; Tele-Megor 5,5/15 cm und als Weitwinkel das Zeiss Tessar 8/5,5 cm.

MIT SCHNELLSCHALTHEBEL: IHAGEE-EXAKTA FÜR ROLLFILM

Zunächst gab es eine preiswerte Ausführung (RM 90,-) der Exakta. Sie kam in den Handel unter dem Namen Volks-Exakta oder wie wir sie heute kennen - „Exakta-Junior". Sie ist leicht zu erkennen, anhand der Gravierung über der Optik: „Exakta Jr.". Diese Kamera unterscheidet sich von den anderen außerdem im Verschluss. Die Zeiten reichen von 1/25 bis 1/500 sek. und alle Standard-Objektive haben Frontlinseneinstellung gegenüber den anderen Modellen mit Schneckengang. Ab 1935 finden wir die Exakta 4 x 6,5 mit einem Schnellschalthebel (alle Vorgänger besaßen einen Aufziehknopf). Und für einen Aufpreis von RM 10,- bekam man sie mit einer Vacublitz-Auslösung. Ab 1936 gab es die Exakta 4 x 6,5 mit Plattenrückwand. Dadurch waren Einzelaufnahmen auf Platten möglich (Aufpreis RM 35,-). Es gab noch die sog. „Nacht-Exaktas", diesen Namen erhielten sie wegen ihrer lichtstarken Objektive. Anfangs waren sie mit dem Biotar 1:2 in den Brennweiten 7,5 und 8 sowie 8,5 cm bestückt. Außerdem mit dem Schneider Xenon 2/8 cm. Die Modelle A, B und Junior konnte man gegen ein Aufgeld von RM 10,- auch in verchromter Ausführung erwerben (siehe Abb.) Sammlerwerte: Ausführungen A und B in Schwarz DM 300,-bis DM 400,-, in Chrom ca. DM 50,- höher. Exakta Junior ca. DM 300,- bis DM 400,-. Die Nacht-Exaktas sind schwer zu finden (sie waren doppelt so teuer wie die einfachen). Preislich liegen die Nacht-Exaktas zwischen DM 600,- und DM 800,-.

POPULÄR, PREISWERT UND ROBUST: PILOT 6 AUS DRESDEN

Wie alle K/W-Erzeugnisse (Kamera-Werkstätten Dresden) war die Pilot 6 aus dem Jahre 1936 ein Spezialmodell. Das Kameragehäuse wurde aus Leichtmetall im Spritzgußverfahren hergestellt - größter Wert wurde einerseits auf einfache und schnelle Handhabung, andererseits auf Stabilität gelegt. Die erste Pilot 6 kann man anhand des direkt über der Optik angebrachten Schildes „Pilot 6" erkennen. Außerdem an den Verschlussgeschwindigkeiten (1/25, '/50, 1/100). Erwerben konnte man die Pilot 6 entweder mit einem Ennatar 1:6,3/7,5 (billiges Modell zu RM 27,-) oder mit einem 4,5- oder 3,5-Objektiv (alle mit Frontlinseneinstellung). Bereits ein Jahr später wurde der Ganzmetallverschluss an der Pilot 6 verbessert und gleichzeitig erweitert, und zwar auf '/20, '/50, '/100, '/125, 1/150 sek. Sonst ist die Kamera nicht verändert. Erst zur Leipziger Frühjahrsmesse im Jahre 1938 erschien die Kamera mit einem neuen Gesicht. Der Namenszug der Pilot 6 befand sich dann auf der Vorderseite des Lichtschachtes und nicht mehr unmittelbar über der Optik. Aber nicht nur das Äußere wurde geändert - ein neuartiger Metallschlitzverschluss mit verstellbaren Schlitzbreiten kam hinzu ('/20, '/50, '/,00, '/200). Außerdem konnte man die Normaloptik gegen ein 4,5/105-mm-Tele-Objektiv auswechseln. Dieses Modell war nur sehr kurz auf dem Markt und es wurde im Erscheinungsjahr von der Pilot-Super abgelöst. Sammlerwert: DM 100,- bis DM 150,-.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}